Boris Becker ? Michael Schumacher ? Bastian Schweinsteiger? Nein! Der wohl mit Abstand bekannteste und beliebteste deutsche Sportler in China ist Timo Boll. Der Ausnahme-Tischtennisprofi ist einer der wenigen Nicht-Chinesen der den Spielern aus dem Reich der Mitte Paroli bieten kann. Dafür und für seine authentische Art respektiert man ihn hier sehr.
Die Nachwuchskräfte des chinesischen Volkssports haben dennoch andere Vorbilder – Ma Long, Xu Xin oder Wang Hao, aktuell Nummer 1, 2 und 3 der Welt. Millionen Jugendliche in China spielen Tischtennis und die Allerbesten werden in einem der 16 Nationalen Leistungszentren gefördert. Die älteste dieser Kaderschmieden liegt im Kreis Zhengding der Provinzhauptstadt Shijiazhuang. Rund 160 Talente zwischen sechs und 20 Jahren werden hier ausgebildet.
In der Haupttrainigshalle der Anlage reiht sich eine Tischtennisplatte an die andere und nicht eine einzige bleibt leer. Dutzende Schläger schnippeln und schmettern unaufhörlich auf die rund vier Zentimeter kleinen Bälle ein. Zwar wird hier nur trainiert, und doch schallen immer wieder ein Fluchen oder auch recht martialische Anfeuerungsrufe durch die Halle. Kein Wunder, denn nur die Fleißigsten schaffen es bis nach ganz oben – in die chinesische Nationalmannschaft. Für die große Mehrheit bleibt nur das „normale" Leben ohne Ruhm. Zur Motivation wird auf der Hallenwand mit fetten Lettern in Chinesisch, Englisch und Latein (!) daran erinnert, worum es geht: Citius, altius, forties - schneller, höher, starker!
Mehr als 30 Weltmeister/innen hat der Leistungsstützpunkt Zhengding schon hervorgebracht. Der moderne Komplex hat vier Tennisplätze, drei Krafträume, eine Leichtathletikanlage, Sauna, Mensa, eine riesige Wohnanlage und, und, und… Um die Vormacht in der Tischtenniswelt zu verteidigen, wird hier an nichts gespart.
Doch nicht nur chinesische Rohdiamanten werden hier geschliffen. Jedes Jahr von Juni bis September können Talente aus aller Welt an Trainingscamps teilnehmen. Aktuell ist eine Gruppe aus Bahrain in Zhengding sowie auch der 17-jährige Claus Schou-Nielsen aus Dänemark. Claus, bereits Mitglied der dänischen Nationalmannschaft ist begeistert von den Möglichkeiten in Zhengding: „Das Trainingsystem hier ist viel härter und es gibt so viele gute Sparringspartner von denen ich lernen kann", sagt der junge Däne, der hier vier Wochen lang wie alle anderen bis zu acht Stunden am Tag alles gibt.
Timo Boll war in diesem Jahr übrigens auch schon in Zhengding zur Wettkampfvorbereitung. Wer weiß, vielleicht wird Claus Schou-Nielsen ja sein Nachfolger auf der internationalen Tischtennis-Bühne. Das Training mit den Top-Talenten Chinas ist auf jeden Fall eine gute Basis für eine erfolgreiche Karriere.