„Die Kriegszeit ist unmenschlich", schrieb der Lehrer Yao Zhilu während seiner Flucht aus Shanghai an seine Frau, nachdem die Stadt von der japanischen Armee besetzt wurde. Kurz danach kamen keine Briefe mehr. Yao galt als vermisst und ist nie wieder aufgetaucht. Die Briefe an seine Frau und Tochter sind alles, was übrig geblieben ist von der letzten Lebensphase des jungen Manns bzw. Vaters.
Nach der Besetzung Shanghais ist Yao Zhilu im April 1938 alleine nach Wuhan gefahren, um dort Arbeit zu finden. Er musste schließlich eine Familie ernähren. „Genau in diesem Jahr ist er verstorben", erklärte seine Enkelin. „Damals war meine Mutter erst sechs Jahre alt. Die Briefe hat sie als ihren Schatz gehütet."
2005 ist die Tochter des verschwundenen Lehrers auf das Projekt zur Rettung privater Familienbriefe gestoßen. Sie spendete die Briefe ihres Vaters, ihren Schatz, damit sie durch die Betreuung von Spezialisten für immer erhalten bleiben könnten. Nun liegen sie im Museum der Renmin-Universität in Beijing.
Der Direktor des Zentrums für historische Familienbriefe, Zhang Ding, ist dort für die Betreuung zuständig. „Es gibt noch viele solche Briefe", sagt Zhang. In den vergangenen zehn Jahren wurden über 200 von den Experten gesammelt. Unter den Verfassern sind Soldaten, Zivilisten, Auslandschinesen: Menschen verschiedenster Gesellschaftsschichten. Zhang klagt jedoch, dass mehr Briefe verloren gingen, als gerettet werden könnten. „Damit gehen auch Fragmente der Geschichte verloren. Die Geschichten hinter den Briefen sind Ergänzungen der Kriegsgeschichte." Sie seien echte, glaubhafte Zeugnisse, so Zhang Ding.