Chinesische Spruchrollen sind unerlässlich beim chinesischen Neujahrsfest. Spruchrollen sind rote Papierstreifen, die mit glückbringenden Schriftzeichen beschrieben sind. Ein kompletter Satz für den Hauseingang besteht aus drei beschrifteten roten Papierstreifen. Einer wird links, einer rechts und der dritte wird waagerecht über die Tür oder den Türrahmen geklebt. Die Schriftzeichen auf den Spruchrollen drücken normalerweise gute Wünsche für das kommende Jahr aus. Wichtig ist, dass sich die Zeichen auf dem linken und dem rechten Papierstreifen ergänzen. Steht links zum Beispiel Regen, dann steht rechts Wind.
Spruchrollen haben ihren Ursprung in traditionellen Schutzamuletten aus Pfirsichholz. Diese Schutzamulette bestanden aus zwei Pfirsichholztafeln, die mit den Bildern von zwei Göttern bemalt waren. Einer Legende zufolge gab es vor langer Zeit einmal zwei Brüder, sie hießen Shenshu und Yulü. Sie waren für die Überwachung der bösen Geister zuständig. Ihre Aufgabe war es, Unwesen treibende Geister zu fesseln und an wilde Tiger zu verfütterten. Die beiden Götter wurden immer mit bösen Gesichtern dargestellt. Später wurden ihre Bildnisse außen an Türen und Pforten gehängt, um Unheil von den Hausbewohnern abzuwenden und Dämonen zu vertreiben.
Im siebten Jahrhundert wurden die beiden Götter Shenshu und Yulü auf den Pfirsichholztafeln durch zwei Generäle ersetzt, die tatsächlich einmal in China lebten und sich einen Ruf im Kampf gegen Dämonen erworben haben. Die Legende erzählt, dass Li Shimin, ein berühmter Kaiser der Tang-Dynastie, der im siebten Jahrhundert regierte, an Schlafstörungen litt, hervorgerufen durch das Geschrei böser Geister. Er beschwerte sich darüber und ließ seine Lieblingsgeneräle Qin Shubao und Yuchi Gong vor seiner Tür Wache stehen. Seitdem konnte er wieder friedlich und ruhig schlafen. Später ließ Li Shimin als Schutz vor bösen Geistern Bildnisse seiner beiden vor Kraft strotzenden Generäle an die Tür hängen. Sie wurden dann als Türgötter verehrt, die böse Geister fernhalten sollten. Da traditionelle chinesische Häuser ein großes Eingangstor mit zwei Flügeln haben, kommen die Türgötter immer in Paaren. Ihre Abbildungen sind die Vorläufer der Neujahrsbilder.
Neben den Spruchrollen zählen glückbringende Bilder ebenfalls zu den wichtigsten Neujahrsdekorationen in China. Jedes Jahr werden vor dem Neujahrsfest neue Bilder an die Wand gehängt. Daher hat sich der Name Neujahrsbilder eingebürgert. Neujahrsbilder entstehen meist gänzlich in Handarbeit. Ihr Inhalt ist vielfältig, es gibt historische Themen, Volkssagen, Tiere, Blumen oder kleine Kinder. Mit den Neujahrsbildern werden Wünsche für ein gesundes und langes Leben, für eine gute Ernte, nach Fruchtbarkeit und auf ein glückliches Leben zum Ausdruck gebracht. Ein rundliches, pausbäckiges Baby mit einem Fisch auf dem Schoß ist eines der Lieblingsmotive auf chinesischen Neujahrsbildern. Das Wort für Fisch hat nämlich im Chinesischen den gleichen Laut wie das Wort für Überschuss und symbolisiert deshalb ein wohlhabendes Leben.
Während der Song-Dynastie (960-1279) wurde die Holzdrucktechnik bei der Herstellung von Neujahrsbildern eingeführt. Die Bilder konnten somit in großen Mengen gedruckt und verkauft werden. Damit nahm auch die Vielfalt der Motive zu. Zu den verehrten Gottheiten und Natursymbolen kamen fröhliche Motive hinzu. Aber auch ganze Geschichten, Märchen, Legenden oder Opernszenen wurden auf den Neujahrsbildern dargestellt. Diese Bilder stellen eine der bekanntesten und bedeutendsten chinesischen volkstümlichen Künste dar. Die Holzschnittkunst der Neujahrsbilder erreichte zwischen dem 14. und dem 19. Jahrhundert ihren Höhepunkt.
Die Druck- und Auflagenhöhe von Neujahrsbildern ist auch heute noch eine der höchsten im chinesischen Bilderdruck. Aber nicht nur in China, auch weltweit erfreuen sich chinesische Neujahrsbilder wegen ihrer intensiven und volkstümlichen Farben großer Beliebtheit.
Als ein wichtiges Kulturerbe werden Neujahrsbilder in China mittlerweile geschützt und gefördert. Dafür sind spezielle Kunsthandwerkszentren eingerichtet worden. Einige der wichtigsten befinden sich in Yangliuqing nahe der nordchinesischen Stadt Tianjin, in Yangjiabu in der Stadt Weifang in der ostchinesischen Provinz Shandong, in Taohuawu in der ostchinesischen Stadt Suzhou und in Zhuxianzhen in der zentralchinesischen Provinz Henan.
Im Rückblick auf eine Entwicklung von mehr als 2.000 Jahren spiegeln die Neujahrsbilder nicht nur die Phantasie und die ästhetischen Vorlieben großer Bevölkerungskreise in China wider, sondern auch die Lebensweise der Chinesen durch die Jahrhunderte. Neujahrsbilder sind heutzutage vor allem in den ländlichen Regionen beliebt. Aus kunsthistorischer und kultureller Sicht bilden die chinesischen Neujahrsbilder eine ausgeprägte eigenständige Kunstform.