Die im Jahr 2006 eröffnete Tibet-Bahn verbindet Xining, die Hauptstadt der Provinz Qinghai, mit Lhasa, der Hauptstadt des Autonomen Gebiets Tibet. Für die 1.956 Kilometer lange Strecke hinauf nach Lhasa auf 3.650 Meter über Meer benötigt die Bahn rund 14 Stunden. Mit einem Scheitelpunkt von 5.072 Metern ist die Tibet-Bahn die höchstgelegene Eisenbahn der Welt.
Damit auch die Einheimischen von der neuen Bahn profitieren, wurden wo immer möglich auch Tibeter eingestellt. Der 27-jährige Thubten Doje gehört zu diesem tibetischen Zugpersonal. Im Führerstand zurück in seine Heimatstadt Lhasa zu fahren, war schon immer sein Traum.
Im Jahr 2002 begann er seine Ausbildung zum Lokführer im zentralchinesischen Zhengzhou. Fünf Jahre später schloss er die Prüfung zum Lokführer erfolgreich ab. Noch ist der 27-Jährige aber erst begleitender Lokführer. Die Diesellok alleine hinauf aufs Dach der Welt fahren darf er noch nicht. Die schwierigen natürlichen Verhältnisse auf der ganzen Qinghai-Tibet-Linie - allen voran das oft launische Wetter – verlangen nach mehrjähriger Erfahrung. Dazu der Zuständige für die Ausbildung der Lokführer der Tibet-Bahn:
"Ein Lokführer-Aspirant benötigt drei Jahre Training und danach noch ein einjähriges Praktikum. Erst dann hat er die Möglichkeit, zum Lokführer aufzusteigen. Zur Prüfung zugelassen wird ein Aspirant erst nach mindestens 60.000 Kilometern Fahrpraxis. Vom begleitenden Lokführer zum richtigen Lokführer dauert es also mindestens vier Jahre."
In diesem Jahr darf Thubten Doje die Prüfung zum Lokführer endlich ablegen. Sein Traum rückt damit immer näher. Die lange Wartezeit ist für den 27-Jährigen jedoch kein Problem. Seine mehrjährige Ausbildung fernab von Zuhause hat ihn gelehrt, geduldig zu sein:
"Früher war die Fahrt nach Hause sehr umständlich. Man musste mehrmals umsteigen. Zuerst fuhr ich jeweils mit dem Zug von Zhengzhou nach Chengdu, und von dort mit dem Bus weiter nach Lhasa. Die Heimreise dauerte mehrere Tage - einmal sogar eine ganze Woche. Die Eisenbahn von Qinghai nach Tibet wurde erst während meinem dritten Studienjahr eröffnet. Erst danach konnte ich direkt mit dem Zug nach Hause fahren."
Momentan sind auf der Qinghai-Tibet-Linie 800 Lokführer im Einsatz. Die äußeren Bedingungen sind teilweise so extrem, dass die Lokführer ihre Arbeit nur mit zusätzlicher Sauerstoffzufuhr verrichten können. Lagong Tsering, der 37-jährige Ausbilder von Thubten Doje, weiß um die Tücken der Strecke:
"Früher fuhr ich mit dem Zug von Ha Ergai bis nach Muli. Auf dieser Linie fährt man in Höhen von über 4.700 Meter. Das geht nicht ohne Sauerstoff."
Thubten Doje machen jedoch nicht die schwierigen äußeren Bedingungen am meisten zu schaffen, sondern die Einsamkeit und die Langeweile. Um wach und aufmerksam zu bleiben, singen er und sein Ausbilder Lagong Tsering gelegentlich zusammen im Führerstand. Auch ein kurzes Telefonat mit der Familie oder das Rauchen einer Zigarette hilft den beiden zwischendurch, ihre Konzentration zu wahren. Lagong Tsering und Thubten Doje sind inzwischen ein eingespieltes Team.
Ein weiterer Vorteil dieses rein tibetischen Zweiergespanns im Führerstand ist die gemeinsame Sprache. Vor allem der angehende Lokführer Thubten Doje ist mitunter froh, in seiner Muttersprache kommunizieren zu können:
"Mit seiner Hilfe kann ich alles lernen. Wenn ich etwas auf Chinesisch nicht so gut verstehe, erklärt es mir mein Meister auf Tibetisch."
Bis Thubten Doje die mehrere Tonnen schwere Diesellok alleine von Xining hinauf nach Lhasa fahren darf, dürfte aber auch die Verständigung auf Chinesisch kein Problem mehr sein. Dafür spricht allein schon sein Fleiß, ohne den es der 27-Jährige gar nie bis in den Führerstand der Tibet-Bahn geschafft hätte.
Übersetzt von Yu Yue