Er ist laut dem Internationalen Olympischen Komitee der meistdekorierte Athlet in allen Sportarten, er zählt damit selbstverständlich zu den erfolgreichsten Olympioniken aller Zeiten und er gilt als der größte Fechter der Sportgeschichte. Zugegebenermaßen waren die Startchancen von Edoardo Mangiarotti auch ideal und dennoch hat er aus seinen Chancen und aus seinem Talent wirklich alles rausgeholt.
Edoardo Mangiarotti wurde am 17. April 1919 in einer Fechterfamilie geboren. Sein Vater Giuseppe war ein angesehener Fechtmeister, der Anfang des 20. Jahrhunderts am Hofe des letzten italienischen Königs Vittorio Emanuele unterrichtet hatte. Als seine Söhne Dario und Edoardo geboren wurden, betrieb Giuseppe bereits eine eigene, sehr erfolgreiche Fechtschule. Etliche italienische Degenfechter, die zur Weltspitze gehörten, stammten aus Giuseppes Schule. Auch seine Söhne wollte er an die Weltspitze führen. Daher hieß es schon in jungen Jahren eifrig trainieren. Der drei Jahre jüngere Edoardo entpuppte sich als der noch talentiertere der beiden Brüder. Sein Vater plante den sportlichen Werdegang seines Sohnes sehr zielgerichtet und konsequent. Aus dem eigentlichen Rechtshänder machte er schon in Jugendjahren einen Linkshänder. Das machte Edoardo zu einem schwierigen und unberechenbaren Gegner, denn die Mehrzahl der Fechter führt die Waffe rechts. Edoardo belohnte den Einsatz seines Vaters schon in früher Jugend. Mit elf Jahren wurde er italienischer Meister mit dem Florett, mit 16 hatte er sich bereits, als jüngster Athlet aller Zeiten, für die italienische Nationalmannschaft qualifiziert. 1935 nahm er an seinen ersten Weltmeisterschaften teil und ein Jahr später standen die Olympischen Spiele in Berlin an. Seinen ersten Auftritt bei den Spielen krönte der 16-jährige mit dem Gewinn der Goldmedaille im Mannschaftswettbewerb mit dem Degen. Im Jahr darauf wurde er mit der Mannschaft Weltmeister, wieder ein Jahr später sicherte er sich den Vizeweltmeistertitel im Degeneinzel.
Der zweite Weltkrieg nahm Edoardo zunächst die Chance, sich weitere olympische Medaillen zu sichern. Unglücklicherweise erlitt er in dieser Zwangspause einen Trainingsunfall, bei dem ihm an der linken Hand, also an seiner Fechthand, eine Sehne durchtrennt wurde. Der angelernte Linkshänder musste sich wieder zu einem Rechtshänder machen. Wir werden feststellen, dass ihm das offensichtlich kaum Probleme bereitete. Bei den ersten Olympischen Spielen nach dem Weltkrieg 1948 in London gewann Edoardo Bronze im Degeneinzel, außerdem sicherte er sich die Silbermedaille mit der Mannschaft sowohl im Florett als auch im Degen. Sein Bruder Dario konnte verletzungsbedingt in London nicht antreten, er wurde aber ein Jahr später Weltmeister mit dem Degen. 1951 trat Edoardo in seine Fußstapfen, es sollte das einzige Mal bleiben, dass Dario für seinen Bruder Fußstapfen hinterlassen hatte.
Die Olympischen Spiele in Helsinki 1952 wurden zu einer Familienangelegenheit und zu einem Triumphzug der beiden Brüder und der italienischen Teams. Und das obwohl das Starterfeld mit 76 Teilnehmern außergewöhnlich groß und noch dazu hochkarätig besetzt war. Im Degeneinzel traten die Mangiarotti-Brüder im Finale gegeneinander an, der Jüngere durfte hinterher ganz oben aufs Treppchen, Dario gewann Silber. Beide standen auch in der siegreichen italienischen Degen-Mannschaft, wieder Gold für die Brüder. Edoardo war zudem mit dem Florett erfolgreich, im Einzel und mit der Mannschaft holte er Silber. Damit holten die Brüder zusammen sechs olympische Medaillen bei diesen Spielen, ein Rekord, der schwer zu toppen sein dürfte.
Nach den Spielen von Helsinki rutschten beide Brüder in ein Formtief, Dario beendete daraufhin seine Karriere und widmete sich der Fechtschule seines Vaters. Edoardo kam allerdings rechtzeitig zu den Spielen 1956 in Melbourne wieder in Form. Allerdings war er nicht mehr ganz der Edoardo von Helsinki, aber er war ein Kämpfer. Schon in seiner Jugend hatte sich Edoardo vor allem durch seine Entschlossenheit und durch seine außergewöhnliche Persönlichkeit von den anderen Fechtern abgehoben, das kam auch in Melbourne nun wieder deutlich zum Ausdruck. Edoardo würde nicht kampflos aufgeben und so bot sich den Zuschauern ein unbeschreiblich spannender Wettkampf beim Degeneinzel. Das führte dazu, dass nach dem Finale die kuriose Situation eingetreten war, dass drei italienische Fechter gleich auf waren, alle hatten fünf Siege und eine Niederlage erreicht. Carlo Pavesi, Giuseppe Delfino und Edoardo Mangiarotti mussten in ein Stechen. Inzwischen war es später Abend, die Athleten standen seit dem Morgen auf der Planche und dennoch schenkten sie sich nichts. Nach der ersten Runde des Stechens waren immer noch alle gleich auf. Jeder hatte einmal gewonnen und einmal verloren. Es musste weiter gekämpft werden und die Uhr zeigte bald Mitternacht.