In China gilt seit Ende der 70er Jahre die Ein-Kind-Politik. Was aber passiert mit Eltern, die ihr einziges Kind verlieren? Verwaiste Eltern sind ein wachsendes Problem für die chinesische Gesellschaft. Solche Familien haben mit ernsten wirtschaftlichen und psychischen Problemen zu kämpfen. Ist es an der Zeit, die Familienpolitik von einst zu revidieren?
Seitdem China 1979 die Familienplanungspolitik eingeführt hat, haben Millionen Paare nur ein Kind zur Welt gebracht. Wenn solche Familien ihr einziges Kind verlieren, oder das Kind arbeitsunfähig wird, und die Eltern zu alt sind für ein zweites Kind, werden sie „Shi Du Jia Ting" genannt. Wörtlich übersetzt heißt das „Familien, die ihr einziges Kind verloren haben". Die Zahl der Shi Du Jia Ting hat in China in den letzten Jahren zugenommen. Gerade Familien mit niedrigem Einkommen bzw. körperlichen Schwierigkeiten sind nicht nur einsam, sondern auch hilfsbedürftig.
Professor Wang Ming von der Tsinghua Universität schenkt dieser speziellen Menschengruppe besondere Aufmerksamkeit und hat vorgeschlagen, die Familienplanungspolitik zu revidieren.
„Was bedeutet Familie? Eine Familie setzt sich aus Eltern und ihrem Kind zusammen. Das Kind bedeutet für die Eltern Zukunft und Hoffnung. Eine Familie, die ihr einziges Kind verloren hat, ist einer Familie, die ihre Zukunft und Hoffnung verloren hat."
Wang Ming macht die nationale Familienplanungspolitik für diese Situation verantwortlich. So sollte die Regierung die Verantwortung übernehmen und den verwaisten Eltern helfen.
Er hat auch eine Überarbeitung des Adoptionsgesetzes vorgeschlagen, um interessierte Familien zu ermutigen und zu unterstützen, Waisenkinder aufzunehmen. Für Familien, die nicht adoptieren wollen, ist im Artikel 27 des Gesetzes über die Population und Familienplanung festgeschrieben, dass die lokalen Behörden ihnen notwendige Hilfe zur Verfügung stellen sollten, wenn sie zu alt für ein zweites Kind sind.
Yang Jia, Vizevorsitzende einer Nichtregierungsorganisation für Rechte der nicht befähigkeiten Menschen, meint, dass die Regierung diesen Artikel revidieren sollte, weil die genauen Hilfsmaßnahmen darin nicht klargestellt sind.
„Wir sollten betonen, dass die notwendige Hilfe in drei Bereichen – wirtschaftliche, psychologische wie auch physische und Altenpflege – gewährleistet werden muss. Die lokalen Behörden müssen sich darüber klar sein, welche Bereiche wichtig sind und wo man die Familien unterstützen muss."
Yang schlägt ferner die Etablierung eines Betroffenennetzwerkes vor. Anstatt auf die Unterstützung der Regierung zu warten, könnten sich Mütter beispielsweise gegenseitig unterstützen.
„Die Mütter könnten auf gleicher Ebene Zugang zu Unterstützung haben. Wir befinden uns im Internetzeitalter. Ich finde, dass die Regierung oder NGOs mehr Netzwerke oder Plattformen für solche Mütter einrichten sollten, damit sie besser miteinander kommunizieren und gemeinsame Aktionen organisieren können."
Laut einer Untersuchung von Yang Jia gibt es derzeit in China mehr als eine Million Familien, die ihr einziges Kind verloren haben. Bis zum Jahr 2035 wird die Zahl voraussichtlich auf über zehn Millionen steigen.