Ein Diktatwettbewerb im chinesischen Fernsehen hat viele Chinesen aufgeschreckt: Die meisten Teilnehmer treten voller Selbstbewusstsein vor die Kamera, finden sich aber nach einigen Minuten in größter Verlegenheit wieder: Sie scheitern beim Schreiben alltäglicher chinesischer Schriftzeichen (Hanzi) wie „Laihame", dem chinesischen Wort für „Kröte".
Diese Peinlichkeit erleben viele Chinesen, vor allem Jugendliche, fast täglich. Sie schreiben heute zusehends mit Tastatur oder auf dem Smartphone, anstatt mit herkömmlichen Pinseln oder Stiften. Das führt dazu, dass viele von ihnen vergessen, wie die Schriftzeichen der eigenen Muttersprache richtig geschrieben werden. Denn mit den heute populären chinesischen Tastaturen für PCs und auch auf Smartphones und Tablets tippt man per „Pinyin" ein. „Pinyin" ist ein phonetisches System, mit dem man Chinesisch schreiben kann, indem man Buchstaben des römischen Alphabets eintippt. Weiß man die Aussprache, kann man ein Wort eingeben, ohne dessen Form im Kopf zu haben. Diese intelligenten Eingabemethoden machen das digitale Schreiben sauberer und bequemer. „Die Kehrseite ist, dass die meisten die Geschichte und die Kultur der einzelnen Schriftzeichen nicht mehr verstehen", sagt Professor Zhang Yiwu von der Peking Universität.
Bei einer Umfrage der „China Youth Daily" gaben 98,9 Prozent der Befragten an, schon mal die richtige Schreibweise eines alltäglichen Schriftzeichens vergessen zu haben. Nur 38 Prozent der Befragten sagten, dass sie regelmäßig mit der Hand schreiben.
Die hohen Einschaltquoten der Diktatsendungen im chinesischen Fernsehen beweisen jedoch, dass die Zuschauer immer noch großes Interesse am Schreiben haben. „Wir haben unser gemeinsames Kultur-Gen trotz des Computer-Zeitalters noch nicht verloren", sagte Kommunikationsforscher Wen Shijun.