Ein Tanz mit 1.000 Jahren, die Wiederbelebung eines Wandbildes
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Einige Kilometer außerhalb von Zanda befinden sich die Ruinen von Guge, die kunstvoll in eine Sandsteinklippe gebaut sind. Die Geschichte des Königsreiches Guge kann bis ins 10. Jahrhundert zurückverfolgt werden. Am ehemaligen Königshof tanzte man den Xuan. Der Tanz, der auch Dialog und Gesang beinhaltet, stammt ursprünglich aus dem tibetischen Ngari. „Xuan" ist aus dem Sanskrit übernommen und bedeutet auf Tibetisch ganz einfach „Tanz". Wann dieser Tanz entstanden ist, weiß keiner so genau. Die Geschichte wird aufgrund seines Erscheinens auf Wandmalereien auf über 1000 Jahre geschätzt, erklärt Reiseführer Pasang Tsering:
„Im Roten Palast der Ruinen sind diese Wandmalereien mit dem Xuan-Tanz zu bewundern. Eigentlich sollte der Tanz nur zu religiösen Anlässen aufgeführt werden. Manche historische Materialien zeigen auch, dass der Tanz aus der Religion Bön stamme, also der vorherrschenden Religion bevor der Buddhismus im 8. Jahrhundert nach Tibet kam. Später war er dann auch im Volk verbreitet. Wir haben heute noch Überlieferer dieser Tanzkunst."
Die 84-jährige Droga ist so eine Überlieferin. Mit 21 Jahren begann sie den Tanz zu lernen, nicht ganz aus freien Stücken:
„Damals wurde jeder Haushalt gezwungen, eine Frau zum Tanzen zu schicken. Obwohl es nicht schwer zu lernen ist, hatte ich doch Angst, weil man bestraft werden sollte, wenn man Fehler machte."
Nach der demokratischen Reform in Tibet im Jahr 1959 wurde dem Xuan-Tanz ein neuer Sinn verliehen. 2008 ist er in die Liste des immateriellen Kulturerbes auf Staatsebene aufgenommen worden. Als die älteste Tänzerin des Xuan wurde Droga dann ganz offiziell zur Überlieferin dieser Kunstform ernannt. Droga ist sich über ihre Verantwortung im Klaren und hat trotz des hohen Alters neun Lehrlinge aufgenommen.
„Der Xuan-Tanz hat dreizehn Teile. Ich konnte einmal alles, aber nun kann ich mich nur noch an neun davon erinnern. Mit Hilfe der Regierung habe ich jetzt Lehrlinge. Der Xuan-Tanz ist Geschichte, ich bin verantwortlich, ihnen den Tanz mit Originalrhythmus und Melodien beizubringen."
Vor dem Toling-Tempel, wo Droga damals gezwungen war, für die Adligen aufzutreten, tanzen heute ihre Lehrlinge Hand in Hand. Die 35-jährige Yangjen lernt schon seit zehn Jahren von Droga Tanzen. Der schöne Gesang sei eine wichtige Kraft, erklärt sie:
„Der Gesang im Xuan-Tanz ist oft ein Loblied für die religiösen Inhalte wie Tempel, die lebenden Buddha und die Lamas. Und auch für das Alltagsleben der Tibeter wie die Eltern und die Natur. Verschiedene Inhalte werden auf verschiedene Weise gesungen."
2011 wurde das erste Xuan-Tanz-Ensemble im Kreis Zanda gegründet. In der Probehalle üben die Darsteller gerade ein Stück über die Geschichte des Guge-Königsreiches ein. Neue Faktoren wie schnellerer Rhythmus und große Bewegungen werden in den traditionellen Tanz integriert. Die 84-jährige Meisterin tanzt heute nicht mehr selber, sie sitzt ganz still auf einem Stuhl und beobachtet. Kelsang Yudron, Leiterin des Ensembles, lobt Drogas Bemühungen:
„Sie kommt extra zu uns, um die Probe zu beobachten. Wir trainieren in der Bühnenkleidung und erzählen ihr über die Tanzstücke. Danach gibt sie uns wertvolle Tipps."
Droga mag ihre Aufgabe. Auf ihrem faltigen Gesicht spiegelt sich Zufriedenheit:
„Als ich klein war, mochte ich Singen und Tanzen. Es ist für mich gar nicht zu anstrengend, hier die jungen Tänzer zu sehen. Im Gegenteil, ich fühle mich besonders fröhlich, wenn sie tanzen und singen. Wenn ich die Stücke anschaue, ist das wie eine Zeitreise. Diese Freude der Erinnerung genieße ich sehr."
Verfasst von: Liu Xinyue
Gesprochen von: Xu Wei