Die wichtigsten Konfessionen in Tibet sind der Buddhismus, die Bon-Religion sowie volkstümliche Glaubensformen. Die Konfessionen haben unterschiedliche soziale Wirkungen gehabt. Aus Sicht einer religiösen Klassifikationen zählt man die ersten beiden zu den theologischen Glaubensrichtungen. Dem volkstümlichen Glauben fehlt eine systematische Theorie, er kennt keine speziellen Kultstätten und keine Priester. Der tibetische Buddhismus und die Bon-Religion verdrängen einerseits einander, andererseits beeinflussen und durchdringen sie sich wechselseitig. So existieren sie langfristig als Gemisch; der Buddhismus trägt Züge der Bon-Religion, umgekehrt gibt es bei der Bon-Religion Züge des Buddhismus. Zudem haben beide auch Aspekte des Volkglaubens übernommen (z. B. den Glauben an diverse Geister). Darüber hinaus gibt es in Tibet auch Mohammedaner und Katholiken, die allerdings nur in einigen wenigen Gebieten leben.
Tibetischer Buddhismus
Seit der Buddhismus aus Zentralchina, Indien und Nepal auf dem Tibet-Plateau im 7. Jahrhundert an Einfluss gewann, gab es zunächst heftige Zusammenstöße mit Anhängern der Bon-Religion, die damals in der Tubo-Gesellschaft verherrschte. Um überleben und sich ausbreiten zu können und auch den lokalen Gegebenheiten zu entsprechen und mehr Anhänger zu gewinnen, hat der Buddhismus im Lauf der Jahrhunderte vieles von der Bon-Religion, von anderen volkstümlichen Glaubensrichtungen und Kulturen übernommen und ethnische Besonderheiten entwickelt. Es gibt zahlreiche buddhistische Texte in tibetischer Sprache. Der Kern dieser Religion, vor allem die esoterische Lehre, hat viele Schulen gebildet. Der tibetische Buddhismus besitzt komplette Klosterstrukturen, strenge Systeme zum Erlernen der Sutras und ein eigenes System, um die Reinkarnation der Lebenden Buddhas zu erkennen. Er unterscheidet sich vom Buddhismus in chinesischer Sprache und in Pali. Der tibetische Buddhismus wird auch als Lamaismus bezeichnet.
Die Entstehung und Entwicklung des tibetischen Buddhismus haben langfristige, umfangreiche und tief greifende Einflüsse auf die traditionelle tibetische Kultur ausgeübt.
In der Entwicklungsgeschichte des tibetischen Buddhismus gab es viele Sekten und Schulen, einige von ihnen haben wichtige Rollen auf der politischen Bühne der tibetischen und sogar der chinesischen Geschichte gespielt. Die wichtigsten Sekten der Gegenwart sind die Nyingma-Sekte (Rotmützen-Sekte), Sakya-Sekte (bunte Streifen-Sekte), Gagyu-Sekte (Weiße Sekte) und Gelug-Sekte (Gelbmützen-Sekte). Die Gelug-Sekte hat die kürzere Geschichte. Sie entwickelt sich aber schnell und hat seit der Qing-Dynastie (1644 - 1911) eine vorherrschende Stellung unter den verschiedenen Sekten des tibetischen Buddhismus. Der Dalai Lama und der Panchen Erdeni vertreten zwei Systeme der Reinkarnation der Lebenden Buddhas in dieser Sekte.
Der tibetische Buddhismus ist hauptsächlich in Tibet und in den von Tibetern bewohnten Gebieten der Provinzen Qinghai, Gansu, Sichuan und Yuannan sowie in den von Mongolen, der Tu-, Yugur- und Moinba-Nationalität bewohnten Gebieten verbreitet. Es gibt auch Anhänger bei der Naxi-, Lhoba-, Pumi-Nationalität und bei den Han-Chinesen. Darüber hinaus hat er einen gewiss historischen Einfluss in Sikkim, Bhutan, Nepel, der Mongolei und in einigen Gebieten wie Buriat in Russland.
Bon-Religion
Die Bon-Religion ist eine alte einheimische Religion in Tibet. Sie wurde etwa im 5. Jahrhundert v.u.Z. vom Prinz Sinrao Myibo aus Zhangzhung (ein alter Ortsname in Westtibet) auf der Grundlage der lokalen Religion entwickelt. Am Anfang waren es nur primitive Riten zum Beglückwünschen, Geistervertreiben und Unheilbeseitigen. Um die Zeitenwende drang die Bon-Religion ins Einzugsgebiet des Flusses Yarlung Zangbo vor und war in der Tobu-Sklavenhaltergesellschaft von großer Wichtigkeit. Mit der Einführung des Buddhismus begannen lang anhaltende, heftige Kämpfe zwischen den beiden Religionen. Tatsächlich waren es Kämpfe zwischen den verschiedenen Interessengruppen der Tobu-Gesellschaft. Um den stärker werdenden Kräften des tibetischen Buddhismus etwas entgegenzusetzen, und um die eigene Existenz und Entwicklung sicherzustellen, hat die Bon-Religion direkt oder indirekt viele Inhalte und Formen vom tibetischen Buddhismus in sich aufgenommen. Inhaltlich gibt es viele Ähnlichkeiten zwischen beiden Religionen, doch sie haben unterschiedliche Bezeichnungen und Interpretationen, z.B. beim Kasaya tragen, beim Klosterbau, bei der Buddhaverehrung (in der Bon-Religion ist der Buddha Sinrao), beim Drehen der Gebetsmühlen und Mani, beim Handhaben der Gebetsketten (in gegensätzlicher Richtung wie beim tibetischen Buddhismus), beim Rezitieren des Sechs-Schriftzeichen-Gebets (im Unterschied zu Zauberformeln) und sogar bei der Auswahl eines lebenden Buddhas, der ha die Reinkarnation eines anderen ist, so dass manche Leute der Meinung sind, die Bon-Religion sei bereits buddhistisch geworden.
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