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Zum Qingming-Fest, dem chinesischen Totenfest Anfang April, gehen die Leute traditionell zu den Grabstätten ihrer verstorbenen Liebsten. Es ist ein Tag des Gedenkens und Erinnerns. Doch heutzutage arbeiten viele Chinesen tausende Kilometer entfernt von ihrem Heimatort. Das hat zu einer neuen Geschäftsidee geführt, die auch einige Kritik auf sich zieht: Qingming-Grabreinigungen, die online gebucht werden können.

Traditionell gilt das „Grabfegen" als eine Zeremonie, der nur Familienangehörige der verstorbenen Person beiwohnen dürfen. Dabei fegen die Leute die Gräber, legen Blumen und Gegenstände, die für die Verstorbenen eine besondere Bedeutung hatten, ans Grab. Andere brennen Weihrauchstäbchen ab und verbrennen „Totengeld". Doch die weite Entfernung für Menschen, die längst aus ihrem Heimatort weggezogen sind und die zum Qingming-Fest überfüllten Friedhöfe machen den Besuch der aus dem Leben Geschiedenen oftmals zu einer Qual. Diese Entwicklung machen sich nun clevere Geschäftsmänner zu Nutze und bieten im Internet Grabreinigungs-Services an.
Auf Taobao.com, dem größten Online-Shopping-Portal Chinas, bieten bereits mehr als 20 Online-Shops verschiedene Dienste für 100 bis 3000 Yuan an. Wir haben einen solchen Online-Händler interviewt:

„Am Friedhof angekommen, fegen wir zunächst das Grab und machen alles sauber und ordentlich. Dann folgt eine Mini-Zeremonie, einschließlich einer Rede und einer Trauerminute. Wir lesen laut, was auch immer der Kunde haben möchte, gießen Schnaps aus, verbrennen das traditionelle Totengeld und legen Blumen hin. Für spezielle Opfergaben muss zusätzlich Geld bezahlt werden. Im Schnitt kostet unser Service den Kunden rund 1.000 Yuan. Alles wird aufgezeichnet, und man kann online bezahlen."
Yang Xuan, die weit entfernt von ihrer Heimatstadt arbeitet und lebt, begrüßt diese Art von Service.
„Wenn das Grab in der Nähe ist, da wo Sie leben, dann können sie sich auch Zeit dafür nehmen. Das ist gut. Aber heutzutage ist es ganz normal, in einer anderen Stadt oder im Ausland zu arbeiten oder zu studieren. Die Entfernung ist definitiv ein Hindernis. Wenn Sie wirklich nicht zurück können und Ihren verstorbenen Familienangehörigen dennoch ihren Respekt ausdrücken möchten, dann ist so ein Grabreinigungs-Service eine gute Lösung."
Yang betont aber auch, dass die Leute sich nicht ausschließlich auf solche Dienstleister verlassen sollten. Wenn eine Heimreise irgendwie möglich ist, dann sollte man diese auch antreten. Schließlich finde das Qingming-Fest auch nur einmal im Jahr statt. Jing Xiaowei, die in Beijing wohnt, sieht das ähnlich.
„Für mich ist das Grabfegen eine ernste Zeremonie, auf der die Trauer um die verstorbenen Familienmitglieder ausgedrückt wird. Wenn Sie Fremde, wie zum Spiel die Grabreinigungsfirmen, diese Pflicht übernehmen lassen, dann ist das nicht ehrlich. Es hat nichts mehr mit Ihren Emotionen zu tun. Also, wenn die Menschen diese Services nutzen, was ist das dann noch für ein Qingming-Fest?"

Die Zunahme solcher Angebote ruft also bereits Kulturschützer auf den Plan, die eine Kommerzialisierung des traditionsreichen Festes fürchten.
Professor Yu Jianrong von der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften ist der Ansicht, dass es akzeptabel sei, andere zu bitten, bei dem Grabfegen zu helfen. Aber die Kommerzialisierung des Festes und die damit verbundene Geschäftemacherei seien keine gute Entwicklung. Der Respekt gegenüber den Toten stehe im Mittelpunkt des „Qingmingjie". Diese Bedeutung werde jedoch allmählich verloren gehen, wenn die Leute es stattdessen als Chance auf finanzielle Bereicherung sehen.
Doch vielleicht sind all diese Befürchtungen auch unbegründet: Bislang werden die Grabreinigungen auf Bestellung von den Online-Kunden scheinbar noch nicht so angenommen, wie es sich die Anbieter wünschen.
Übersetzt von Li Yan
Gesprochen von Liu Yuanyuan, Xiao Lan, Zhang Yunfan



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