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Mehr siegreiche Underdogs
   2008-03-10 15:29:21    Seite Drucken    cri

In der vergangenen Woche haben wir Ihnen bereits Underdogs, Überraschungssieger und Olympische Medaillengewinner vorgestellt, die beinahe wie die Jungfrau zum Kinde zu olympischem Edelmetall gekommen sind. Von dieser Kategorie Sieger, die beim Publikum meist sehr beliebt sind, gibt es aber noch weit mehr. Die teilweise scheinbar unglaublichen Geschichten, die sie zu olympischen Medaillen geführt haben, wollen wir Ihnen heute vorstellen.

Robert Garrett war kein Underdog. Er reiste als erfolgreicher amerikanischer Leichtathlet zu den Olympischen Spielen 1896 nach Athen an. Seine Spezialdisziplin war das Kugelstoßen, er trat aber auch immer wieder und nicht unerfolgreich in Sprungdisziplinen an. Vor den Olympischen Spielen von Athen hatte ihm ein Professor empfohlen, es doch auch mal im Diskuswurf zu versuchen, der damals in den USA unbekannt war und daher nicht betrieben wurde. Garrett konsultierte also antike Quellen und überzeugte einen Schmid einen Diskus zu gießen, leider entsprachen die antiken Quellen nicht ganz dem neuesten Stand der Technik. Garretts Diskus wog schließlich deutlich über fünf Kilogramm und es war unmöglich ihn zu werfen. Daher gab Garrett das Unterfangen wieder auf. In Athen angekommen stellte er fest, dass die Disken ganz anders aussahen, sie wogen nur zwei Kilogramm und waren ausgesprochen handlich. Garrett warf die Scheibe etwa zweimal und entschied dann, auch an diesem Wettkampf teilzunehmen. Anders als die griechischen Athleten warf Garrett den Diskus nicht in der klassischen Technik in einem Bogen nach oben, er nahm den Diskus, drehte sich auf dem dafür vorgesehenen Podest um seine eigene Achse und warf den Diskus wie beim Hammerwurf ab. Seine ersten beiden Versuche waren für das Publikum fast bedrohlich, weil die ausgesprochen unelegant dahin segelnde Scheibe fast die Zuschauer getroffen hätte, Garrett musste zudem den Spott der anderen Athleten ertragen, bis zu seinem letzten Versuch. Der segelte plötzlich genau auf der richtigen Linie und 19 Zentimeter weiter als der Diskus des führenden Griechen. Garrett holte völlig überraschend und mit einer ausgesprochen ungewöhnlichen Technik die olympische Goldmedaille im Diskuswurf. Außerdem sicherte er sich Gold in seiner Spezialdisziplin, dem Kugelstoßen, im Hoch ? und Weitsprung wurde er zweiter. Bei den Olympischen Spielen in Paris 1900 holte Garrett dreimal Bronze. Im Kugelstoßen war das besonders bemerkenswert, denn Garrett trat nur in der Qualifikation an, denn das Finale wurde an einem Sonntag ausgetragen und sein christlicher Glaube verbot ihm, am Tag des Herrn an einem Wettkampf teilzunehmen. Seine Weite aus der Qualifikation reichte ihm zu Bronze. Beim Diskuswerfen hatte Garrett allerdings keinen Erfolg, was aber nicht an ihm, sondern an den Gegebenheiten lag. Der Diskuswurf fand auf einem schmalen, von Bäumen gesäumten Grasstreifen statt. Da Garretts Disken aufgrund seiner Technik einen hohen Flugbogen beschrieben, trafen sie immer wieder Äste und konnten ihre eigentliche Weite nie erreichen. Am Ende siegte der Ungar Rudolf Bauer.

Josia Thugwanes Sieg beim Marathon der Spiele von Atlanta 1996 war eine noch größere Überraschung als Garretts Diskuserfolg. Denn als er in Atlanta an den Start ging, kannte ihn eigentlich keiner, mit Sicherheit hatte ihn niemand auf der Rechnung für einen Sieg. Der schwarze Südafrikaner war in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen, hatte in Minen geputzt, um Geld zu verdienen, daneben hatte er in seiner raren Freizeit ein bisschen Fußball gespielt. Dann hatte ihm jemand erzählt, man könne mit Laufen Geld verdienen und daraufhin versuchte er das, mit Erfolg. 1993 gewann er die südafrikanischen Marathon-Meisterschaften, 1995 feierte er mit dem Sieg beim Honolulu-Marathon seinen ersten internationalen Erfolg. 1996 qualifizierte er sich schließlich durch den erneuten Gewinn der südafrikanischen Meisterschaften für die Spiele in Atlanta. Der Verlauf des Marathons in Atlanta war außergewöhnlich, bis Kilometer 35 blieb das Hauptfeld eng zusammen, erst dann setzte sich eine Gruppe ab, diese bestand aus Josia Thugwane, Lee Bong-Ju aus Südkorea und Erick Wainaina aus Kenia. Die drei klebten förmlich aneinander, als sie in Stadion einliefen, hatte sich immer noch keiner absetzten können. Schließlich, auf den allerletzten Metern konnte Thugwane ein bisschen mehr nachlegen als Lee Bong-Ju, es kam zum knappsten Finish in der Geschichte der Olympischen Spiele. Thugwane war am Ende drei Sekunden schneller gewesen als Lee Bong-Ju und gewann als erster schwarzer Sportler seines Landes olympisches Gold. Denen, die Thugwane kannten, bedeutete dieser Sieg viel mehr, als die überraschten Experten ahnen konnten. Denn wenige Monate vor seinem Olympiasieg war Thugwane Opfer eines Raubüberfalls geworden. Eine Kugel hatte sein Kinn gestreift und er war nur mit dem Leben davon gekommen, weil er aus seinem Auto in den Straßengraben gesprungen war, wo er verletzt liegen blieb. Was für einen steinigen Weg hatte dieser Athlet bis aufs Treppchen bewältigt, vermutlich waren die letzten 42, 195 Kilometer dabei die einfachsten.

Bei Trent Dimas lag die Sache da schon etwas anders. Er war ein talentierter und bekannter Athlet, als er 1992 bei den Olympischen Spielen in Barcelona als Mitglied der amerikanischen Turnmannschaft antrat. Allerdings dominierte die vereinigte russische Mannschaft den Wettkampf, der herausragende Athlet hieß Witali Scherbo, es war wenig Raum für andere Sportler. Und Dimas sorgte selbst dafür, dass die Experten ihn schon nach der Qualifikation nicht mehr auf der Liste hatten. In seiner Spezialdisziplin, dem Reck, lag er nach der Qualifikation nur auf Rang sechs. Seine Anhänger betonten, seine Leistung sei unterbewertet worden, aber das änderte auch nichts daran, dass seine Ausgangsposition fürs Finale ausgesprochen schlecht war. Denn die Wertungen der Qualifikation und des Finales wurden am Ende addiert, was es sehr schwierig machte, einen sechsten Platz auszumerzen. Dimas, der sich selbst zum Underdog gemacht hatte, wurde zum Phönix und erhob sich aus der Asche. Mit einer fantastischen Leistung verzückte er nicht nur das Publikum, sondern auch die Kampfrichter. Sie belohnten ihn mit der Höchstnote zehn. Nach seiner Landung drückte die ungläubige Freude auf Dimas Gesicht aus, dass er selbst kaum fassen konnte, was ihm da gelungen war. Er hatte es von Platz sechs in der Qualifikation zu olympischem Gold gebracht.

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