Heute nachmittag hatten wir in Osttibet zwei buddhistische Tempelanlagen besichtigt, die südöstlich nicht weit der Gemeinde Bayi am Berghang liegen. Das war eigentlich nicht erwähnenswert, dachte ich mir, als wir die Tempelanlagen verließen. Auf unserer Heimfahrt zurück kamen wir mit unserem tibetischen Fahrer Danzeng Qunpei ins Gespräch. Wir unterhielten uns über seinen Beruf und über den Geländewagen, den er fuhr. Plötzlich horchten wir alle auf und waren einigermaßen von den Socken: Der Geländewagen, in dem wir fuhren, war Privateigentum unseres Fahrers Danzeng Qunpei. Im letzten September hatte er das Auto geschenkt bekommen, und zwar von einer Reiseunternehmerin aus der Schweiz.
Danzeng ist seit vier Tagen mit unserem Team unterwegs durch Osttibet. Bisher haben wir selten etwas von ihm gehört, er ist ziemlich schweigsam. Sprechen wir ihn nicht an, ist er den ganzen Tag mucksmäuschen still. Aber wenn wir ihn bitten, für uns Sachen zu übersetzen, ist er immer sehr hilfsbereit. Ohne seine sprachliche Unterstützung wären wir hier total aufgeschmissen, obwohl wir ihn nur als Fahrer beauftragt hatten.
Ich weiß, dass er 33 Jahre alt ist und einen 11 jährigen Sohn hat. Seine Frau arbeitet wohl nicht und ist meist zu Hause in Lhasa.
Seit rund sieben Jahren fährt er in Geländewagen Touristen durch Tibet. Früher tat er dies für Reisebüros. Da verdiente er wenig. Vor zwei Jahren wünschte er sich, einmal einen eigenen Geländewagen zu fahren. Um diesen Wunsch zu erfüllen, spielte er Lotto, wenn er Geld übrig hatte. Leider machte das Glück immer einen weiten Bogen um Danzeng.
Im letzten Juli begann sein Glücksstern jedoch zu leuchten, so Danzeng. Eine Reisegruppe aus der Schweiz wurde von Danzeng und zwei weiteren Kollgen einen Monat lang durch Mittel- und Südtibet kutschiert und natürlich auch betreut. Am Ende der Tour bekam Danzeng überraschend 10.000 Yuan RMB, umgerechnet fast 1.000 Euro, von der Leiterin der schweizer Reisegruppe geschenkt. Ihren Namen wollte Danzeng nicht nennen. Diese Dame sagte ihm, mit dem Geld solle er das Leben seiner Famlimie ein wenig verbessern. Einen Monat später, also im September 2004, bekam Danzeng einen weiteren Auftrag. Wieder sollte er eine schweizerische Reisegruppe einen Monat lang durch Tibet fahren und betreuen. Es ist nicht üblich, dass eine ausländische Reisegruppe bei einem Reisebüro einen bestimmten Fahrer bestellt. Vom Reisebüro in Lhasa erfuhr Danzeng aber, dass die schweizerische Reiseunternehmerin ausgerechnet ihn haben wollte und dass sie diese Gruppe persönlich leiten würde. Danzeng betrachtete trotzdem diesen Auftrag als ganz gewöhnlichen Arbeitsauftrag. Aber das sollte sich schnell ändern, so Danzeng. Dieser Auftrag hat sein Leben und das Schicksal seiner Familie ganz gewaltig vändert. Schon während der Tour versprach ihm die Dame aus der Schweiz, dass sie am Ende der Tour Danzeng einen Geländewagen schenken wird. Danzeng hielt das zunächst für Geschwätz und betreute die Gruppe weiter so wie früher. Zum Abschluß der Tour in Lhasa ließ die Reiseunternehmerin Danzeng einen Toyota-Geländewagen aus zweiter Hand kaufen und sie blätterte 17.000 Euro für das Auto hin. Danzeng war fassungslos und wollte das nicht glauben. Als er den Wagen nach Hause fuhr, ließ er sich von seiner Frau einmal ohrfeigen, um festzustellen, ob er träumte oder nicht. Seit dieser Zeit fährt Danzeng mit seinem eigenen Wagen durch das Hochland und verdient dabei sehr gut.
Von dieser Geschichte wussten am Anfang nur einige wenige Leute. Später erhielt Danzeng überraschend ein Telefonat aus der Schweiz, in dem die Dame sich beschwerte, dass diese Geschichte nun bis in die Schweiz gedrungen sei.
In diesem Januar fragte ihn die Schweizerin, ob der Wagen noch in Ordnung sei. Sie wollte Danzeng beim Kauf eines neuen Geländewagens unterstützen. Danzeng lehnte dieses Angebot jedoch dankend ab. Im kommenden Juli, so Danzeng sehr erfreut, wird die Dame aus der Schweiz wieder eine Reisegruppe in China leiten. Danzeng hat natürlich einen Auftrag längst in der Tasche. Er soll die Gruppe am Flughafen Chengdu, der Hauptstadt der südwestchinesischen Provinz Sichuan, abholen und mit ihr über die Sichuan-Tibet-Landstrasse nach Tibet fahren.
Wir fragten Danzeng, warum die Schweizerin ihm wohl den Wagen vermacht hat. Danzeng antwortete ganz ruhig: "Ich habe ausländischen Reisegruppen immer geholfen, ihr Gepäck aus- und einzuladen, da die meisten Gäste wegen der Höhenkrankheit diese körperliche Arbeit nur schwer selbst leisten können. Außerdem fahre ich sehr umsichtlich und meine Gäste fühlen sich sicher". Das sei richtig, das hat unser CRI-Team auch erlebt, sagte ich ihm. Danzeng fügte hinzu, dass es in Tibet rund 1.000 Geländewagenfahrer für Touristen gibt. Ab und zu sei es zu hören, dass jemand mehr Trinkgeld von den Gästen erhalten hat. Aber er hat bis heute noch nie gehört, dass jemand einen Geländewagen im Wert von 170.000 Yuan von einem ausländischen Gast geschenkt bekommen hat.
Als uns Danzeng seine Geschichte zu Ende erzählte, waren wir vier CRI-Korrespondenten ziemlich berührt. Er wolle in einem Jahr den jetzigen Wagen verkaufen und einen neuen anschaffen. Bis zu seinem 50. Lebensjahr will Danzeng mit seinem eigenen Wagen Touristen durch Tibet fahren und betreuen. Dann möchte er in Lhasa ein Teehaus eröffnen, da er seine Frau vor mehr als 10 Jahren in einem Teehaus kennen gelernt hatt. Ferner überlegte er, eines Tages die längst ausgesprochene Einladung der Dame aus der Schweiz zu einem Besuch in dem Alpenland anzunehmen.
Wir haben noch mindestens 10 Tage gemeinsame Touren vor uns und sind sehr glücklich, dass Danzeng uns auf unserer Reise durch Osttibet betreut. Danke, Danzeng, wir wünschen Dir viel Glück!
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