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Exklusiv: Gespräch mit Prof. Dr. Eberhard Sandschneider, Direktor des Forschungsinstitutes der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik
   2008-04-15 10:05:32    Seite Drucken    cri

CRI: Während des Fackellaufs ist es beispielsweise in London und Paris zu Protesten gekommen, die nicht ganz friedlich verlaufen sind. Sie sind ein Chinaexperte, wie schätzen Sie die aktuelle Lage ein?

Sandschneider: Es ist zunächst einmal verständlich aus der Sicht von exiltibetischen Organisationen, dass sie die Olympischen Spiele benutzen, um auf ihr Anliegen aufmerksam zu machen. Aber, wenn man genau hinschaut, hat das, oder die westliche Wahrnehmung mit der Situation in China eigentlich relativ wenig zu tun. Zudem, diese exiltibetischen Proteste haben ein Stück weit auch ihre Unschuld verloren. Bei aller Kritik aus dem Westen, wir wissen, dass es Gewalt von Tibetern in Tibet gegeben hat und die Angriffe auf die Fackelläufer insbesondere in Paris haben auch nicht unbedingt Gewaltlosigkeit symbolisiert, bedauerlicherweise wird dieses Thema im Augenblick in der westlichen Presse immer mit Fragen nach Boykott und ähnlichen Maßnahmen nach oben gezogen, sag ich jetzt mal. Der Sache Tibets, einem fairen Umgang mit China und letztlich auch einem konstruktiven Dialog über die Dinge, die man gerne verbessert hätte, nützt das in keinster Weise.

CRI: Der chinesischen Öffentlichkeit werden Bilder von Gewalt gezeigt und die Ereignisse in Tibet werden als Sabotageakte hingestellt, hinter denen der Dalai Lama stecken soll. Die Mehrheit der Chinesen zeigt auch Entschlossenheit, während die westlichen Medien China vorwerfen, Propaganda zu machen, und zum Teil durch Manipulation Verstimmungen gegen China erzeugen. Also zumindest habe ich einen solchen Eindruck. Was meinen Sie dazu?

S: Zunächst einmal ist es bedauerlicherweise richtig, dass es einige Bilder gegeben hat, die sehr für Stimmung gesorgt haben hier, die aber nicht den Einsatz chinesischer Polizisten gegen tibetische Mönche wiedergegeben haben, sondern offensichtlich in Katmandu in Nepal entstanden sind, das zeigt natürlich auch, wie wichtig für westliche Medien Bilder sind, und wenn man keine Bilder bekommt, passieren bedauerlicherweise auch solche Fehler. Ich muss hinzufügen, mit ein oder zwei Ausnahmen haben die Medien, nachdem sie ihren Fehler eingesehen haben, sich auch ganz offiziell entschuldigt, aber wie das so ist, die Entschuldigung geht meistens unter, das Bild bleibt im Gedächtnis hängen.

CRI: Also ich habe den Eindruck, wenn man hier in Deutschland über negative Seiten Chinas berichtet, dann herrscht gewisse Euphorie. Was meinen Sie als Chinaexperte, wieso ist das so, was führt zu dieser Situation?

S: Ich selbst bemühe mich sehr, in der öffentlichen Debatte und in vielen Interviews dazu beizutragen, ein realistisches, ein angemessenes auch ein stückweit ein pragmatisches Bild von China hier in der Öffentlichkeit zu vermitteln. Das ist bedauerlicherweise nicht wirklich einfach, und in den letzten Jahren hat es hier einen Wandel der Stimmungslage zu China gegeben. Vor einigen Jahren waren wir noch völlig euphorisch wegen der Möglichkeiten des chinesischen Marktes, wegen des Aufstiegs Chinas, diese Euphorie ist jetzt umgeschlagen in eine hohe Bereitschaft, alles, was man an China sieht oder entdeckt, zunächst einmal zu kritisieren. Das ist genauso falsch wie die Euphorie falsch war. Ihr Eindruck ist insofern im Augenblick bedauerlicherweise richtig. Die öffentliche Meinung ist eher chinakritisch eingestellt, und ich glaube, wir brauchen alle Anstrengungen und Kräfte, um dafür Sorge zu tragen, dass wir auch wieder ein etwas ruhigeres, sachlicheres und angemesseneres Chinabild entwickeln können.

CRI: Was meinen Sie, was ist der Grund dafür, dass in den vergangenen Jahren dieser Stimmungswechsel passiert ist?

S: Das ist ganz einfach zu erklären. China ist ein großes und sehr, sehr unterschiedliches Land und gibt jedem im Westen eigentlich die Möglichkeit, ein unterschiedliches Chinabild zu entwickeln. Es hat ein paar Entwicklungen gegeben, dazu gehört der wirtschaftliche Aufstieg Chinas, dazu gehört auch die Tatsache, dass chinesische Unternehmen jetzt beginnen, mit europäischen, mit deutschen Unternehmen auf unserem Markt zu konkurrieren, dazu gehört die Angst, dass vermehr Arbeitsplätze nach China abwandern können, das alles hat dazu beigetragen, dass die Menschen plötzlich gestutzt haben und sich gefragt haben, was passiert eigentlich in diesem riesigen Land und, das muss man zugeben, es ist nicht einfach zu erklären und zu verstehen, was sich alles in China verändert und wie das Land sich entwickelt. Das schafft oft auch die Möglichkeit für Vorurteile und bedauerlicherweise ist unsere Debatte im Westen viel von solchen Vorurteilen geprägt.

CRI: Was meinen Sie, welche Maßnahmen soll oder muss man treffen, um das gegenseitige Vertrauen wiederherzustellen und dieses Misstrauen zu beseitigen?

S: Da gibt es nur eine einzige Regel, offen und uneingeschränkt miteinander zu reden, je öfter desto besser. Ohne Dialog, ohne gegenseitige Kommunikation, ohne das faire und offene Gespräch wird eine solche Situation sich nie verändern.

CRI: Mich interessiert auch, wie die jetzige Chinapolitik der deutschen Regierung aussieht?

S: Durch diese Debatte hat sich die Chinapolitik der deutschen Regierung sich nicht verändert. Es hat nach den Diskussionen um den Empfang des Dalai Lama ja doch einen sehr intensiven Gesprächsaustausch, insbesondere zwischen den beiden Außenministerien gegeben, und obwohl auf deutscher Seite der Brief unseres Außenministers nie veröffentlicht worden ist, die Grundlagen der deutschen Chinapolitik sind dort noch einmal definiert worden und sie lassen sich am einfachsten mit dem Hinweis auf die Ein-China-Politik zusammenfassen, einschließlich der Tatsache, dass Deutschland die Zugehörigkeit Tibets zu China in keinster Weise in Frage stellt.

CRI: Meinen Sie als Chinaexperte, dass die westliche Bevölkerung das Bild von China, das wahre Bild sagen wir mal, so richtig wahrgenommen hat, oder ist es so, dass sie zum Teil durch die Manipulation der westlichen Medien ein etwas falsches Bild hat?

S: Also es sind nicht nur unsere Medien. Ich müsste jetzt zurückfragen, was ist das wahre Bild von China? Ist China ein Entwicklungsland wie es sich selbst beschreibt, ist China eine Großmacht, wie man das Land auch sehen kann, es gibt unendlich viele Chinabilder, die jedem außerhalb China erlauben, sich sein eigenes Chinabild zu suchen und damit auch zu argumentieren. Es ist nicht nur die Manipulation der Medien hier, es ist einfach auch die schlichte Größe ihres Landes und die Vielfältigkeit, die China auszeichnet, die es für jemanden, der sich nicht tagtäglich damit auseinandersetzt, sicherlich schwierig macht, ein, wie Sie gesagt haben, wahres Chinabild zu entwickeln. Sie werden aus chinesischer Sicht immer damit leben müssen, dass unterschiedliche Menschen im Westen unterschiedliche Chinabilder haben, der einzige Weg aus dieser Möglicherweise Konfrontation heraus ist, dass man beständig und offen miteinander im Gesprächskontakt bleibt.

CRI: Sie sind ein Chinaexperte, was würden Sie China vorschlagen, damit da Land von den westlichen Ländern besser verstanden wird?

S: Der allererste Vorschlag, es ist aber immer schwierig, ihre Regierung von außen und ungefragt zu beraten, aber ganz offensichtlich ist die bisherige Politik gegenüber Tibet nicht erfolgreich gewesen, was der Vermieden von Unruhen angeht, ich glaube es würde sehr viel Sinn machen, ernsthaft darüber nachzudenken, ob es zur jetzigen Politik Alternativen gibt, dass der erkennbare Hass und der Widerstand der Tibeter mindestens geringer wird, wenn nicht tendenziell überhaupt aufhört. Das wäre der erste Punkt und der zweite Punkt, der hat sehr viel mit politischer Kommunikation zu tun. Man kann das drehen und wenden wie man will, tibetische Organisationen mit der Spitzenposition des Dalai Lama haben eigentlich ein fast perfektes Marketing. Das kann man von dem Marketing der chinesischen Regierung leider nicht so sagen. Die Stellungnahmen, die wir offiziell bekommen, werden in unserer Presse immer sehr leicht und kritisch auseinander genommen, auch über die Art und Weise, wie China nach außen auftritt, wie es sich bei Anliegen der internationalen Öffentlichkeit zeigt, muss man, glaube ich, grundsätzlich nachdenken, da ließe sich aus meiner Sicht mit relativ wenigen Mitteln relativ viel bewirken.

CRI: Und jetzt eine persönliche Frage. Während die chinesischen Medien über die Bilder der Gewalt aus Tibet berichten, berichten die westlichen Medien nur über das, was der Dalai Lama gesagt hat. Wem glauben Sie? Was glauben Sie, was ist die Wahrheit?

S: Die Wahrheit liegt wahrscheinlich wie immer dazwischen. Man muss einfach die unterschiedlichen Interessenlagen sehen. Sie müssen eines sehen, der Dalai Lama ist im Westen, so hat man ihn bezeichnet, ein Popstar. Er hat einfach durch seine Persönlichkeit, durch sein freundliches Auftreten, auch durch die Botschaften, die er schickt, hohen Zuspruch unter den Menschen im Westen, die aber ansonsten nichts darüber wissen, wie die Situation in Tibet wirklich ist, die auch nichts darüber wissen, dass der Dalai Lama zwar das religiöse Oberhaupt der Tibeter ist, aber im Exil und es gleichzeitig immer schwieriger hat, repräsentativ für Tibet zu sprechen. Ganz offensichtlich sind in Tibet selbst viele Gruppen gar nicht bereit, ihm zu folgen. Umgekehrt, die spannende Frage, wer hat nun recht, was ist wahr, zwischen der Position der Mönche, die in Lhasa demonstrierten, zwischen den Stellungnahmen der Regierung in Peking ist solange schwer abzuschätzen, als es nicht möglich ist, ein realistisches Bild von außen zu bekommen, indem man beispielsweise auch Zugang zu Tibet bekommt. Ich verstehe die Sicherheitsbedürfnisse der chinesischen Regierung, aber gerade im Vorfeld der Olympischen Spiele und durch den hohen internationalen Druck in dieser Frage, ist mehr Information, größere Transparenz häufig politisch erfolgreicher als der fast verzweifelte Versuch, nach außen so zu tun, als wäre es nach innen ruhig, wenn alle wissen, de facto wird es wahrscheinlich nicht so sein.

CRI: Ja, Herr Sandschneider vielen Dank für das Gespräch.

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