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Ciqikou - zu neuem Leben erwacht
   2007-06-12 16:53:27    Seite drucken   cri

Kein anderer Stadtteil der südwestchinesischen Metropole Chongqing weist so viele Gegensätze auf wie Ciqikou. Einst pulsierte in diesem Stadtteil das Leben. Das Bombardement Chongqings durch die japanische Luftwaffe während des Zweiten Weltkrieges überstand Ciqikou vergleichsweise unversehrt. Während der rasanten wirtschaftlichen Entwicklung der Metropole Chongqing seit der Reform und Öffnung geriet dieser traditionsreiche Stadtteil allerdings zunehmend in Vergessenheit. Er wurde vernachlässigt, zum Teil sogar benachteiligt. Nun hat man diesen Stadtteil als wertvollen Zeugen der Vergangenheit Chongqings wieder entdeckt. Ciqikou - wo das Gestern auf die Gegenwart trifft.

   

Unser Reiseleiter He Zejun ist in diesem Stadtteil aufgewachsen. Er kennt hier fast jede Gasse. Seiner Meinung nach macht die lebendige Tradition Ciqikou so interessant:

"Man sagt, Ciqikou ist sogar älter als der Stadtkern von Chongqing. Bereits vor 2.000 Jahren haben Menschen in dieser Gegend gelebt. Zur Zeit der Nördlichen Song-Dynastie ist in Ciqikou das buddhistische Kloster Baiyan erbaut worden. Viele Pilger kamen hierher, Ciqikou entwickelte sich zu einer belebten Siedlung. Man siedelte am Jialing-Fluss, um das Baiyan-Kloster herum, und entschied sich daher, schließlich hier eine Anlegestelle für Boote zu bauen."

Diese Maßnahme belebte den Handel in Ciqikou, einige Jahrhunderte lang spielte die Siedlung als Handelsplatz eine bedeutende Rolle. Unweit des Hafens entstanden immer neue, florierende Märkte, auf denen Getreide, Heilkräuter, Tee und vor allem Porzellan verkauft wurden. Historische Dokumente belegen, dass die meisten Bewohner Ciqikous damals vom Handel, vom Transport oder von der Porzellanherstellung lebten. Das Porzellan war für die Siedlung von so großer Bedeutung, dass es in den Namen der Ortschaft Eingang fand. Auf Chinesisch heißt Porzellan nämlich Ciqi. Auch dazu kann uns unser Reiseleiter He Zejun weitere Informationen geben:

"Zu Beginn der Qing-Dynastie ordnete der Kaiser eine Zwangsumsiedlung an. Denn, viele Gebiete Chinas waren durch den Krieg zerstört, die Wirtschaft lag da nieder, und der Kaiser wollte sie durch diese Maßnahme wieder beleben. Viele Menschen aus der südöstlichen Provinz Fujian mussten also nach Westen ziehen. Einige ließen sich in der Region um Ciqikou nieder. Mit ihnen hielt die moderne Porzellanherstellungs-Technik Einzug in diesem Gebiet. Bald stieg die Jahresproduktion auf 700.000 Stück. Die Porzellanwaren wurden per Schiff in die benachbarte Provinz Sichuan und nach Hubei in Zentralchina transportiert."

In Ciqikou erlebte aber nicht nur Porzellanherstellung eine Blütezeit, auch anderes Kunsthandwerk florierte.

In den 1930er und 40er Jahren begann die große Zeit der Arbeiter und Bauern in Ciqikou. Einige Sozialarbeiter wollten in diesem Stadtteil und in den umliegenden Dörfern mit neuen, anderen Wirtschafts- und Gesellschaftsmodellen experimentieren. Ciqikou sollte nach ihren Vorstellungen modernisiert werden und sich zu einem Modell für alle anderen Städte entwickeln. Die Zahl der Analphabeten sollte reduziert, die hygienischen Bedingungen verbessert werden. Man wollte die Selbstverwaltung fördern und den Menschen mehr Eigenverantwortung übertragen. Generell sollte es mehr Gerechtigkeit geben. Doch der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs zerstörte alle Hoffnungen.

Aufgrund des Krieges verlagerte die chinesische Regierung die Hauptstadt von Nanjing am Unterlauf des Yangtze nach Chongqing. Von hier aus bereitete sie den langjährigen Widerstand gegen die japanischen Aggressoren vor. Viele Hochschulen, Fabriken und Behörden aus verschiedenen Landesteilen folgten der Regierung nach Chongqing. Die Zentrale Nationale Universität hatte ihren provisorischen Sitz in Ciqikou.

Die Jahre des Widerstands waren bittere Zeit. Mehrmals wöchentlich warfen japanische Kampfflugzeuge Bomben über Chongqing und den umliegenden Gebieten ab. Die Menschen versuchten dennoch, so gut es ging, ihr alltägliches Leben aufrechtzuerhalten. In Ciqikou hatten sich viele renommierte Wissenschaftler und Künstler niedergelassen, was dazu führte, dass die Siedlung in dieser sehr schwierigen Zeit kulturell aufblühte.

1958 baute man schließlich einen neuen Hafen, Ciqikous Position wurde dadurch erheblich geschwächt. Die einst so belebte Siedlung geriet schnell in Vergessenheit. Bis zum Ende der 1980er Jahre verfiel sie in einen Dornröschen-Schlaf. Für Ciqikou brachte das aber nicht nur Nachteile. Da es im raschen Modernisierungsprozess vergessen wurde, blieb auch das Stadtbild seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts weitgehend unverändert. Seit 1998 steht Ciqikou nun unter Denkmalschutz.

Chongqing war aufgrund der Modernisierung enormen Veränderungen unterworfen. Es war in den zwei vergangenen Jahrzehnten meist eine riesige Baustelle. Wolkenkratzer schossen wie Pilze aus dem Boden. Die Straßen wurden immer breiter, die Wohnverhältnisse kontinuierlich besser, das Leben nahm Tempo auf. Und dennoch, man konnte sich irgendwie des Eindrucks nicht erwehren, dass hier etwas fehlte.

Um das zu finden, was ihnen in ihrer modernen Stadt fehlt, kommen die Einwohner Chongqings nach Ciqikou. Hier finden sie ein Stück Vergangenheit, hier ist die Erinnerung zu Hause, hier sind Traditionen wertvoll.

   

Wu Zhenfei ist ein pensionierter Pilot. Er ist in Chongqing aufgewachsen, hat später aber lange in Beijing gelebt und gearbeitet. Jetzt ist er in seine Heimatstadt zurückgekehrt. In den engen Gassen Ciqikous ist Wu auf der Suche nach Erinnerungen an seine Kindheit:

"Es ist schön hier. Die lebendige Vergangenheit macht dieses Viertel so besonders, so attraktiv. Daneben ist auch für das leibliche Wohl gesorgt, es gibt viele leckere Straßenverkäufe, auch traditionelles Kunsthandwerk hat sich hier erhalten."

In Ciqikou leben Traditionen fort. Man findet sie in der Architektur, aber auch im beschaulichen Lebensrhythmus der Bewohner. Seit das Viertel unter Denkmalschutz steht, zieht es auch immer mehr Besucher an. 70 Prozent von ihnen sind wie Wu in Chongqing aufgewachsen.

Unseren Reiseleiter He zieht nicht so sehr die Architektur nach Ciqikou, er findet eher das gesamte Stadtbild, das beschaulichere Leben dort besonders attraktiv:

"Das älteste Gebäude, das man im Stadtteil Ciqikou heute noch sehen kann, ist eine Halle im Kloster Baolun. Sie wurde zur Zeit der Ming-Dynastie vor rund 500 Jahren erbaut. Daneben gibt es in Ciqikou noch rund zehn traditionelle Wohnhöfe aus der Zeit der Qing-Dynastie, das heißt, sie sind etwa 200 Jahre alt. Ich persönlich finde nicht die alte Architektur selbst so spannend, sondern, dass ein Besuch in Ciqikou ein bisschen wie eine Zeitreise ist. Das ganze Leben, das Stadtbild, alles scheint noch wie gestern zu sein. Dieses Viertel ist viel weniger hektisch als beispielsweise die Stadtmitte."

Seit das Viertel unter Denkmalschutz steht, ziehen kaum noch Einwohner von hier weg. Obwohl sie vom Tourismus profitieren, schaffen sie es, sich ihren gewohnten Lebensrhythmus zu erhalten. Wei Jiang lebt seit 67 Jahren in Ciqikou. Er ernährt seine Familie durch einen kleinen Laden. Dort verkauft er allerlei Gebrauchsgegenstände und Nahrungsmittel.

Für die junge Generation ist Ciqikou kein Ort, der Erinnerungen weckt. Ihnen bietet dieses Viertel einfach die Möglichkeit, die Vergangenheit zu entdecken, Geschichte kennen zu lernen. Zhou Linhong studiert an einer Hochschule Landschaftplanung. Jede Woche kommt er mit Kommilitonen nach Ciqikou, um zu skizzieren, wie Natur und Stadt hier verschmelzen.

"Ich studiere Landschaftplanung an der Chongqing-Universität. Jede Woche komme ich zum Skizzieren nach Ciqikou. Ich bin der Meinung, dass die Architektur in diesem Viertel für die Region sehr typisch ist. Für mein Studium ist es sehr hilfreich, mich mit dieser typischen Architektur vertraut zu machen."

So wird die vergessene Geschichte einer einst pulsierenden Siedlung wieder lebendig: Durch die Suche der älteren Generation nach ihren Erinnerungen und durch die Zeitreisen der jüngeren Generation in die Vergangenheit.

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