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Bumerang-Kinder
  2013-04-02 09:15:21  cri
Sicher, wenn das Einzelkind ausgeflogen ist, ist es einsam im familiären Nest. Aber was, wenn das erwachsene Kind plötzlich wieder auftaucht mit der Bitte „ein paar Wochen zu bleiben" – oder auch ein paar Jahre – nachdem es seine Ausbildung abgeschlossen hat und eigentlich selbständig leben sollte?

Mit genau dieser Situation sehen sich viele chinesische Eltern in einer Zeit konfrontiert, da hohe Mieten und Wohnungspreise und die Nachwirkungen der globalen Finanzkrise viele erwachsene Kinder wie einen Bumerang nach Hause in die – auch finanzielle - Obhut ihrer Eltern zurückkehren lassen.

Der 58-jährige Feng Zhaoxun ist so ein Familienvater, der arbeiten muss, um sich und seine Familie zu ernähren, während sein 26-jähriger Sohn als Arbeitsloser nichts verdient.

„Ich kann ihn nicht motivieren. An den meisten Tagen bleibt er in seinem Zimmer, surft im Internet oder spielt Computerspiele. Er bemüht sich nicht einmal, eine Arbeit zu finden, sondern sagte nur, dass die aktuelle Lage auf dem Arbeitsmarkt schlecht ist. Ich denke, dass heute viele junge Leute einfach kein Verantwortungsbewusstsein mehr haben, geschweige denn Überlebensfähigkeiten."

Dem Vater zufolge haben viele Verwandte Arbeitsgelegenheiten für seinen Sohn arrangiert, doch Kai war mit allem unzufrieden: Mal war der Lohn zu niedrig, mal war der Job nicht in einer namhaften Firma, und überhaupt seien ihm die Jobs nicht viel versprechend genug gewesen.

Aber es sind nicht nur die Arbeitslosen, die ihren Eltern auf der Tasche liegen. Viele berufstätige Absolventen finden nämlich auch, dass sie immer noch zusätzlich unterstützt werden müssen.

Xiao Li, 23, arbeitet bei einer Schallplattenfirma in Beijing. Sie sagt, dass sie einen monatlichen „doppelten Lohn" bekommt, der aus 2.500 Yuan von ihrem Arbeitgeber und weiteren 1.000 Yuan von ihren Eltern besteht.

„An dem Tag, als ich die Hochschule absolviert hatte, habe ich mich entschieden, nie wieder Geld von meinen Eltern zu verlangen. Aber die Tatsachen entwickelten sich wider meinen Willen. Als frisch Graduierte kann ich die Kosten für Miete, täglichen Arbeitsweg und Bekleidung überhaupt nicht aus meinem dürftigen Einkommen decken. Um ein anständiges Leben in einer Stadt wie Beijing zu führen, habe ich keine andere Wahl, als meine Eltern um Hilfe zu bitten."

Der jung verheiratete IT-Ingenieur Xiao Chen hat gerade eine neue Wohnung in einem Beijinger Vorort gekauft. Trotz seines sicheren Arbeitsplatzes mit einem relativ guten Gehalt haben ihn die steigenden Wohnungspreise in Beijing gezwungen, sich an seine Eltern zu wenden. Die pensionierten Eltern nutzten ihr Erspartes, um ihm bei der Anzahlung zu helfen. Xiao Chen sagt, er sei nicht der einzige, der sich an die Eltern um Hilfe wende, wenn es zum Wohnungskauf komme.

„Ich würde zu gerne meine Wohnung und ein Auto mit meinem eigenen Geld kaufen, aber angesichts der ungeheuer wachsenden Wohnungspreise heute ist das unmöglich. Aber eines steht fest: ich werde meinen Eltern das Geld zurückgeben, sobald es meine finanziellen Möglichkeiten erlauben, obwohl sie das nie verlangt haben."

Infolge der Ein-Kind-Politik, die seit den späten 1970er Jahren in China praktiziert wird, haben die meisten chinesischen Eltern in der Stadt heute nur ein Kind. Deshalb setzen sie alles daran, um ihrem geliebten Nachwuchs alles zu geben, was sie sich leisten können, immer in der Hoffnung auf eine goldene Zukunft für den Prinzen oder die Prinzessin.

Diese Mutter mit dem Familiennamen Fu dürfte beispielhaft sein für so fürsorgliche Eltern. Sie sagt, dass es heutzutage für junge Leute nicht leicht sei, anzufangen. Die Eltern müssten ihren Kindern tatsächlich auf die Beine helfen:

„Keine Eltern wollen sehen, dass ihre Kinder schlecht leben. Ich sehe es als meine Pflicht, meiner Tochter eine hilfreiche Hand zu bieten, wann immer sie sie braucht. Ich bin mir sicher, dass meine Tochter allmählich unabhängiger werden und selbständig leben wird".

Professor Mao Shoulong von der Renmin-Universität Beijing sieht eine ganze Reihe von Gründen für das zunehmende „Bumerang"-Phänomen insbesondere in den chinesischen Städten:

„Erstens wachsen die heutigen jungen Leute in einer relativ wohlhabenden Gesellschaft auf. Das einzige Kind in der Familie wird oft ‚kleiner Kaiser' genannt. Diese kleinen Kaiser sind so an einen verschwenderischen Lebensstil und Überkonsum gewöhnt, dass sie, sobald sie ihre Hochschule absolviert haben, sehr schnell merken, dass sie alleine mit ihrem Gehalt ihren gewohnten Lebensstil nicht aufrechterhalten können. Darum werden sie sich natürlich an ihre Eltern um Hilfe wenden. Zweitens beeinflussen die ungünstigen globalen ökonomischen Umstände auch Chinas Arbeitsmarkt. Die jungen Leute finden, dass der Arbeitsmarkt hier in China immer erbarmungsloser wird und dass ihr Einkommen schrumpft."

Aber Wan Feng, eine berühmte Persönlichkeit in der Medienbranche, vertritt die Ansicht, dass die Arbeitssituation keine Ausrede dafür sei, von der Familie zu leben. Er meint, die Toleranz der Eltern begünstige das „Bumerang-Phänomen":

„Als Eltern beschäftigen wir uns ständig mit der Frage, was es bedeutet, unseren Kindern das 'Beste' zu geben. Es sollte eine Balance geben zwischen dem, was sie heute glücklich machen kann, und dem, was ihnen helfen kann, später verantwortungsvolle, unabhängige Erwachsene zu werden. Würde man sie immer weiter als „Kind" behandeln, dann könnte sie das an einer wirklichen Reifung hindern. Sie müssen selbständig sein können, wenn es für sie an der Zeit ist, selbständig zu sein."

Und Wan fügt hinzu, dass die heutigen jungen Erwachsenen mit den Füßen auf dem Boden bleiben sollten, wenn es um die Arbeitssuche geht:

„Auf diesem Arbeitsmarkt sollten die Graduierten alles annehmen, was sie bekommen können. Selbst eine unbefriedigende Arbeit ist besser, als gar keine und nur zu Hause die Zeit zu verschwenden. Es ist nichts Falsches daran, klein anzufangen."

Der Experte meint, Bumerang-Kinder könnten ihren Eltern zwar etwas Freude bringen, indem sie ihnen Gesellschaft leisten. Aber die Eltern würden viel mehr opfern: Geld, Zeit, Arbeit und manchmal selbst ihre Gesundheit. Die dauernde Anwesenheit sei für manche Eltern sogar eine unerwünschte Belastung, wenn sich Kinder an ihre Eltern klammern, nur weil sie vor der Konkurrenz fliehen.

Während dieses Thema immer mehr seinen Tribut von den älteren Bürgern fordert, suchen Fachleute nach Vorschlägen, um das Problem zu lösen:

Jing Tiankui, Mitglied der Politischen Konsultativkonferenz des Chinesischen Volkes, des höchsten Beratungsorgans in China, hat vorgeschlagen, den „Kenlaozu" die soziale Fürsorge zu entziehen.

So machen die 2011 in der Provinz Jiangsu erlassenen Gesetze zum Schutz der Rechte von Senioren strenge Auflagen für den Schutz dieser Rechte, einschließlich der Verweigerung von Forderungen eines finanziell unabhängigen erwachsenen Kindes nach finanzieller Hilfe.

Yu Jing, eine Rechtsanwältin, sagt, das möge streng und wenig praktikabel erscheinen, aber die Gesetzgebung sei ein Ausweg:

„Die ideale Lösung dieses Problems liegt in der gemeinsamen Bemühung vieler Seiten: faire Chancen für persönliche Entwicklung, erschwinglicher Lebensunterhalt, ein gestärktes Bewusstsein zur Pflege der alten Leute und bessere Gesetze."

Mod: Aber die Situation scheint nicht auf China beschränkt zu sein. Auch in vielen anderen Teilen der Welt kommen erwachsene Kinder, auch „Bumerang-Kinder" genannt, zunehmend zurück nach Hause und hoffen allzu häufig auf freie Entfaltung auf Kosten ihrer Eltern.

In einer neuen Studie des Pew Research Center, einer amerikanischen Expertenkommission mit Sitz in Washington DC, berichten 29 Prozent und damit gut drei von zehn Elternpaaren erwachsener Kinder, dass die Wirtschaft ihre Kinder in den letzten Jahren zurück zu ihnen gezwungen hat.

Zusätzliche Probleme ergeben sich, wenn sich die Eltern beim Versuch, ihren nach Hause zurückgekehrten erwachsenen Kindern zu helfen, finanziell übernehmen. Insbesondere in einer Situation, in der sie ihre eigenen Alterseinkünfte abpolstern sollten, um etwa steigenden Krankenkassenkosten und anderen Bedürfnissen im Alter begegnen zu können.

Übersetzt von: Yu Meihui

Gesprochen von: Yu Meihui 

Forum Meinungen
• mengyingbo schrieb "Leben in Changshu"
seit etwas über einer Woche ist nun Changshu 常熟 in der Provinz Jiangsu 江苏 meine neue Heimat - zumindest erstmal für rund 2 Jahre.Changshu (übersetzt etwa: Stadt der langen Ernte) liegt ungefähr 100 km westlich von Shanghai und hat rund 2 Millionen Einwohner, ist also nur eine mittelgroße Stadt.Es gibt hier einen ca. 200m hohen Berg, den Yushan 虞山 und einen See, den Shanghu 尚湖...
• Ralf63 schrieb "Korea"
Eine schöne Analyse ist das, die Volker20 uns hier vorgestellt hat. Irgendwie habe ich nicht genügend Kenntnisse der Details, um da noch mehr zum Thema beitragen zu können. Hier aber noch einige Punkte, welche mir wichtig erscheinen:Ein riesiges Problem ist die Stationierung von Soldaten der USA-Armee in Südkorea...
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