25. Juni
Heute ist mein letzter Tag in Tibet, da ich morgen zurück nach Beijing fliegen werde. Ich reise frühzeitig ab, da meine Berichte bereits fertig sind. Die anderen sieben Kollegen müssen nachsitzen und bleiben noch hier für weitere mindestens zehn Tage.
Vormittags besuchte ich alleine den Potala-Palast. Obwohl ich über eine Pressekarte und über einen speziellen Ausweis des Pressebüros der Verwaltung des Autonomen Gebiets Tibet verfüge, mußte ich mir ein Ticket kaufen. Kein freier Eintritte hier, wie in anderen Klöstern in Tibet. Das nehme ich jedoch in Kauf, denn ich war nie in Tibet gewesen, wenn ich den Potala-Palast in Lhasa nicht besucht habe, so jedenfalls der Ausspruch meiner tibetischen Kollegen hier in Lhasa.
Der Eingang zum Potala-Palast befindet sich auf eine Anhöhe, die mehr als 100 Meter aufragt. Ich bestieg die Treppe schnell wie ein junger Dachs und legte fast keine Pause ein. Oben am Eingang mußte ich dann ein paar Minuten verschnaufen, um meinen gleichmäßigen Atemrhytmus wiederzufinden. Ich war jedoch nicht allein, unter den gleichen Anzeichen der Atemnot befanden sich einige ausländische Touristen, die eine kleine Pause ebenfalls nötig hatten.
Im Palastgebäude besuchte ich zunächst den weißen Palast im Osten und dann den roten Palast im Westen. Sehenswert waren wohl alle verschiedenen Räume, egal ob es Wohnräume der verschiedenen Dalai-Lamas waren oder ihre Stuben. Die Stuben der Dalai-Lamas sind luxeriöser ausgestattet als ihre Wohnräume. Auch die Innenausstattung unterschiedlicher Gebetshallen für die verschiedenen Buddhas und Buddhisatwas konnte ich bewundern.
Anders als in den anderen Landesteilen Chinas sind in Tibet unzählige Kulturschätze im Potala und anderen Klöstern wie in Johkang, Zhaibung und Sera in Lhasa, Tashilhunpo in Xigaze oder Samye bei Tsedang, aufbewahrt. In den Klöstern bündelt sich der Reichtum der tibetischen Bevölkerung. Wenn möglich, solle man alle wichtigen Klöster in Tibet besuchen, damit man die Entwicklung der tibetischen Kultur erleben kann, so mein Kollege aus Lhasa. Das leuchtet mir ein, ich werde diesen Vorschlag weiter verbreiten.
Leider habe ich keine Zeit mehr. Ich muß noch etwas "shoppen". In unmittelbarer Nähe des Klosters Johkang befindet sich das Einkaufszentrum in Lhasa, das besonders für Touristen interessant ist. Ich habe heute mal gleich ein paar hundert Yuan da gelassen und ungefähr 10 tibetische Souveniers erstanden, wobei es sich um Schmuck aus Halbedelsteinen handelt. Ob es sich dabei um echte oder künstliche Steine handelt, vermag ich nicht zu erkennen. Da muss bei Gelegenheit mal ein Sachverständiger ran. Für mich ist es wichtig, dass ich diese Sachen in Lhasa gekauft habe und sie in Beijing präsentieren kann. Schließlich kaufte ich mir noch zwei tibetische Säbel, deren Transport nach Beijing nicht so ganz einfach ist. Weil die Flughafensicherheit davon ausgeht, dass ich mit den Säbeln die Piloten peinige, darf ich sie im Gepäck nicht unterbrigen. Die Säbel müssen mit der Post nach Beijing befördert werden, so der Straßenhändler. Also haben der Verkäufer und ich mit vereinten Kräften die Säbel als Päckchen verschnürt und dieses bei der Post abgegeben. Ich bin mal gespannt, ob die Säbel pünktlich nach 10 Tagen meine Beijinger Wohnung erreichen, wie es sowohl die Post als auch einheimische Mitarbeiter versprachen.
Ich besuchte noch mit meiner Einkaufstüte das Kloster Johkang, das im 7. Jahrhundert erbaut wurde. Diesen Besuch stattete ich ganz bewusst ab, denn in dem Kloster wollte ich meine erstandenen Souveniers der buddhistischen Atmosphäre aussetzen, was dann unendliches Glück bescheren soll, so meinen jedenfalls die Einheimischen.
In der großen Gebetshalle sammelten sich rund 100 Mönche und hielten ihre Mittagsgebetszeremonie ab. Sie lasen rhytmisch mit Trommelbegleitung die Sutra vor und sangen einige Abschnitte mit starkem Rythmus. Bei solchen Gelegenheiten bekomme ich immer eine Gänsehaut.
Fast alle kleinen Gebetshallen rings um die große waren abgeriegelt. In einer kleinen Halle aber fand eine wichtige Zeremonie statt. Zwei Mönche wechselten gerade die Butter für die Dumu-Figur. Der buddhistischen Überlieferung nach handelt es sich um Tränen des Buddhisatwa. Rund 10 Pilger lasen Sutra vor, einige ausländische und inländische Touristen schauten voller Ehrfurcht zu.
Am Abend war ich eingeladen auf ein Bier im Hause meines tibetischen Kollegen Wang Dui. Er leitet das Korrespondentenbüro von Radio China International und von China National Radio in Tibet. Alle sieben mitgereisten CRI-Korrespondenten und ich nennen Wang Dui den "Lebenden Buddha", da er groß und stark gebaut und vor allem barmherzig ist. Wang Dui hatte uns vor fünf Wochen vom Flughafen abgeholt und uns den ersten Buttertee in Tibet angeboten. In Lhasa hatte er uns dann ausführlich über Tibet informiert, sei es über die Geschichte oder aber auch über Groteskes, sei es über Kultur oder über die unvergleichbare Landschaft. Durch seine Aufklärung sind wir alle ein Stück schlauer geworden. Er hatte uns auch seine Texte über Tibet zur Verfügung gestellt, die er in den letzten Jahren verfasst hatte. Diese Texte waren uns während unseres Aufenthaltes hier in Tibet eine große Hilfe. Wang Dui hatte uns zahlreiche wichtige Persönlichkeit in Tibet als Interviewspartner vorgeschlagen und vermittelt. Als wir unterwegs in Tibet waren, rief er uns häufig an und erkundigte sich nach unserem Wohlergehen.
Wang Dui erzählte mir, dass sein Großvater und auch sein Vater Maler und Gestalter für Buddhafiguren im Potala-Palast waren. Eine Buddhafigur in der Empfangshalle des Dalai-Lamas im roten Palast stamme aus der Hand seines Großvaters, so Wang Dui.
Wang Dui ist über 20 Jahre lang im Beruf und war mehrmals mit dem 10. Panchan Lama auf Inspektionsreise durch Tibet unterwegs gewesen. Selbst vom Vorsitzenden Mao ist Wang Dui empfangen worden. Als Korrespondent war er bei verschiedenen wichtigen historischen Ereignissen in Tibet mit dabei und er hat vor, sein Erlebnis zusammenfassen, um die kommenden Generationen zu informieren.
Leb wohl Wang Dui, lebt wohl meine Freunde in Tibet! Ich warte auf ein Wiedersehen in Beijing oder wieder auf dem Dach der Welt.
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