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Bauernhöfe in China und in der Schweiz – ein kurzer Vergleich
  2013-05-24 14:10:17  cri

 

2013 hat die chinesische Zentralregierung das Dokument Nr. 1 erlassen, um die Entwicklung der modernen Landwirtschaft und den Aufschwung in den ländlichen Gebieten zu beschleunigen. So ist unter anderem vorgesehen, landwirtschaftliche Nutzflächen vermehrt an spezialisierte Bauernhaushalte, Bauernhöfe und landwirtschaftlichen Genossenschafen zu verpachten. Zum ersten Mal taucht in einem chinesischen Agrardokument der westliche Begriff „Bauernhof" auf. Damit ist ein wichtiges Signal für die künftige Entwicklung der chinesischen Landwirtschaft gegeben worden. Dazu jetzt mehr:

Unter einem Bauernhof versteht man einen landwirtschaftlichen Familienbetrieb, in dem vorwiegend die Mitglieder einer Besitzerfamilie praktische Tätigkeiten ausführen. In den letzten Jahren haben einige chinesische Provinzen und Regierungsunmittelbare Städte wie Shanghai, Hubei, Jilin, Zhejiang und Anhui aktiv die Entwicklung von Bauernhöfen gefördert. Statistiken zufolge gibt es inzwischen knapp 6.700 Bauernhöfe in 33 vom chinesischen Landwirtschaftsministerium festgelegten Probezonen für neue Formen der Bodenverpachtung und -nutzung.

Shen Zhouliang und seine Frau gehören zu den ersten, die im Dorf Jinjiacun im Shanghaier Vorortbezirk Songjiang einen Bauernhof betrieben. Sie bewirtschaften rund neun Hektar Vertragsfelder und verdienen damit jährlich knapp 200.000 Yuan RMB, umgerechnet 25.400 Euro also. Das sichert ihnen ein sehr auskömmliches Leben:

„Ich habe mir eine Wohnung im 17. Stock eines Hochhauses leisten können. Mein Lebensstandard ist jetzt wie der eines Büroangestellten."

Vor der Einführung der Bauernhöfe bearbeitete ein Bauernhaushalt in Songjiang durchschnittlich 0.2 bis 0.3 Hektar große Felder. Das Einkommen pro Jahr lag bei nicht einmal 10.000 Yuan RMB, 1.270 Euro also.

Der Bauernsohn Shen Honglong hatte studiert und nach seinem Abschluss zunächst bei Joint-Venture- und Staatsbetrieben gearbeitet. Nun hat er weitere Prüfungen bestanden und damit das Zertifikat erhalten, einen Bauernhof zu betreiben. Er hat sich biologischen Anbau spezialisiert.

„Sobald unsere Produkte als Qualitätsprodukte, also als grün und umweltfreundlich eingetragen werden, brauchen wir uns um den Absatz nicht mehr zu sorgen."

Da sich Bauern und Landwirte als Hauptbetreiber der Bauernhöfe hochgradig mit „ihrem" Boden verbunden fühlen, schätzen sie ihre Lebensweise auf dem Lande. Sie schonen den Boden, die Umgebung, die Umwelt. Gerade dies sei einer der wichtigen Vorteile der Bauernhöfe, erklärt uns Prof. Du Zhixiong, Vize-Direktor des Forschungsinstituts für die Entwicklung ländlicher Gebiete bei der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften:

„Ich halte die Bauernhöfe für die hauptsächliche landwirtschaftliche Bewirtschaftungsform in der Zukunft in China. Bauernhöfe verkörpern das Prinzip eines landwirtschaftlichen Familienbetriebs, das international populär ist und dem grundlegenden Gesetz der Ökonomie entspricht. Zugleich haben Bauernhöfe im Vergleich zu kleinen Bauernhaushalten ein gewisses Ausmaß. Ihre Produktion ist marktorientiert. Wenn kleine Bauernhaushalte im Prozess der Urbanisierung in die Städte ziehen und die Anbaufelder den Bauernhofbesitzern überlassen, können sich so auch gesellschaftliche Widersprüche lindern lassen. Damit kann eine stabile landwirtschaftliche Produktion und eine sichere Getreideversorgung gewährleistet werden."

Im Vergleich zu den modernen Bauernhöfen in Europa und den USA steckt die Entwicklung der chinesischen Bauernhöfe jedoch noch in den Kinderschuhen. Unser Schweizer Kollege Simon Gisler war einige Male auf Schweizer Bauernhöfen und auch schon oft unterwegs in Chinas ländlichen Gebieten gewesen. Er erzählt über seine Eindrücke:

„Wenn ich in der Schweiz zu Gast bei einer Bauernfamilie bin, dann weiß ich sofort, das ist eine Bauernfamilie, weil die haben eine Scheune, und meistens direkt neben der Scheune ihr Wohnhaus. Das heißt, man sieht einen Bauernhof schon von Weitem, das ist ein großes markantes und vielfach ein hölzernes Gebäude. Bei Bauern in China habe ich diesen Eindruck nicht. Irgendwo bin ich zu Gast bei einer Familie, die haben ein kleines bescheidenes Haus, das fast überall weißgestrichen ist und so eine Art viereckiger Bau ist ohne schräges Dach. Also für mich hat ein Bauernhof in der Schweiz etwas mit Nostalgie zu tun. Das selbe gilt für einen Bauernhof in Deutschland oder für einen Bauernhof in Österreich. Das sind meistens sehr schön gepflegte Häuser, die wunderschön in die Landschaft hineingebaut und auch mit Blumen geschmückt sind, und mit Holzschnitzerein. "

Während das Leben des Schweizer Bauern so idyllisch zu sein scheint und die Bauernhöfe Nostalgie erwecken, können sich derzeit viele chinesische Bauern bei weitem nicht zufrieden fühlen. Sie strömen in die Städte auf der Suche nach einem besser verdienten Lebensunterhalt. Noch mal Simon Gisler:

„In China gibt es Millionen von Bauern, die aus ihrem Schicksal entfliehen wollen, die es in die Städte zieht, auf der Suche nach einer besseren Arbeit. Das heißt, das Einkommen als Bauer ist nicht gut genug, um sich ein gutes Leben leisten zu können. In der Schweiz ist dies meiner Meinung nach oder meinem Wissens zufolge so nicht der Fall. Die Bauern ziehen nicht zu Tausenden in die Städte auf der Suche nach Arbeit."

Wie man fortschreitende Urbanisierung und Globalisierung mit der Entwicklung auf dem Lande in Einklang bringen kann, ist auch für Industrieländer wie die Schweiz ein Problem, erläutert uns der Schweizer Botschafter in China, Jacques de Watteville:

„Die Entwicklung zeigt, dass die Bevölkerung, die auf dem Land arbeitet, sich ja Tag um Tag verringert. Aber wir sind jetzt auf einem ziemlich niedrigen Niveau, mit nur vier Prozent der Gesamtbevölkerung. Die Tendenz ist, dass es weniger und weniger Bauer gibt. Im Jahr 2010 waren 225.000 Menschen in der Landschaft tätig. 2011 sank die Zahl auf 174.000."

Prof. Du Zhixiong weist ebenfalls darauf hin, dass es in China wie auch in europäischen Ländern wie der Schweiz, Deutschland oder Frankreich immer weniger Landwirte gibt. Der Trend sei zwar ähnlich, aber die Hintergründe doch unterschiedlich, so Prof. Du:

„Das Ausmaß der Bewirtschaftung der Bauernhaushalte in China ist meistens sehr klein. Zudem sehen sie andere Berufschancen infolge der Urbanisierung. In Sachen Urbanisierung läuft China mit einem Landesdurchschnitt von nur rund 52 Prozent den entwickelten Ländern wie der Schweiz weit hinterher."

Laut Angaben der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD kommen 75 Prozent der Einnahmen der Schweizer Landwirte aus finanziellen Fördermaßnahmen der Regierung. Ihr Ziel sei es, den Anteil der landwirtschaftlichen Produktion an der gesamten Wirtschaft zu halten, erzählt der Schweizer Botschafter Jacques de Watteville:

„Das ist von Interesse für die Gemeinschaft. Die Leute in Städten profitieren von der Arbeit der Bauern. Die Qualität der Umwelt, der Nahrungsmittel und unsere Lebensqualität hängen von der Qualität unserer Bauern und des Landwirtschaftssystems ab. Und in dieser Hinsicht bekommen die Bauern auch eine finanzielle Unterstützung vom Staat."

Während Schweizer Öffentlichkeit darüber diskutiert, ob die Landwirte zu hohe Subventionen erhalten, denkt man in China auch über eine eventuelle Steigerung der Subventionen nach. Prof. Du äußert seine Ansicht:

„Mit so hohen Subventionen wie in der Schweiz geht es in China nicht. Einerseits können zu hohe Subventionen die Landwirtschaft konkurrenzunfähig machen. Andererseits hat China eine riesengroße Bevölkerung, die allein durch Getreideimporte nicht ernährt werden kann. Auch wenn China den Willen für hohe Landwirtschaftssubventionen hat, ist das Land nicht dazu fähig. Dazu kommt noch der Grenzwert der Subventionen nach den WTO-Regeln für Chinas Status als Entwicklungsland, wonach die gesamten landwirtschaftlichen Subventionen nicht mehr als 8,5 Prozent der Bruttolandwirtschaftsproduktion ausmachen sollen. Und selbst dieser Grenze nähern wir uns jetzt mit sechs Prozent schon langsam."

Laut Meldungen werden künftig Bauernhöfe und spezialisierte Landwirte als Hauptstützen der chinesischen Landwirtschaft gefördert werden. Für deren Entwicklung sollen soziale Dienstleistungen Garantien liefern, was auch durch internationale Erfahrungen gestützt wird. Obwohl chinesische Bauernhöfe noch einen großen Abstand zu den in Europa und den USA haben, werden sich wohl bald mehr und mehr chinesische Bauern ihren Traum erfüllen können - so wie es Shen Zhouliang und Shen Honglong schon getan haben.

Übersetzt von Qiu Jing   

Gesprochen von Qiu Jing  

Forum Meinungen
• mengyingbo schrieb "Leben in Changshu"
seit etwas über einer Woche ist nun Changshu 常熟 in der Provinz Jiangsu 江苏 meine neue Heimat - zumindest erstmal für rund 2 Jahre.Changshu (übersetzt etwa: Stadt der langen Ernte) liegt ungefähr 100 km westlich von Shanghai und hat rund 2 Millionen Einwohner, ist also nur eine mittelgroße Stadt.Es gibt hier einen ca. 200m hohen Berg, den Yushan 虞山 und einen See, den Shanghu 尚湖...
• Ralf63 schrieb "Korea"
Eine schöne Analyse ist das, die Volker20 uns hier vorgestellt hat. Irgendwie habe ich nicht genügend Kenntnisse der Details, um da noch mehr zum Thema beitragen zu können. Hier aber noch einige Punkte, welche mir wichtig erscheinen:Ein riesiges Problem ist die Stationierung von Soldaten der USA-Armee in Südkorea...
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