Geboren wurde Lu Hai in einer wohlhabenden Familie in Qingdao. Während Qingdao Ende des 20. Jahrhunderts deutsche Kolonie war, war der Vater von Lu Hai Manager des Qingdao'er Internationalen Klubs, ein Treffpunkt für Menschen aus der so genannten Oberklasse.
Dank einer guten Ausbildung hat Lu Hai einen Geschmack für Literatur entwickeln können. Schon als Jugendlicher veröffentlichte er Artikel in Zeitungen und Zeitschriften.
"Im Jahr 1946, als ich 14 Jahre alt war, veröffentlichten Zeitungen Artikel von mir. Das 15. Lebensjahr war für mich sehr wichtig, denn die Zeitung „Shen Bao" druckte einen meiner Essays ab. Diese Zeitung veröffentlichte in den 1930er Jahren auch Artikel des großen Schriftstellers Lu Xun. Ich konnte mir kaum vorstellen, dass Artikel von mir einmal am selben Ort veröffentlicht werden konnten."
"Shen Bao", die auf Englisch auch unter dem Namen "Shanghaier Nachrichten" bekannt ist, war eine der ersten modernen chinesischen Zeitungen. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts spielte sie eine wichtige Rolle in der öffentlichen Meinungsbildung.
Doch sein Interesse an der Geschichte und den Prominenten der Stadt Qingdao hat Lu Hai eher durch Zufall entdeckt: "1945 gab es in Beijing eine Zeitschrift namens 'China Weekly'. Eine ihrer Rubriken hieß 'Schriftsteller aus Qingdao'. Obwohl ich ein Qingdao'er bin, war ich total überrascht, dass so viele Schriftsteller in Qingdao gelebt haben".
Seitdem hat Lu damit begonnen, die Geschichte der bekannten Schriftsteller Qingdaos zu erforschen.
Unternimmt man einen Spaziergang durch die Altstadt, so entdeckt man dutzende ehemalige Wohnsitze von Berühmtheiten. Die Häuser waren Augenzeugen historischer Perioden, auf die die Qingdao'er bis heute stolz sind.
Seit Gründung der Nationalen Universität Qingdao im Jahre 1929 hat eine Reihe namhafte Gelehrter in Qingdao gelebt. Diese Periode wird als goldene Zeit für die kulturelle Entwicklung der Stadt betrachtet. Lu Hai hofft, die früheren Wohnsitze dieser Gelehrten ausfindig machen zu können, damit ihr Ruhm einer größeren Öffentlichkeit bekannt gemacht werden kann.
Der alte Wohnsitz von Lao She, einem der bedeutendsten Autoren der chinesischen Literatur des 20. Jahrhunderts, ist heute ein Museum in Qingdao. Lao Shes Nachkommen betrachten seinen Aufenthalt in Qingdao als einen entscheidenden Zeitabschnitt in seiner Entwicklung als Schriftsteller, denn dort entschied sich Lao She dafür, sein Leben ganz der Schriftstellerei zu widmen.
Seit 1945 hat Lu Hai den größten Teil seines Lebens dem Schutz von ehemaligen Wohnstätten historisch bekannter Persönlichkeiten zu widmen. Er besucht regelmäßig die historischen Stätten und macht der lokalen Verwaltung Vorschläge, wie man die historischen Bauten besser erhalten kann.
Aus Liebe zu seiner Heimatstadt hat Lu Hai schon 28 Bücher über Qingdao geschrieben. Doch jetzt, im hohen Alter, fällt es ihm zunehmend schwerer, die Kultur und Geschichte der Stadt weiter zu erforschen. Dass junge Menschen einmal in seine Fußstapfen treten werden, ist seine Hoffnung.
"Ich denke, dass jede Stadt ihren eigenen Wert hat. Es hängt davon ab, ob man ihn finden möchte oder nicht. Viele Menschen denken, dass ich viel über Qingdao weiß. In Wirklichkeit weiß ich nicht besonders viel über die Stadt. Jetzt hoffe ich, dass junge Leute diejenigen Dinge über die Stadt herausfinden können, die ich noch nicht weiß."