B: Heute soll es um Bonsai gehen, jene kunstvollen Mini-Bäumchen oder auch komplette Miniaturlandschaften. Der Begriff BONSAI kommt aus Japan und bezeichnet sowohl abstrakte Baumformen als auch eine bezaubernde Miniaturgestaltung.
A: Aber wie gesagt, ursprünglich stammt das Ganze aus China, und das können und wollen wir heute hier beweisen. Bonsai heißt auf Chinesisch Penjing, was auf deutsch wiederum bedeutet, dass man eine Miniaturnachbildung einer Landschaft mit Pflanzen, Steinen, Felsen usw. in einer offenen Schale gestaltet. Das Schriftzeichen für Jing enthält den Sinninhalt "Landschaft", während Pen für Schale oder Topf steht.
A: Überlieferungen besagen, dass bereits 200 vor unserer Zeitrechnung, also in der frühen Han-Dynastie, ein Gärtner am kaiserlichen Hof die ihn umgebende Landschaft auf einem Tablett gestaltete.
B: Dieser geschickter Gärtner schuf eine komplette Landschaft mit Felsen, Bergen, Bäumen, Flüssen und kleinen Figuren in Miniaturform. Diese Miniaturlandschaft hat dem Kaiser sehr gut gefallen, und der Gärtner wurde natürlich dick honoriert und auch als ?Zauberer der Landschaft" bezeichnet.
A: In der folgenden Jin-Dynastie entstanden auch einzelne Pflanzen in Töpfen, z.B. Chrysanthemen und Camelien. Dieses ist durch Aufzeichnungen eines hohen Mandarins belegt, der sich um das Jahr 400 unserer Zeitrechnung aus dem Hofdienst zurückgezogen hatte und danach Mini-Pflanzen züchtete.
B: 200 Jahre später, also zur Zeit der Tang-Dynastie, wurden dann auch Bäume wie Kiefern oder Pflaumenbäume oder auch Bambus in Kleinformat in Töpfen gezüchtet. Bereits damals verlieh man Pflanzen verschiedene mythologische Deutungen, wie z. B. ?Kiefer für Langlebigkeit" oder ?Bambus für Aufrichtigkeit". Daraus hat sich sogar eine spezielle Penjing-Sprache entwickelt, die Penjing als ein gern gewechseltes Geschenk übermitteln konnte.
A: In der Song-Dynastie entwickelte sich die Gestaltung von Einzelbäumen und Landschaften zu wahrer künstlerischer Darstellung. Es ging nicht um einfaches Kopieren in klein, sondern um die Erfassung des wesentlichen, um die Charakteristik des Baumes oder die atmosphärische Perspektive. Pengjing sollte ein kleines Universum und eine verfeinerte Natur sein, meinte man damals.
B: Ja, ein kleines Universum und eine verfeinerte Natur. Um diese Effekte auf ein kleines Tablett oder in eine kleine Schale zu zaubern, mussten die Gärtner nicht nur allgemeine Gartentechnik, sondern auch viel von Literatur, Kalligraphie, Malerei, Musik sowie allen bildenden Künsten verstehen.
A: Man legte im Laufe der Jahrhunderte immer mehr Wert auf die Betrachtung der Naturelemente und auf die Harmonie in der Ausgestaltung, auch zu bestimmten Themen oder Stilrichtungen. Es entwickelte sich auch eine gewisse Fachliteratur, die dann später auch teilweise nach Japan kam.
B: Ja. In den verschiedenen Epochen, gab es somit starke Einwirkungen durch künstlerische Gruppen oder auch diverse gelehrte Geheimbünde auf die Landschaftsmalerei, auf Holzschnitte und auf die Gestaltung großer Parkanlagen. Und natürlich gab es diese Einflüsse auch auf die Gestaltung der kleinen Miniatur-Gartenparadiese - Penjing.
A: Immer wieder wurde die gärtnerische Gestaltungskunst verfeinert - es ging um präzises Schauen der Natur. Auch in der Yuan-Dynastie zwischen 1280 und 1370 ging es um die Ästhetik und vollkommene Harmonie zwischen den benutzten, dargestellten Elementen. Und über Töpfe und flache Schalen und tabletts hinaus begann man in dieser Zeit, neue höhere Schalenformen zu entwickeln, in denen selbst Miniatur-Flüsse plätscherten.
B: Manche Schalen waren so fein und so wunderschön, dass sie allein schon ein attraktives Kunstwerk waren. Erst zur Ming-Dynastie 1368 bis 1644 gab es die besondere Ausprägung der Literatenform in der Penjing-Gestaltung, vielleicht ein Ausdruck des freien Denkens. Die Schalen wurden stark verziert oder auch mit ganzen Gedichten graviert. Besonders bevorzugt waren damals blühende Penjing.
A: Ja. Die Gärtner haben mit großer Mühe dafür gesorgt, damit die Pflanzen möglichst früh und lang blühen könnten. Natürlich war es schon etwas Besonderes, als man sah, dass ein ganz kleiner Kirschbaum, noch dazu in einem Topf, blüht und Kirschen trägt.
B: In der langen Zeit der Qing-Dynastie verbreiteten sich Penjing dann auch in der Normalbevölkerung als Freizeitgestaltung. Später verbreitete sich die Bonsai-Kunst sogar bis nach Europa. 1862 wurde in London die 1. Bonsai-Weltausstellung veranstaltet, und auf den darauffolgenden Weltausstellungen in den Jahren 1867 in Paris, 1873 in Wien und 1900 wieder in Paris erreichte die Kunst des Bonsai neue Höhepunkte.
A: Heute fasst man in China 3 Gruppen der Gestaltungsvarianten von Penjing zusammen, und zwar Wasser- und- Land- Penjing, Baum- und- Wurzel- Penjing sowie Landschafts- Penjing.
B: Heutzutage sind solche Penjing- Werke mitunter auch Anlageobjekte privater Sammler, die manchmal bei Versteigerungen durchaus astronomische Summen für ein besonders schönes oder seltenes Stück zahlen.
A: Sowohl in Asien, als auch in Europa gibt es heute zahlreiche Bonsai-Fans. Sie pflegen ihr Hobby normalerweise lebenslang und reisen sogar um die ganze Welt, nur um die vielen Spielarten und die Philosophie Penjings zu studieren.
B: Ja, die Beschäftigung mit dem Penjing gilt ihnen als ein großer Schatz in der Familientradition, der oft vom Vater auf den Sohn, vom Sohn auf den Enkel weitervererbt wird, denn Sie meinen, dass Penjing die Verschmelzung von Mensch und Natur darstellt.
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