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Jesse Owens (2)
   2008-03-10 15:27:23    Seite Drucken    cri

In der vergangenen Woche haben wir seinen Weg nach Berlin zu den Olympischen Spielen 1936 bereits verfolgt. Heute wollen wir sehen, wie Jesse Owens, der kurz vor den Spielen die Leichtathletikwelt in nur 45 Minuten auf den Kopf gestellt hatte, sich bei den Olympischen Spielen schlug. Und wir werden sehen, was nach den Olympischen Spielen kam.

Der schwarze Athlet Jesse Owens reiste also zu den Vorzeigespielen des nationalsozialistischen Deutschlands an, darüber ist in der Vergangenheit viel geschrieben worden, wir wollen uns da nicht auch noch einreihen. Wir werden lediglich betrachten, was Jesse Owens dazu zu sagen hatte, ansonsten halten wir es mit der Idee der Olympischen Spiele und bleiben sportlich statt politisch.

In Berlin sollte Owens erneut Geschichte schreiben, er würde die Theorie der überlegenen arischen Rasse einfach durch Leistung entkräften und das mit einer Leichtigkeit, die Owens, den Afroamerikaner zum Helden von Berlin machte. Sport überwindet eben doch Grenzen.

Am dritten August trat Jesse Owens im Olympiastadion zu Berlin erstmals an, die Königsdisziplin der Leichtathletik stand auf dem Programm, die 100 Meter. Sein stärkster Gegner kam aus den eigenen Reihen, es war Ralph Metcalfe, den Owens aber hinter sich lassen konnte. Seine Zeit von 10,3 Sekunden war neuer olympischer Rekord und sicherte ihm seine erste olympische Goldmedaille.

Am nächsten Tag ging es für Owens darum, seine 1,77 Meter Körpergröße und seine fast 75 Kilogramm möglichst lang in der Luft zu halten, richtig, er trat im Weitsprung an. Und es sah nicht gut aus. In der Qualifikation wäre es für Owens beinahe vorbei gewesen, er produzierte zwei ungültige Versuche. Immer wieder übertrat er beim Absprung. Und wieder bewiesen die Olympischen Spiele, dass es die von ihnen vertretenden Ideale wirklich gibt. Denn, sein deutscher Konkurrent Lutz Long gab Owens den entscheidenden Hinweis, der dafür sorgte, dass Owens einen dritten gültigen Versuch sprang und schließlich ins Finale einziehen konnte. Mit seinem fünften Sprung holte der hilfsbereite Long Owens Weite von 7,87 Metern wieder ein, die beiden lieferten sich einen harten Kampf. Doch dann sprang Owens Long mit einem gewaltigen Satz von 8, 01 Metern davon und für seinen Goldsprung setzte Owens noch mal nach, er sprang 8, 06 Meter. Der erste Gratulant war Long, er hatte Owens den entscheidenden Tipp gegeben, der ihm den Sieg ermöglicht hatte. Owens würde ihm das nie vergessen. „Es gehörte eine Menge dazu, vor den Augen von Hitler mit mir Freundschaft zu schließen. Wenn man all meine Goldmedaillen und Pokale einschmelzen würde, wäre das nicht hochkarätig genug, um meine freundschaftlichen Gefühle für Long in diesem Moment zu beschreiben. Der traurige Teil der Geschichte ist, dass ich Long nie wieder sah, er fiel im zweiten Weltkrieg." Sein Leben lang hielt Owens zu Longs Familie Kontakt. Am fünften August setzte Owens seine Erfolgsserie fort, diesmal benötigte er keine freundschaftliche Unterstützung. Er gewann über die 200 Meter in neuem Olympischen Rekord. Damit hatte Owens drei Goldmedaillen in der Tasche und dabei wäre es auch beinahe geblieben, denn er war für keine weitere Disziplin mehr vorgesehen. Doch der Verband entschied sich kurzerhand anders. Er ersetzte die Läufer Glickman und Stoller in der 4 x 100 Meter Staffel und ließ dafür Owens und Metcalfe starten. Was auch immer das Motiv dafür gewesen war, es war eine gute Entscheidung. Denn am 9. August lief die Staffel in neuer Weltbestzeit von 39,8 Sekunden zu olympischem Gold und Owens zu seiner vierten Goldmedaille. Die Bestmarke dieser außergewöhnlichen Staffel sollte 20 Jahre Bestand haben. Und Owens war dadurch zum ersten Athleten geworden, der bei ein und denselben Olympischen Spielen vier Leichtathletik-Goldmedaillen gewinnen konnte. Nach ihm schaffte das als einziger Leichathlet Carl Lewis bei den Olympischen Spielen 1984 in Los Angeles.

In den USA wurde Owens für seine Leistungen geehrt, aber in einem Amerika, in dem Schwarze diskriminiert wurden, fielen die Feiern zu Ehren von Owens oft etwas seltsam aus. Zu einem für ihn gegebenen Empfang im berühmten Waldorf Astoria Hotel in New York musste Owens im Frachtauszug fahren. Die großen Verträge, die anderen Sportlern nach ihren Erfolgen angeboten wurden, blieben aus. Owens finanzielle Situation und die seiner Familie blieb schwierig. Er verdiente sein Geld bei Schauläufen, trat in den Halbzeiten von Baseballspielen gegen die Spieler an, denen er einen erheblichen Vorsprung gab und die er dann doch einholte. Oft lief er gegen Rennpferde, gegen die er, wie er selbst zugab, nur gewinnen konnte, weil die Tiere beim Startschuss so verschreckt wurden, dass sie nicht sogleich starteten. "Ich habe vier Goldmedaillen, aber die kann man nicht essen", sagte Owens. Seine bescheidenen Versuche als Unternehmer schlugen fehl, er ging einmal Bankrott. In den 1950er Jahren besserte sich die Situation, Owens betrieb eine PR-Agentur und sprach für viele große Unternehmen.

Immer wieder wurde Owens auf seine Erfahrungen in Nazi-Deutschland angesprochen. Er blieb diplomatisch. "Als ich nach den Spielen in die USA zurückkam, nach all dem, was über Hitler gesagt wurde, war es mir nicht gestattet, im Bus vorne zu sitzen. Ich musste den hinteren Eingang benutzen. Ich konnte nicht einfach wohnen, wo ich wollte. Ich war nicht geladen gewesen, um Gratulationen von Hitler entgegenzunehmen, aber ich war auch nicht ins Weiße Haus eingeladen worden, damit der Präsident mir gratulieren konnte. Hitler hat mich nicht brüskiert, Franklin D. Roosevelt hat mich brüskiert, er hat mir nicht mal ein Telegramm geschickt." Aber Owens war nicht verbittert, er verstand es als seine Lebensaufgabe, dazu beizutragen, dass die Situation besser wurde.

Am 31. März 1980 starb Owens, der nach seiner sportlichen Laufbahn 35 Jahre lang Kettenraucher gewesen war, im Alter von 66 Jahren in Tucson, Arizona an Lungenkrebs.

Berlin hatte seinen Helden allerdings nicht vergessen, 1984 benannte die Stadt eine Straße nach Jesse Owens. Die Jesse-Owens-Allee verläuft in der Nähe des Olympiastadions.

1973 hatten die Deutschen Jesse Owens noch auf eine weitere Art geehrt. Er erhielt vom deutschen Generalskonsul in Los Angeles das Bundesverdienstkreuz. Damit würdigte Deutschland Owens Einsatz für die Völkerverständigung, insbesondere seine Bemühungen, nach dem Zweiten Weltkrieg Fehlvorstellungen über das deutsche Volk zu korrigieren.

Und auch Jesses Großneffe, Chris Owens fühlt sich an der alten Wirkungsstätte seines Großonkels wohl, er spielt als Profi für den Berliner Basketballverein ALBA Berlin. Ein Owens zu sein, heißt sein Bestes geben, sagt er. Jesse hätte das sicher gefallen.

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