In China wird der Tag, an dem der „Drache seinen Kopf erhebt", Longtaitou, auf unterschiedliche Art und Weise gefeiert. Eine der Legenden besagt, dass ein Friseurbesuch an dem traditionell am zweiten Tag im zweiten Monat des Mondkalenders begangenen Festes Glück bringen soll. In der Volksrepublik wird das ernst genommen.
Die Saloninhaber reagieren auf den Ansturm mit erweiterten Öffnungszeiten – das gute Geschäft mit der Tradition will man sich schließlich nicht entgehen lassen. Bereits um fünf Uhr morgens warteten in diesem Jahr die ersten Kunden, so Wu Xiumin, Mitarbeiterin der 1950 gegründeten „Silian Hair"-Salonkette. Im größten Laden der Kette, in der Einkaufsmeile Wangfujing, habe man innerhalb von sieben Stunden rund 200 Köpfe und 20 Kilometer Haar geschoren, erzählt Wu. An einem normalen Tag sei es nicht einmal die Hälfte.
Die Familie des erst drei Monate alten Bao Zheng aus Vorortbezirk Tongzhou hat mit dem ersten Friseurbesuch extra auf das Fest gewartet. Man wollte dem geliebten Sprössling unbedingt eine gute Zukunft bescheren.
So sehr das Erwachen des Drachen für erhöhten Umsatz sorgt, hält die Tradition gläubige Kunden in der Zeit vor Longtaitou von den Scheren fern. Denn die Legende besagt auch, dass ein neuer Haarschnitt im ersten Monat des Mondkalenders zum Tode eines Onkels mütterlicherseits führen kann. Vor allem ältere Kunden hielten auch heute noch an dieser Tradition fest, berichtet Shan Liang, Manager des „YesFashion Hair"-Salons in Peking. 2012 konnte Shan in seiner Filiale einen Rekord von 300 Kunden an Longtaitou verbuchen.
Andere Chinesen, wie die 26-jährige Chen Zhuo aus Shenyang, sehen das deutlich pragmatischer. Ihr siebenjähriger Sohn wird dieses Jahr auf einen Longtaitou-Haarschnitt verzichten müssen. „So ganz glaube ich nicht an diese Legende", sagt sie. „In den letzen Jahren hat er dennoch zum Fest einen neuen Haarschnitt bekommen. Aber jetzt, da er zur Schule geht, ist es schwierig einen Termin zu bekommen." Auch der Pekinger Tang Yang, 28, nimmt die Tradition eher gelassen und hat seinen Friseurbesuch um eine Woche verschoben. Den Segen des Drachen zu verpassen, sei nicht so schlimm wie das Gedränge an Longtaitou.
Verfasst von Kamil Wysocki