M: Der Überlieferung nach lehrte Leizu, die Frau des mythischen Gelben Kaisers, vor über 5000 Jahren die Leute in China die Seidenraupenzucht. In den Orakelknocheninschriften des Landes sind bereits die Schriftzeichen für "Seidenraupe", "Maulbeerbaum", "Seide" und "feine Seide" zu finden. In der ersten chinesischen Gedichtssammlung, dem "Buch der Lieder", gibt es ein Gedicht über das Sammeln von Maulbeerblättern und die Seidenraupenzucht. Das belegt, dass in China schon vor langer Zeit die Technik der Seidenraupenzucht, des Haspelns von Seiden und der Seidenweberei bekannt war. Aber wie gelangte die chinesische Seidenraupenzucht in den Westen? Näheres darüber erfahren Sie nun.
F: Nachdem Zhang Qian in der Westlichen Han-Dynastie (206 v. - 24 n. u. Z.) den kontinentalen Verbindungsweg in den Westen entdeckt hatte, gelangten die chinesischen Seidenprodukte bis nach Europa. Die Europäer betrachteten die geschmeidigen, weichen und farbenprächtigen Seidenwaren als wertvolle Schätze und kauften sie mit großer Leidenschaft. Angeblich trug Julius Caesar, der Kaiser des Römischen Reiches, einmal eine Robe aus chinesischer Seide und löste damit bei einem Theaterbesuch eine Sensation aus. Bei seiner Expedition versprach Christoph Columbus seinen Matrosen, wer zuerst einen neuen Kontinent entdecke, bekomme eine Seidenjacke.
Da der Preis der importierten Seide damals so hoch war wie der von Gold, und so viel Seide aus China importiert wurde, erwirtschaftete das Römische Reich ein hohes Handelsdefizit.
M: Anfangs kannten die Europäer die chinesische Technik der Seidenraupenzucht und des Seidenhaspelns nicht. Sie glaubten, die Seidenfäden wären aus einem Baum herausgezogen, befeuchtet und gekämmt worden. Als sie von der wahren Herkunft der Seide erfuhren, wollten sie um jeden Preis die chinesische Seidenraupenzucht erlernen.
F: Im 6. Jahrhundert n. u. Z. rief der römische Kaiser Justinian I. einen Missionar, der schon einmal in China war, zu sich und befahl ihm, heimlich die chinesische Seidenraupenzucht zu erlernen. Der Missionar reiste in die chinesische Provinz Yunnan und erfuhr, dass der Maulbeerbaum aus Maulbeersamen gezogen wird, die Seidenraupe im Frühling aus einem Seidenraupenei schlüpft, die jungen Seidenraupen Maulbeerblätter fressen und man einige Zeit später die Kokons abhaspeln kann. Der Missionar stahl einige Seidenraupeneier und Maulbeersamen und kehrte in seine Heimat zurück.
M: Der Missionar verwechselte allerdings die Seidenraupeneier mit den Maulbeersamen. Er pflanzte die Seidenraupeneier in die Erde und versuchte die Maulbeersamen auszubrüten. Natürlich war seine China-Reise somit erfolglos. Später ließ Kaiser Justinian I. noch zwei Missionare nach China reisen, um die Seidenraupenzucht zu erlernen. Die zwei Missionare studierten die Technik der Seidenproduktion ausführlich und schmuggelten Seidenraupeneier und Maulbeersamen in ihren Stöcken ins Römische Reich. So gelangten chinesische Seidenraupen schließlich nach Europa, wo dann eine eigene Seidenproduktion aufgebaut wurde.
F: In dem von dem Mönch Xuanzang verfassten Werk "Aufzeichnungen über die Tang-Dynastie und die westlichen Regionen" findet sich noch eine andere Geschichte über die Verbreitung der chinesischen Seidenraupenzucht nach Europa. Ein kleines Land im Westen wollte die Seidenraupenzucht erlernen. Also wandte es sich mit dieser Bitte an das damalige "Östliche Reich". Das "Östliche Reich" lehnte die Bitte ab und intensivierte die Zollkontrolle, um die Verbreitung der Seidenraupeneier und Maulbeersamen zu unterbinden. Es wird vermutet, dass das "Östliche Reich" die damalige Nördliche Wei-Dynastie gewesen ist. Da das Ansuchen des Königs des kleinen Reiches nicht erfolgreich war, dachte er über andere Möglichkeiten nach, an die Technologie der Seidenproduktion zu gelangen. Er bot dem "Östlichen Reich" an, die beiden Länder durch eine Heirat zu verbinden, um die Freundschaft zu vertiefen. Dies stieß auf Zustimmung durch das "Östliche Reich".
M: Vor der Eheschließung ließ der König des kleinen Reiches heimlich der Prinzessin mitteilen, dass sie Seidenraupeneier und Maulbeersamen zurückbringen möge. Die Prinzessin folgte der Bitte des Königs und versteckte Seidenraupeneier und Maulbeersamen in ihrem Hut. Beim Verlassen der Zollstation überprüften die Zollbeamten alle Kleidungsstücke, wagten aber nicht, den Hut der Prinzessin zu überprüfen. So wurden Seidenraupeneier und Maulbeersamen in das kleine Reich gebracht. Später wurde die Seidenraupenzucht dann auch weiter nach Europa verbreitet.
|