Die Gedenkstätte an das Nanjing-Massaker
Still und unauffällig steht es da, das alte Wohnhaus von John Rabe an einer belebten Kreuzung in Nanjing. 2006 wurde es als Museum eröffnet, im Zentrum der Ausstellung: Rabes Engagement, möglichst viele Chinesen vor den einfallenden Japanern zu beschützen, die 1937 die Stadt einnahmen und in den darauf folgenden Wochen ein grausames Massaker anrichteten.
John Rabe wurde 1882 in Hamburg geboren. 1908 kam er nach China. Seit 1931 lebte er in Nanjing, der Stadt am Yangtze, rund 200 Kilometer von Shanghai entfernt. Als sich im November 1937 abzeichnete, dass die Japaner in Richtung Nanjing marschierten, verließen die meisten Ausländer fluchtartig die Stadt. Nur eine kleine Gruppe blieb zurück und sie versuchten, eine internationale Sicherheitszone zu errichten. "Kann und darf ich unter diesen Umständen fortlaufen?", schrieb Rabe damals in sein Tagebuch, das Jahrzehnte später publiziert wurde. „Ich glaube nicht! Wer einmal, an jeder Hand ein zitterndes Chinesenkind, stundenlang bei einem Luftangriff im Unterstand gesessen hat, wird mir das nachfühlen können."
John Rabe ließ sich zum Vorsitzenden der sogenannten internationalen Sicherheitszone wählen. Sie sollte ursprünglich jenen Chinesen eine Notunterkunft bieten, die aus ihren Dörfern vor den Japanern geflohen waren. Doch als das japanische Heer im Dezember 1937 über die Stadt herfiel, flüchteten sich rund 250.000 Chinesen in das zur Sonderzone deklarierte Gebiet. Ihnen wurde so das Leben gerettet.
Denn das japanische Heer richtete 1937 in Nanjing ein Massaker an, das bis heute tief im kollektiven Gedächtnis Chinas eingegraben ist und das Verhältnis zu Japan nach wie vor prägt. Japanische Soldaten veranstalteten Wettbewerbe darin, wer in einer vorgegebenen Zeit die meisten Chinesen köpfen konnte. Sie vergewaltigten tausende von Frauen, darunter auch alte Menschen und kleine Kinder. Wiederholt und in Gruppen. Anschließend brachten sie die Geschundenen um. Sie erstachen tausende von Chinesen mit ihren Bajonetten, hängten sie an Bäumen auf, schossen sie nieder in Massengräbern. Das sogenannte Nanjing-Massaker dauerte rund sechs Wochen. Bis zu 250.000 Menschen starben, manche Historiker sprechen von 350.000 Toten.
Rabe und den anderen Ausländern gelang es in diesen Wochen, die Japaner dazu zu bringen, die Chinesen innerhalb der Sicherheitszone größtenteils unversehrt zu lassen. In seinem Garten spannte Rabe horizontal eine große Hakenkreuzfahne und hoffte, den japansichen Fliegern auf diese Weise signalisieren zu können, dass sie diese Gegend nicht bombardieren sollten.
Die Japaner wüteten bis Ende Januar in Nanjing. Wenige Tage darauf kehrte John Rabe, der ein Mitglied der NSDAP war, nach Deutschland zurück. Möglicherweise auf Druck der Nationalsozialisten, denn Deutschland und Japan waren seit 1936 im Anti-Kominternpakt miteinander verbunden. In Deutschland versuchte Rabe die Öffentlichkeit darüber zu informieren, was in Nanjing vorgefallen war. Er hielt Vorträge, zeigte Fotos und Filmmaterial von dem, was sich kurz zuvor ereignet hatte. Schließlich aber wurde er von der Gestapo gestoppt.
Wenige Jahre nach Kriegsende, am 5. Januar 1950, erlag John Rabe einem Herzinfarkt. Während er in China schon kurz darauf als „Lebender Buddha von Nanjing" verehrt wurde, geriet er in Deutschland fast völlig in Vergessenheit. Erst Jahrzehnte später entdeckte man in seinem Nachlass Tagebuchaufzeichnungen, die Rabe während der Wochen des Massakers verfasste. Sie wurden 1997 erstmals publiziert und berichten von den grausamen Vorfällen in Nanjing vor und während des Massakers. Erschütternd, unmittelbar und deswegen so einmalig.