Während Graffiti und Streetart vor über 50 Jahren in den Straßen der New Yorker Bronx groß wurden, sind sie in China ein relativ neues Phänomen. In den 1990er Jahren begannen die ersten leidenschaftlichen Sprayer, sich mit ihren farbenfrohen Werken in Chinas Städten zu verewigen. Ausgehend von Hongkong verbreitete sich das Graffiti-Sprühen schnell über die Metropolen Shenzhen und Guangzhou Richtung Beijing. Von einem Massenphänomen kann bislang jedoch keine Rede sein. Anders als im Westen, hat sich ein kleiner Kreis von jungen Kunstbegeisterten dem Graffiti-Malen in der chinesischen Hauptstadt angenommen. Auch ihre Werke sind bunt, schrill und polarisierend. Doch stehen bei ihnen ästhetische und kreative Aspekte im Vordergrund, weniger die rebellischen und provokatorischen Botschaften der westlichen Graffiti-Szene. Seit einiger Zeit finden sich auch verstärkt Motive klassischer chinesischer Malerei und Kalligrafie-Elemente in den modernen Bildern wieder. Damit bekommen Chinas Graffiti nach und nach ein eigenes Gesicht. „Unser Ziel ist es, die internationale Graffiti-Szene künftig um einen chinesischen Stil zu bereichern", erklärt Graffiti-Sprayer Ye Shu. Er gehört ABS an, einer landesweit bekannten Streetart-Gruppe, bestehend aus vier jungen Künstlern. 2011 belegte die Truppe bei den „Wall Lords", dem größten Graffiti-Wettbewerb Asiens, den ersten Platz. Doch das Vierergespann hat sich nicht nur mit seinen Bildern einen Namen gemacht. 2012 eröffnete ABS einen Graffiti-Zubehör-Laden in Beijing. Es ist der Erste seiner Art in China. Die Graffiti-Kultur, scheint sich also im Land zu festigen. Dies hat am Rande auch mit der Toleranz der Stadtverwaltungen zu tun. Zwar macht sich auch in China jeder strafbar, der an nicht genehmigten Wänden sprüht. Doch die Strafen haben eher einen symbolischen Charakter.