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Glenn Morris (2)
   2008-01-21 15:00:18    Seite Drucken    cri

Wie versprochen werden wir heute verfolgen, wie sich Glenn Morris, der neue eiserne Mann Amerikas, bei den Olympischen Spielen in Berlin 1936 schlug. Wie er gegen den Favoriten Hans Sievert aus Deutschland zurecht kam und bei welcher Gelegenheit er dafür sorgte, dass 100.000 Zuschauern im Berliner Olympiastadion nicht wegen seiner sportlichen Leistung der Atem stockte. Und natürlich werde ich Ihnen verraten, bei welcher Gelegenheit er Owens Schatten abwerfen konnte.

Zunächst stand für Glenn Morris aber eine lange Überfahrt an. Auf dem Weg nach Berlin nahm er dank der guten Versorgung innerhalb von drei Wochen acht Pfund zu, eine Entwicklung, die die Offiziellen sicher nicht gern sahen. In Berlin konnte Morris bei optimalen Trainingsbedingungen und auf sehr guten Anlagen wieder diszipliniert an seiner Fitness arbeiten. Aber es schien fast so, als stünde sein Auftritt bei den Spielen unter keinem guten Stern, denn kurz darauf zog sich Morris eine Erkältung zu, die selbst ihm das Training sehr schwer machte. Unterdessen rückte der Wettkampf immer näher und die schlechten Nachrichten rissen nicht ab. Diesmal war es Hans Sievert, der Favorit, der vom Pech verfolgt war. Er zog sich eine Verletzung zu und musste seine Teilnahme an den Olympischen Spielen auf heimischem Boden absagen. Darüber war aber nicht nur Sievert tief enttäuscht. Auch Morris konnte und wollte nicht akzeptieren, dass ihm das heiß ersehnte Duell nun verwehrt bleiben sollte. Am 7. August begann der olympische Zehnkampf im Berliner Olympiastadion schließlich ohne Sievert und mit einem nicht topfitten Morris. Dessen stärkster Konkurrent hieß daher, wie bereits bei den amerikanischen Ausscheidungskämpfen, Robert Clark. Und der legte einen hervorragenden Start in den Wettkampf hin. Nach fünf Disziplinen lag Clark sogar zwei Punkte vor Morris. Aber der war nicht bereit, sich geschlagen zu geben. Im Hürdenlauf erwies sich Morris mal wieder als deutlich überlegen, er brauchte nur 14,9 Sekunden für die Strecke. Mit neuem Selbstbewusstsein startete Morris in die weiteren vier Disziplinen und bewies, dass man ihn zu Recht nach Berlin geschickt hatte. Morris hatte Clark wieder überholt und konnte ganz entspannt in die letzte Disziplin des Wettkampfes, den 1.500 Meter Lauf, starten. Zuvor stellte Morris ein paar Rechenexempel an. Er stellte fest, dass er die 1.500 Meter in vier Minuten bewältigen musste, wenn er den olympischen Rekord einstellen wollte. Seine Bestzeit über diese Distanz lag bei 4 Minuten 47. Einen Versuch war es wert. Das Rennen wurde ein ausgesprochen spannendes. Morris lieferte sich ein Kopf an Kopf Rennen mit dem Belgier Boulanger, der aber keine Chance mehr auf einen Gesamtsieg hatte. Morris schaffte es, Boulanger auf den letzten 180 Metern zu überholen. Morris hatte in neuer persönlicher Bestleistung von vier Minuten 33 Sekunden gesiegt. Dennoch unzufrieden mit sich selbst, weil er den olympischen Rekord verpasst hatte, wollte er bereits das Stadion verlassen, als ihn die Offiziellen zurückholten. Im Verlauf des Wettkampfes war ihnen ein Rechenfehler unterlaufen und Morris hatte nicht nur den olympischen, sondern auch den Weltrekord eingestellt. Wie auf Wolken habe er die Siegerehrung empfunden, sagte er. Vermutlich war dieser Überfluss an Hormonen auch schuld daran, dass Morris nach der Siegerehrung dafür sorgte, dass 100.000 Zuschauern im Stadion und einer Person auf dem Rasen der Atem stockte. Morris schritt nämlich nach der Siegerehrung vom Podium hinab und ging auf Leni Riefenstahl zu. Riefenstahl drehte den Dokumentarfilm über die Spiele, den Auftrag dazu hatte sie von Hitler bekommen. Morris schritt nun also auf Riefenstahl zu, sie streckte ihm die Hand entgegen, um ihm zum Sieg zu gratulieren, er aber nahm sie stürmisch in die Arme, riss ihr die Bluse auf und küsste ihre Brüste. Sie entzog sich kurz darauf seiner Umklammerung und verschwand in der Dunkelheit. Offensichtlich blieb Morris Verhalten ohne weitere Folgen. Leni Riefenstahl hatte die Liebkosungen wohl nicht als allzu unangenehm empfunden, denn in ihren Memoiren bestätigt sie das Gerücht, dass es zwischen Morris und ihr starke Gefühle gegeben habe. Die beiden waren einander offenbar auf den ersten Blick verfallen gewesen und hatten während der Spiele und kurze Zeit danach eine leidenschaftliche Affäre. Insofern kehrte Morris nach den Spielen sicherlich stolz und vermutlich auch mit Schmetterlingen im Bauch in die USA zurück, wo er frenetisch gefeiert wurde. In Colorado säumten Tausende die Straße und die Kinder hatten schulfrei. 1937 bekam Morris die James E. Sullivan Memorial Trophy der Amateur Leichtathletik Union für seine Leistungen verliehen. Er hatte bei der Wahl mehr Stimmen als Jesse Owens bekommen, selbst Morris konnte das kaum glauben. Danach begann sein Stern schnell zu sinken, durch den Krieg war ihm die Chance auf einen weiteren Auftritt bei den Olympischen Spielen verwehrt. Er wurde zur Marine eingezogen, erlebte das Kampfgeschehen hautnah und wurde verletzt. Er musste lange und immer wieder wegen psychischer Traumata behandelt werden. In den nächsten Jahrzehnten arbeitete er als Stahlmonteur, Hausmeister und Parkplatzwächter. Seine 1937 geschlossene Ehe war schon nach vier Jahren zerbrochen. Immer wieder hatte Morris mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen. Als die Colorado Sports Hall of Fame ihn 1969 zum besten Leichtathleten Colorados und der Welt erklärte, konnte Morris nicht an den Feierlichkeiten teilnehmen. Er lag mit so geschwollenen Beinen im Veteranen-Krankenhaus, dass er nicht einmal aufstehen konnte. Der eiserne Mann Amerikas musste noch weitere vier Jahre mit seiner sich verschlechternden Gesundheit kämpfen. Am ersten Februar 1973 starb Morris schließlich an Herzversagen. Das Schicksal und die Zeitumstände hatten Morris ein schweres Leben bereitet. Aber er hatte es mit demselben Kampfgeist gemeistert, mit dem er sich zu seinen Erfolgen gearbeitet hatte. Bis heute ist Morris neben Bob Mathias und Jim Thorpe der einzige Zehnkämpfer, der nie einen Wettbewerb verloren hat. Morris war dabei noch einer der effektivsten Zehnkämpfer. Er absolvierte in seiner Karriere nämlich nur drei Zehnkämpfe - den ersten zur Übung, den zweiten, um seine Teilnahme bei den Spielen in Berlin zu sichern und seinen letzten, in dem er olympisches Gold holte, den olympischen, den Weltrekord und Hans Sieverts Rekord brach.

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