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Frust, Verlierer und viel Emotion
   2007-11-12 16:38:48    Seite Drucken    cri

Trotz aller olympischen Ideen und obwohl man sich nun schon seit mehr als 100 Jahren bemüht, den olympischen Geist zu verbreiten, agieren bei den Spielen nach wie vor Menschen. Athleten, Trainer und Funktionäre unter Druck. Menschen voller Träume, Hoffnungen, Ziele und Ehrgeiz. Und bei all dem Einsatz und der Anspannung, die Athleten und ihr Tross im Vorfeld von Olympischen Spielen so aufbauen, kann es dann schon mal vorkommen, dass die Enttäuschung und der Frust zu sehr unsportlichen Reaktionen nicht im Sinne des olympischen Geistes führen. So geschehen bei den Spielen in München 1972. Es war ja aber auch ein nie da gewesener Nervenkrimi, dieses Basketball Finale der Herren in München.

Das Team der USA und das Sowjetteam standen sich gegenüber, es war ein David gegen Goliath-Kampf, so schien es. Seitdem Basketball bei den Spielen 1936 in Berlin olympisch geworden war, waren die USA bei den Spielen ungeschlagen. 63 Spiele in Folge hatten sie nicht verloren, nun trafen sie auf die Sportler der Sowjetunion. Es wurde ein heißer Kampf. Die Halle bebt, die Anspannung ist nicht mehr zu überbieten. Sechs Sekunden sind noch auf der Uhr. Eine Sensation scheint möglich, die Sowjets führen gegen die Amerikaner mit 49:48. David hat eine Chance, doch dann verliert der Star der Sowjetmannschaft Alexander Below den Ball an Kim Collins. Ausgerechnet Alexander Below verliert den Ball. Er, der als erster Russe überhaupt schon vor den Spielen von München von den Indianer Pacers "gedraftet" worden war. Aber noch ist nichts verloren. Taktisch klug wird Kim Collins natürlich umgehend durch ein Foul gestoppt, er muss an die Linie. Aber der 20-jährige Student scheint Nerven wie Drahtseile zu haben, der Druck kann ihm nichts anhaben, er verwandelt beide Freiwürfe. Nun führen die Amerikaner mit 50:49. Drei Sekunden Spielzeit bleiben, so steht es auf der Uhr. Die Russen nehmen eine Auszeit, der Nervenkrieg zieht sich. Bis die Zeitnehmer endlich auf die sowjetische Timeout-Forderung reagieren, ist die Uhr bis auf eine Sekunde runter gelaufen. Das Sowjetteam protestiert, die Uhr wird auf drei Sekunden zurückgesetzt.

Dann ist der Ball wieder im Spiel. Aber die russischen Sportler kommen nicht zum Zug, der Versuch, das Spiel zu drehen, scheitert. Die Schlusssirene ertönt, die Amerikaner liegen sich in den Armen, sie feiern die Fortsetzung ihrer unglaublichen Siegesserie.

Aber sie freuen sich zu früh. Die Sowjets protestieren. Die Uhr sei nicht korrekt zurückgestellt worden. Die Offiziellen treten zusammen, schließlich entscheiden sie zugunsten des sowjetischen Teams. Die Uhr wird noch mal zurückgedreht, die letzten drei Sekunden müssen noch mal gespielt werden. Die Stimmung in der Halle hat ein beängstigendes Maß an Spannung erreicht. Die Sowjetmannschaft will ihre allerletzte Chance nutzen. Und sie machen es geschickt. Ivan Edeschenko spielt einen langen Pass auf Alexander Below und der wetzt die Scharte, die dieses Drama eingeleitet hat, aus. Er versenkt den Ball im Korb, das Team der UdSSR hat gewonnen. Die Russen feiern, sie haben für die Sensation der Spiele gesorgt, nach 36 Jahren haben sie die USA vom Thron gestoßen. Die Amerikaner verlassen die Halle. Auch zur Siegerehrung erscheinen sie nicht. Sie legen Protest gegen das Spiel ein, aber er bleibt erfolglos. "The Lie", die Lüge nennen die Amerikaner das Spiel, immer wieder rollen sie dieses Finale in zahlreichen Diskussionen auf. Ihre Silbermedaillen hat das amerikanische Team nie abgeholt, bis heute liegen sie im Safe des IOC in Lausanne.

Die entsetzten Sportlerseelen haben sich offensichtlich bis heute nicht beruhigen können. Zu unfassbar, unerwartet und dramatisch war dieses Spiel wohl für alle Beteiligten. Auch die Zeitnehmer werden sich in den kommenden Jahren an der Uhr vermutlich nicht mehr richtig wohl gefühlt haben.

Seither hat es zwar immer wieder spannende, aber nie wieder so extreme Basketball-Begegnungen bei den Olympischen Spielen gegeben. Und irgendwann wird über diese Sache dann auch endlich Gras wachsen mit oder ohne Silbermedaillen. Sollten die Teams Russlands und der USA bei den Spielen in Beijing aufeinander treffen, dann spielen sie auf jeden Fall schon zwischen viel Gras. Denn die Basketball-Halle für die Beijinger Olympischen Spiele ist in viele Sträucher und in eine Graslandschaft eingebettet. Das ist doch schon mal kein schlechtes Omen.

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