20130526-3
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Reinhold Bocklet, Vizepräsident des Bayerischen Landtags, hat vor kurzem in Beijing einen aufschlussreichen Vortrag über die europäische Verschuldung gehalten. Dabei hat er die Ursache der Krise beziehungsweise die Probleme der Europäischen Union seit ihrer Gründung sowie die Zukunft der EU genau erörtert. XY berichtet:
Spr. Ursächlich für die Krise im Euro-Raum ist laut dem Vizepräsidenten des bayerischen Landtags, Reinhold Bocklet die exzessive Verschuldungspolitik in einigen Euro-Staaten und die anhaltende Missachtung des Stabilitäts- und Wachstumspakts. Die Einführung des Euro ermöglichte den sogenannten Peripheriestaaten – beispielsweise Griechenland, Portugal, Spanien – mit der deutlichen Zinsverbilligung sich massiv zu verschulden. Sie hätten nicht einmal versucht, ihre strukturellen Wettbewerbsnachteile zu überwinden, betont Bocklet. Auch deswegen ist deutsches Kapital überdurchschnittlich stark in die Peripheriestaaten abgeflossen, was zur Folge hatte, dass die Gelder für eigene Investitionen fehlten. Daher musste die Bundesrepublik in der ersten Hälfte des letzten Jahrzehntes auch massive Staatsanleihen emittieren und hat die Kriterien des Stabilitäts- und Wachstumspakts verletzt. Eindeutige Sanktionsmaßnahmen würden bisher fehlen.
Was die Beiträge Chinas zur Bewältigung der Krise betrifft, so äußerte Bocklet die Hoffnung auf eine weitere Öffnung des inländischen Markts:
„Ganz sicher glauben wir, dass China einen positiven Beitrag zur Bewältigung der Verschuldungskrise leisten kann, indem es seine Märkte öffnet und die Möglichkeit auch gerade den Peripherieländern, also den Süd-Ländern gibt, ihre Waren abzusetzen. Und China hat ja auch schon dazu Beitrag geleistet, beispielsweise Griechenland speziell zu helfen. China kann durch solche Investitionen diesen Volkswirtschaften, die Probleme haben, helfen."
Einige Ratingagenturen hätten, so Bocklet weiter, die europäische Krise ganz am Anfang auch erheblich verschärft. Sie haben schnell die Bonität der Schuldnerländer herabgesetzt und andere Länder frühzeitig vor Investitionen in der EU gewarnt. Bezüglich der engen Kooperationen richtete Bocklet einen Appell an die chinesische Regierung, die Interessen der in China tätigen deutschen Unternehmen gesetzlich besser zu garantieren:
„Natürlich gibt es vielfältige Kooperationen zwischen bayrischen und chinesischen Unternehmen. Ich meine, China ist der wichtigste Absatzmarkt für bayrische Produkte, und auch für Kooperationen zwischen den Firmen. Da ist das Wichtigste Rechtssicherheit, gerade in China. Weil viele Mittelständler Angst haben davor, in Rechtstreitigkeiten in China zu unterliegen. Da sind sie darauf angewiesen, dass China eine gut funktionierende Justiz hat, vertrauenswürdig, berechenbare Justiz hat, damit man nicht Prozesse über Jahre führen muss und keine Sicherheit hat. Da gibt es die Frage des Eigentumsschutzes, den Investitionsschutz und eben auch die Gerichtsbarkeit, in der man eine faire Chance für eigene Interessen hat."
Neben dem Stabilitäts- und Wachstumspakt ist die Europäische Zentralbank (EZB) ein anderer Eckpfeiler der Europäischen Währungsunion. Sie ist unabhängig auf die Währungsstabilität verpflichtet und verfolgt den Grundsatz, Schulden der Mitgliedsländer nicht zu übernehmen. Um der Krise zu begegnen, hat die EZB ihr Prinzip geändert und wird Anleihen der Schuldnerländer kaufen. Tatsächlich hat Deutschland bisher Staatsanleihen im Wert von 600 Milliarden Euro durch die EZB gekauft. Für die Zukunft der EU zeigt sich Bocklet trotz aller gegenwärtigen Schwierigkeiten im Allgemeinen noch optimistisch:
„Wenn Sie mich fragen, ob es wieder Krisen gibt: Die Geschichte der Europäischen Union ist eine Geschichte der Krisen und ihrer Bewältigung. Da bin ich eigentlich nicht sehr pessimistisch."
Der Ausbruch der Krise und die öffentlichen Debatten über die Wege zu derer Bewältigung haben erheblich zur Herausbildung einer europäischen Öffentlichkeit beigetragen. Das werde alle Mitgliedsstaaten dazu bewegen, die strukturellen und politischen Mängel der Eurozone und EU zu entdecken und den Prozess der Europäisierung wieder auf den richtigen Weg zu bringen, ergänzt Bocklet zuversichtlich. Ausschlaggebend für die künftige Entwicklung der EU seien die Koordination der Währungspolitiken, die Kontrolle der Staatsanleihen und die Regelung der Sanktionsmaßnahmen. Wie Bocklet abschließend erwähnt, würde außerdem die Einführung einer staatlichen Insolvenzordnung im Euro-Raum eine Rolle spielen.