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Das Frühlingsfest in einem nordchinesischen Dorf
   2008-02-04 09:16:30    Seite drucken   cri

Das Frühlingsfest ist in China eines der wichtigsten traditionellen Feste, dies gilt vor allem auf dem Lande. Das Frühlingsfest markiert nach dem Mondkalender den Beginn des neuen Jahres.

Die Menschen in Cuandixia - einem typisch nordchinesischen Dorf - sind in Festtagsstimmung. Das Dorf befindet sich in einem Vorort Beijings. Noch heute stehen in Cuandixia mehr als 70 gut erhaltene Bauernhöfe aus der Ming- und Qing-Epoche. Diese Häuser sind demnach etwa 300 bis 400 Jahre alt.

Und auch der Dorfname birgt Symbolik, denn Cuandixia bedeutet ursprünglich Herd. Für die Chinesen symbolisiert der Herd die Hoffnung auf ein gutes Leben und auf Reichtum.

Das Dorf ist sehr umsichtig angelegt worden. Aus der Vogelperspektive sieht es wie ein typisch chinesisches Zahlungsmittel aus der Kaiserzeit, wie ein schuhförmiger Goldbarren, aus. Auch dahinter steckt Symbolik, denn mit dieser Dorfplanung wollte der Architekt zum Ausdruck bringen, dass er hoffe, dass die Menschen hier in guten Verhältnissen leben könnten.

In China gibt es seit einigen Jahren den Trend, die Stadt zum Frühlingsfest zu verlassen und diese Tage auf dem Land, beispielsweise in diesem Dorf, zu verbringen. Der Hauptgrund dafür ist, dass die Festtage auf dem Land viel ausgelassener gefeiert werden als in der Stadt. Han Menglin, ein älterer Dorfbewohner erklärt:

"Jedes Jahr kommen viele Besucher in unser Dorf, um zum Frühlingsfest hier ein großes Feuerwerk zu veranstalten und Kracher zu zünden. Sie alle wollen das Frühlingsfest auf einem Bauernhof erleben. Einer Sonderregelung zufolge ist das Abbrennen von Feuerwerkskörpern in unserem Dorf vom Silvesterabend bis zum 15. Tag des ersten Monats nach dem Mondkalender erlaubt. Am Silvesterabend knallt es ununterbrochen. Am nächsten Morgen sind alle Straßen und Wege von roten Papierfetzen, den Überresten der Kracher, bedeckt. Die roten Papierfetzen fegen wir nicht weg, denn der rote Teppich aus Papierschnitzeln unterstreicht die Festtagsstimmung."

"Das Abbrennen von Feuerwerkskörpern ist ein wichtiger Bestandteil des Frühlingsfests. Sehen Sie, auch die Kinder hüpfen lustig drum herum. Denn nach dem Mondkalender feiern wir nun das Neujahr. Diese Tage verbringt man traditionell mit der Familie. Jeder ist gut gelaunt," erzählt uns ein Besucher im Dorf.

Das Abbrennen von Feuerwerkskörpern anlässlich des Frühlingsfests geht auf eine Legende zurück:

Vor langer Zeit lebte auf der Erde der Dämon Nian. Am letzten Tag des Jahres suchte Nian immer die Siedlungen der Menschen auf. Kaltblütig stillte er seinen Hunger, er fraß Menschen, oft aber auch kleine Kinder, auf. Nian soll zehnmal größer als ein Elefant und ungleich grausamer als ein Tiger gewesen sein. Die Menschen waren so verzweifelt, dass sie sich entschieden, den Kampf gegen den übermächtigen Dämon aufzunehmen. Junge, kräftige und erfahrene Männer traten mutig an, sie alle wurden Opfer des Dämons. Plötzlich fing irgendwo ein Bambus zu brennen an. Die Geräusche des brennenden Bambus schienen den Dämon zu irritieren, der Lärm erschreckte ihn, er ergriff die Flucht. Seither brennt man am Silvesterabend Bambus ab, um den Dämon abzuschrecken. Diese Tradition hat sich bis heute erhalten. Der Volkskunde-Experte Wang Zuoji erklärt:

"Früher brannte man Bambus ab. Durch das Krachen, das entsteht, wenn man Bambus anzündet, konnten die Urmenschen Wildtiere abschrecken. Nachdem man das Schießpulver erfunden hatte, wurde der Bambus langsam durch Feuerwerkskörper ersetzt. Warum aber brennen die Chinesen zum Frühlingsfest Feuerwerkskörper ab. Nun, wir glauben, dass wir durch den Lärm das Unglück des vergangenen Jahres vertreiben und das Glück fürs neue Jahr anlocken können."

Der Volkskunde-Experte Wang Zuoji weist allerdings darauf hin, dass es im Zusammenhang mit dem Frühlingsfest noch eine Reihe anderer Sitten und Gebräuche beziehungsweise Ge- und Verbote gibt. Während der Feiertage ist es zum Beispiel untersagt, gewisse Wörter zu verwenden. Man soll sich sogar Wortspiele ausdenken, die so klingen sollen, als ob sie Glück bringen.

Das Dorf Cuandixia ist nicht weit von Beijings Innenstadt entfernt und dennoch waren die Lebensbedingungen der Bauern hier bis vor einigen Jahren sehr schlecht. Seit Jahren hat sich in diesem Dorf viel geändert. Han Menglin erinnert sich:

"Noch vor ungefähr 20 Jahren war unser Dorf sehr arm. Viele Bauern sind damals weggezogen. Wir haben uns fast ausschließlich von Mais ernährt. Es gab damals kaum Haushaltsgeräte in unserem Dorf. Sogar am Silvesterabend gab es Jiaozi-Teigtachen nur mit vegetarischer Füllung, weil wir kein Fleisch hatten, das war viel zu teuer für uns. Ein unerreichbarer Luxus. Seit dem Beginn der Reform- und Öffnungspolitik bemühen wir uns nun darum, die traditionellen Bauernhöfe zu erhalten. Wir wollen unser Dorf dadurch für Touristen interessant machen. Heute kommen schon viele Städter hierher. Und wir können heute nicht nur zum Frühlingsfest viel besser essen, sondern sind auch sonst gut genährt. Die Städter verbringen ihre Freizeit gern in unserem Dorf. Vor allem lieben sie die traditionellen bodenständigen Gerichte, die sie mit den Bauern zubereiten und genießen können. Viele Stadtbewohner wollen unbedingt mit uns gemeinsam die Jiaozi, die traditionellen Teigtaschen, herstellen, die man zum Frühlingsfest isst."

Die Teigtaschen Jiaozi gehören traditionell zu jedem Frühlingsfest-Festmahl. Vor allem in Nordchina kann sich keine Familie ein Frühlingsfest ohne Jiaozi vorstellen. Die ganze Familie kommt schon zur Vorbereitung der Teigtaschen in der Küche zusammen. Alle zerkleinern zunächst das Fleisch und das Gemüse für die Füllung. Dann wird die Fleisch-Gemüse-Mischung mit diversen Gewürzen abgeschmeckt.

Allerdings soll das Frühlingsfest nicht nur die Familie zu einem guten Mahl vereinen. Das Fest hat eine weitreichendere Bedeutung. Volkskunde-Experte Wang Zuoji klärt uns auf:

"Das Frühlingsfest ist ein Fest der Zusammenkunft, das alle begehen: also die Himmelsgötter, aber auch die Menschen auf der Erde. Es kommen die Menschen, die Seelen und die Götter zusammen. Im Altertum verehrte man zum Frühlingsfest auch die Götter, vor allem den Herdgott. Denn die Götter sollten dazu beitragen, dass sich die Wünsche der Menschen erfüllen. Außerdem wird in der chinesischen Kultur an Festtagen auch immer den Ahnen der Sippe gedacht. Ein Weg, dies zu tun, ist, ein Gedeck für die Verstorbenen bei jedem Festessen auf dem Tisch zu platzieren. Daher betone ich immer wieder, dass das Frühlingsfest eine Zusammenkunft von Göttern, Menschen und den Seelen der Ahnen ist."

Das Frühlingsfest ist selbstverständlich auch ein Anlass, um sich tüchtig herauszuputzen. Eine junge Bäuerin im Dorf freut sich sehr über ihre neuen Kleidungsstücke:

"Zum Frühlingsfest haben meine Schwester und ich neue Kleidung bekommen. Von klein auf habe ich das Frühlingsfest immer besonders gern gefeiert. Mein Vater kauft mir und meiner älteren Schwester zu diesem Anlass immer etwas Neues zum Anziehen. Diese Haarklemme hat mir mein Freund zum Frühlingsfest geschenkt."

Rund um das Frühlingsfest haben alle Chinesen einen sehr vollen Terminkalender. Zunächst steht das Einkaufen an, dann folgen die Zubereitung des Festessens und die Dekoration der Wohnung. Ein wichtiger Bestandteil der festlichen Dekoration sind die Bilder der Türgötter, die an jeder Haustür angebracht werden müssen, und die Jahresbilder, mit denen die Wände geschmückt werden. Wir treffen einen Bauern, der an seiner Tür gerade Bilder von Türgöttern anbringt:

"Die Bilder der Türgötter tragen zur Festtagsstimmung bei."

Bei den Darstellungen der Türgötter dominieren die Farben rot, gelb, grün und blau. Der Volkskunde-Experte Wang Zuoji weiß, was die Farben zu bedeuten haben:

"Die Chinesen benutzen in ihrer volkstümlichen Kunst gern die Farben rot und gelb. Beides sind warme Farben, daher tragen sie im kalten Winter dazu bei, Leben und Wärme und damit auch Festtagsstimmung zu vermitteln. Die Farbe blau symbolisiert den Himmel, daher findet sie sich oft in den Darstellungen der Himmelsgötter. Denken Sie nur an die blauen Ziegel, mit denen das Dach der Halle des Gebets für eine gute Ernte im Himmelstempel gedeckt ist. Grün steht für die Natur. Blau und Grün sollen also die Harmonie zwischen Mensch und Natur ausdrücken."

Als Dekoration zum Frühlingsfest werden gern rote Scherenschnitte verwendet. Diese klebt man an die Fenster. Auf dem Lande sind oft Motive aus der Landwirtschaft dargestellt, die tägliche Arbeit, die Viehzucht oder die Fischerei. Mythen, Legenden, Dramen, glückverheißende Pflanzen, Vögel und Insekten sind weitere beliebte Motive der Scherenschnitte. Wang Zuoji erklärt uns, dass man im Altertum glaubte, dass die Mitte einer Fensterscheibe so leicht zu verletzen sei wie das Herz eines Menschen. Daher klebten die Menschen Glückssymbole an die Fenster, um sie vor einer Zerstörung zu schützen:

"Die meisten Scherenschnitte zeigen Symbole für Glück oder Reichtum. Sehen Sie, die Linien und die Formen sind eben und glatt gestaltet. Das soll Harmonie und Frieden symbolisieren."

In manchen Landesteilen Chinas, etwa im Dorf Cuandixia, beginnen die Feierlichkeiten zum Frühlingsfest bereits eine Woche vor Silvester - mit einer Opfergabe für den Herdgott.

Im Altertum verehrte jede Familie, vor allem in der Küche, den Herdgott. Der Herdgott ist der Beschützer des Herdes und der Familie. Am 23. Tag des letzten Monats nach dem Mondkalender findet traditionell die Opferzeremonie für den Herdgott statt. Dazu erklärt uns Schriftsteller Wang Yongjun:

"Der Herdgott ist der Schutzpatron der Familie. Er ist der Botschafter des Himmelsgottes und wird von ihm auf die Erde geschickt. Er soll fast ein gesamtes Jahr bei den Familien bleiben, um über sie zu wachen. Der Himmelsgott führt über jedes Familienmitglied und seine Taten Buch. Am 23. Tag des letzten Monats nach dem Mondkalender begibt sich der Herdgott in den Himmel zurück. Dort berichtet der Herdgott dem Himmelsgott ausführlich über das Benehmen der Familie im vergangenen Jahr. Anhand der Information, die der Herdgott liefert, entscheidet der Himmelsgott schließlich über das Schicksal der Familie im kommenden Jahr. Wer sich gut benommen hat, darf mit einem gesegneten neuen Jahr rechnen, wer Böses getan hat, wird bestraft."

Die Bauern haben sich aber etwas einfallen lassen, um den Herdgott zu bestechen, oder genauer gesagt, um zu verhindern, dass er dem Himmelsgott von schlechten Taten und Eigenschaften der Familienmitglieder berichten kann.

"Wir kaufen klebrige Süßigkeiten. Wenn der Herdgott die Süßwaren isst, ist sein Mund verklebt und er kann keinen Bericht mehr verlesen."

"Wenn der Herdgott nicht mehr sprechen kann, weil sein Mund von Süßigkeiten verklebt ist, dann kann er dem Himmelsgott nichts Negatives berichten."

Ein Bauer erklärt uns, welche moralische Kriterien für die Bewertung einer Familie zugrunde gelegt werden:

"Drei Kriterien sind wichtig. Zum einen muss die Familie immer zusammenhalten. Das heißt, dass vor allem die Kinder sich sehr respekt- und liebevoll gegenüber den älteren Generationen verhalten sollen. Zum zweiten darf man kein Getreide verschwenden. Dies rührt noch aus der Zeit der Getreideknappheit. Der dritte Punkt lautet, die Familie darf nur legal Geld verdient haben, Betrug oder Erpressung werden dadurch ausgeschlossen."

Zunächst kommt die Familie vor einem Bild des Herdgottes zum Gebet zusammen. Dann wird das Bild des Gottes von der Wand genommen und verbrannt. Denn man glaubt, dass der Herdgott in den Flammen zum Himmel aufsteigt. In einigen Orten verbrennt man auch noch aus Bambus hergestellte Pferde, damit der Herdgott auf dem langen Weg zum Himmel auf ihnen reiten kann. In einigen Regionen verbrennt man statt einem Bambuspferd einen Bambushahn. Schließlich äußern alle Familienmitglieder laut den Wunsch, dass der Herdgott seine Aufgabe schnell erledigen solle, um dann wieder auf die Erde zurückzukehren.

Der Fortschritt und die Globalisierung haben dafür gesorgt, dass einige Traditionen inzwischen vor allem in den Großstädten immer mehr in Vergessenheit geraten. Aber immer mehr Menschen scheinen die Tradition zu vermissen. Daher fahren sie aufs Land, denn hier sind die alten Sitten und Gebräche noch lebendiger.

"In diesem Jahr ist hier zum Frühlingsfest wieder viel los. Es wird sehr viele volkstümliche Gesangs- und Tanzdarbietungen geben. Vor allem für die Städter ist das etwas ganz besonderes," berichtet ein Dorfbewohner.

Wenn Sie zum Frühlingsfest in China sein sollten, versuchen Sie, ein möglichst traditionelles Dorf in der Nähe zu finden. Verbringen Sie die Festtage am besten bei den Bauern. Eins steht dann fest, Sie werden in ausgelassener Stimmung feiern und dabei viele chinesische Traditionen kennen lernen.

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