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F: Die Melodie im Hintergrund stammt von einer freiwilligen Schutzorganisation für Tibetische Antilopen und heißt "Verbranntes Paradies".
M: Mit dem Paradies ist Kekexili in der westchinesischen Provinz Qinghai gemeint, eine atemberaubende Landschaft, und dort leben eigentlich auch die tibetischen Antilopen. Allerdings wird das Paradies wegen der Treibjagd nach den tibetischen Antilopen - wie im Lied besungen - "verbrannt".
F: Eben haben wir darüber erzählt, wie sich das Leben der Menschen verbessert. Andererseits bedeutet ein besseres Leben der Menschen mit mehr Wohlstand und manchmal auch Reichtum leider auch eine wachsende Gefahr für die seltenen tibetischen Antilopen. Sie geraten in Existenznot. Und das ist ein trauriges Thema.
M: Die tibetische Antilope ist eine vom Aussterben bedrohte Tierart, die nur noch auf den Hochebenen in der nordwestchinesischen Provinz Qinghai und in den autonomen Gebieten Tibet und Xinjiang in freier Wildbahn vorkommt.
F: In den vergangenen 20 Jahren kam es zu einer massiven illegalen Jagd auf diese Tiere. Der Grund dafür ist das Fell dieser Tiere, denn aus der Wolle wird feinstes Kaschmir hergestellt, und das bringt auf den Schwarzmärkten in Europa und den USA sehr gutes Geld.
M: Laut Statistik sind allein zwischen 1990 und 1998 jedes Jahr nahezu 20.000 Antilopen von Wilderern erlegt worden. Der derzeitige Bestand wird auf gerade mal noch 75.000 Tiere geschätzt. Wohlgemerkt: Geschätzt.
F: Um nun herauszufinden, was zum Schutz der bedrohten Tierart getan werden kann, haben wir einen Experten für tibetische Antilopen angerufen, nämlich Li Weidong. Und der erzählte uns zunächst einmal eine fromme Lüge, die immer noch durch die Welt geistert:
"In aller Welt wird diese fromme Lüge verbreitet: Im starken Wind auf dem tibetischen Hochplateau verlieren die Antilopen immer wieder ihre Haare. Die armen und gutherzigen Hirten sammeln nun, so die fromme Lüge weiter, diese Haare ein. Und genau das ist absolut Lüge. Das Haar der Tibetantilope, die auch unter dem Namen Tschiru bekannt ist, misst nur Dreiviertel des Durchmessers eines Kaschmir-Wollhaars und ein Fünftel eines menschlichen Haars. Damit zählt es zu den feinsten Haaren der Welt. Nun wechseln die tibetischen Antilopen zwar tatsächlich jedes Jahr ihr Fell, das heißt die Haare fallen nach und nach aus und neue wachsen nach. Nur - diese ausfallenden feinen Haare werden buchstäblich vom Winde verweht. Außerdem - die Tibetantilopen sind scheue Wildtiere. Zu behaupten, jemand könne die ausgefallenen Haare in der freien Natur einsammeln, ist Unfug und eben eine Lüge."
M: Na ja. Die aus den feinen Haaren der Tibetantilope gewebten unvergleichlich feinen Shahtoosh-Schals lassen sich mit Leichtigkeit durch einen Fingerring ziehen. Wie gesagt, die feinen Schals sind richtig teuer, nur wenn sie nicht aus ausgefallenen Haaren der Tibetantilope gemacht werden, muss sich hinter den Schals eine andere Geschichte verbergen.
F: Genau. Die so genannte "Königswolle" wird aus dem Haarkleid der seit 1969 streng geschützten Tibetantilope gesponnen und gilt als das feinste und teuerste Gewebe. Ein daraus gefertigter Luxus-Schal kann bis zu 13.000 Euro kosten - und das Leben von drei bis fünf Tieren, die von Wilderern auf dem Tibetischen Hochplateau in China abgeschossen werden - rund 20 000 Antilopen jährlich.
M: 13.000 Euro, das ist viel Geld, und tatsächlich ist das filigrane Gewebe teurer als Gold. Da lässt die Geldgier Leute zu Wilderern werden...
F: Obwohl die Jagd auf Antilopen und der Handel mit Shahtoosch international verboten sind, werden dennoch immer wieder Kanäle aufgedeckt, über die vor allem Felle und Wolle in den reichen "modebewussten" Westen führen.
M: Handel und Vertrieb sind innerhalb Chinas, Indiens und der EU verboten. Eine Gesetzeslücke besteht allerdings im indischen Staat Jammu und Kashmir, wo aus der Rohwolle die begehrten Schals und Tücher gewebt werden dürfen.
F: Li Weidong sagt, er sei zunächst ursprünglich Biologe und Forscher gewesen und habe sich kaum mit Fragen des konkreten Schutzes der Tibetantilopen beschäftigt. In seiner Vorstellung waren Tibetantilopen seltne und beliebte Tiere, die friedlich auf dem Hochplateau herumliefen. Und wie sah nun seine erste Begegnung mit den Tibetantilopen und ihrem Problem aus? Er sagt:
"Das Amt für Schutz der tibetischen Antilopen hat mich einmal zu einer Inspektion eingeladen. Ich freute mich sehr, dass ich endlich einmal mit eigenen Augen die berühmten tibetischen Antilopen sehen würde. Stattdessen sah ich unterwegs Spuren der Wilderer, und denen sind wir dann gefolgt. Glücklicherweise haben wir die Wilderer stellen können. Weniger Glück hatten die über 900 tibetischen Antilopen, deren Kadaver wir fanden. Ihnen hatte man das Fell über die Ohren gezogen - im Wortsinn. Wie brutal die Wilderer sind! Eine kleine Antilope hatte das Massaker überlebt uns wollte bei seiner toten Mutter Milch trinken, aber da floss keine Milch, da floss Blut. Die Szene ließ einen weinen. In dem Moment beschloss ich, mich mit dem Schutz der Tibetantilopen zu beschäftigen."
F: Es ist unvorstellbar, dass die Wilderer so viele Antilopen getötet haben. Man fragt sich, wo der Tierschutz bleibt. Tatsächlich haben das Umweltamt und seine Angestellten schon viel getan. Es gibt klare gesetzliche Regelungen für den Schutz der Tibetantilopen, und einige Mitarbeiter des Umweltamtes haben ihre Bemühungen zum Schutz der Antilopen vor Ort mit dem Leben bezahlt.
M: Tibetische Antilopen stehen unter dem Schutz der "Convention on International Trade in Endangered Species (CITES)". Die Konvention verbietet jeglichen Handel mit diesen Tieren oder Produkten daraus. Außerdem gelten die tibetischen Antilopen als in höchstem Grade gefährdet also vom Aussterben bedroht sowohl in "China's Wildlife Law", als auch in den "Wildlife Protection Laws of India". Sie sind also strengstens geschützt.
F: Wan Ziming, Vertreter der staatlichen Verwaltung für die Ein- und Ausfuhr der vom Aussterben bedrohten Arten, verwies in diesem Zusammenhang auf den verstärkten Schutz der tibetischen Antilope. Schritt für Schritt soll mit Hilfe von gesetzlichen Verordnungen der Handel und die Jagd auf diese Tiere unterbunden werden. Er sagte:
"1988 hat der Ständige Ausschuss des Nationalen Volkskongresses das Gesetz zum Schutz der Wildtiere verabschiedet, welches ein Jahr später in Kraft trat. Seitdem sind 14 Jahre vergangen. Hinzu kam später eine gesetzliche Vorschrift, die alle im Land lebenden Wildtiere einschließlich der tibetischen Antilopen unter besonderen gesetzlichen Schutz stellt. Weiterhin hat die Regierung der Provinz Qinghai ein Rundschreiben zum Schutz der Antilopen veröffentlicht. Darin konzentriert man sich vor allem auf die Region Kekexili, wo die tibetischen Antilopen noch in größerer Zahl vorkommen."
F: Die chinesische Regierung hat 4 nationale Naturschutzgebiete errichten lassen. Dazu gehören spezielle Schutzmechanismen und Waldpolizisten zum Schutz der Wildtiere, einschließlich der Antilopen. Es geht um den Schutz und die Erhaltung der natürlichen Ökosysteme.
M: Seit Jahren bemüht sich die Waldpolizei darum, in den Lebensräumen der Antilopen gegen die illegale Jagd vorzugehen. Ein Schwerpunkt sind die Vorbeugung und Bekämpfung organisierter Treibjagden auf diese Tiere. Offiziellen Angaben zufolge konnten mittlerweile mehrere illegale Treibjagden in den Naturschutzgebieten vereitelt werden.
F: Allein im Naturschutzgebiet Kekexili haben die 104 Wildhüter und Waldpolizisten seit Anfang 2003 insgesamt 19 Patrouillen organisiert. Insgesamt legten sie dabei 12.000 km zurück.
M: Professionelle Waldpolizisten und Wildhüter allein können dem Problem aber nicht beikommen. Daher versuchten die Verwalter des Naturschutzgebietes in A'erjin, Freiwillige zu rekrutieren.
F: Darüber sagte der Chef des Naturschutzgebietes in A'erjin, Zhang Huibin:
"Wir haben Freiwillige auf verschiedene Art rekrutiert. Einige davon sind Journalisten von Zeitungen, vom Rundfunk und vom Fernsehen. Wir hoffen, dass sie in Wort und Bild über den Schutz der tibetischen Antilopen berichten. Ich will all jenen danken, die zwar nicht direkt am Schutz teilnehmen, aber in ihrem jeweiligen Umfeld dafür viel getan haben. Viele Studenten, Freunde im Internet und andere Leute, denen der Umweltschutz am herzen liegt, machen den Schutz der tibetischen Antilopen zu einem öffentlichen Anliegen, was uns auch sehr geholfen haben. Außerdem wird unsere Arbeit noch von China Exploration & Research Society?CERS?und International Fund for Animal Welfare (IFAW) finanziell unterstützt."
F: Jeder solle etwas für den Schutz der tibetischen Antilopen tun. Als ich noch Studentin war, gab es an der Uni mal eine kleine Veranstaltung, bei der Geld für den Schutz der tibetischen Antilopen gesammelt wurde. Ich habe zwar auch etwas gespendet, aber ich wusste damals wirklich nicht, wie kritisch die Situation ist.
M: Und gefordert sind wir alle. Hände weg also von Antilopenprodukten. Und sollten Sie auf Werbung für "Shahtoosh"-Produkte in Modezeitschriften stoßen, dann schreiben Sie an die Redaktion und beschweren sich. Hartmut Lüning und Chen Yan bedanken sich bei Ihnen auch im Namen der tibetischen Antilopen.
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