Über ein eigenes Dach zu verfügen, ist für Chinesen Teil der Lebensplanung. Die potenziellen Käufer sorgen sich immer, mit dem Wohnungskauf zu spät dran. Ganz anders denken die Wohnungsbesitzer. Sie hoffen natürlich auf den bestmöglichen Preis. Nach der Veröffentlichung der neuen Maßnahmen zur Reglung der Immobilienmärkte gab es schnell Reaktionen:
„Ich brauche unbedingt eine Wohnung, bevor ich heirate. Das ist mir sehr wichtig."
Der 32jährige Xiao Song kommt aus Nordostchina. Vor sechs Jahren hat er sein Hochschulstudium in Beijing abgeschlossen und arbeitet seitdem in der Handelsbranche. Xiao Song möchte eine gebrauchte 50-Quadratmeter-Wohnung in Sanyuanqiao in Beijing kaufen, in der Nähe seines Büros. Der Vertrag ist bereits unterzeichnet. Als nächstes gilt es die Steuern zu begleichen und dann folgt die Übertragung des Eigentums. Die neuen Maßnahmen beunruhigen Xiao und seine Verlobte:
„Wir erleben das jetzt gerade. Wenn die Maßnahmen früher oder später veröffentlicht worden wären, wäre das für uns viel besser. Bevor die Regeln in der Tat durchgeführt werden, müssen wir unbedingt alle Schritte abgeschlossen haben."
Das junge Paar hat sich eine Wohnung Baujahr 1987 für zwei Millionen Yuan, also zirka 246.000 Euro, ausgesucht. Die Kapitalertragssteuer würde nach den neuen Richtlinien 20 Prozent betragen, also knapp 50.000 Euro. Eigentlich sollte sie vom Verkäufer beglichen werden:
„Nach unserem Vertrag sollten alle Steuern, einschließlich der Teile der Verkäuferseite, vom Käufer getragen werden. Sonst klappt die Transaktion nicht."
Die neue Steuer ist für Xiao, der etwa 10.000 Yuan im Monat verdient, eine schwere Last. Um die Übertragung des Eigentums vor Inkrafttreten der neuen Regeln abzuwickeln, ist er ganz früh zum Amt nach Chaoyang gekommen. Er ist nicht der einzige.
„Einige Tage früher kam ich schon mal hierher, da war nur etwa ein Dutzend Menschen da. Obwohl ich heute sehr früh hier war, muss ich noch warten."
„Ich wohne in der Nähe, habe gesehen, dass Leute bereits um Null Uhr hier standen."
Auch in Shanghai spielen sich ähnliche Szenen ab. Ein Wohnungskäufer erzählt aufgeregt:
„Auch wenn ich heute in Ohnmacht fallen würde, mache ich lieber alles fertig. Eigentlich müsste ich nur 20.000 Yuan zahlen, nach den neuen Regeln sollen es aber 240.000 Yuan sein."
Die neuen Maßnahmen richten sich schwerpunktmäßig auf den Gebrauchtwohnungsmarkt. Wie der in Beijing reagiert, erklärt Cheng Haoye, Leiter des Instituts für Marktforschung der Immobilienagentur „Wo Ai Wo Jia":
„Die Zahl der Kunden hat sich um 20 bis 30 Prozent erhöht. Das bedeutet, dass der Markt für Gebrauchtimmobilien in kurzer Zeit in eine ungünstige Phase eintreten wird."
Die 20-prozentige Kapitalertragssteuer zog die meiste Aufmerksamkeit auf sich. Wird sie tatsächlich auf den Käufer abgewälzt?
„Eigentlich wird die Steuer vom Eigentümer übernommen. Angesichts des Verkäufermarkts zahlt sie aber der Käufer."
Statistiken zufolge ist das Handelsvolumen im Häusermarkt in 42 chinesischen Städten gestiegen. Allein in Wenzhou waren es in der ersten Märzwoche 63 Prozent. Jiang Weixin, Minister für Wohnungsbau und Städteplanung, hatte versprochen, dass die Immobilienpreise nach der Umsetzung der neuen Maßnahmen in diesem Jahr zurückgehen würden. Dem kann Yang Hongxu, Vize-Leiter in der Forschung der Immobilienagentur Yiju in Shanghai, nicht zustimmen:
„Im zweiten Jahresquartal wird die Preiserhöhung wohl zurückgehen, im dritten bleibt das Wachstumsniveau grundsätzlich gleich, im vierten Quartal vermuten wir einen weiteren Rückgang, es kann aber auch eine Erhöhung geben, das ist unberechenbar. Im Großen und Ganzen sehen wir keinen kontinuierlichen Rückgang der Preise, im Vergleich zu 2012 rechnen wir eher mit einer weiteren Erhöhung."
Zhang Hongming, Direktor des Forschungsinstituts für Städte und Immobilien der Shanghaier Akademie der Sozialwissenschaften, hat noch eine andere These:
„Wenn die 20-prozentige Kapitalertragssteuer von den Käufern bezahlt werden muss, gibt es zwei Möglichkeiten: entweder sie können sich das leisten, oder eben nicht. Wenn nicht, werden sie keine Wohnungen kaufen. Deshalb gibt es keine definitive Schlussforderung, dass die Immobilienpreise nach oben gehen. Die jetzigen Maßnahmen sind nur kurz- bzw. mittelfristig zu betrachten, bevor langfristige, effektive Gesetze für die chinesischen Immobilienmärkte ausgearbeitet werden. Die Ausarbeitung hat noch mehr Spielraum für Verbesserungen."
Verfasst von: Liu Xinyue
Gesprochen von: Liu Xinyue