Chinesische Behörden haben sowohl die Wasserqualität von Flüssen auf einer Länge von 140 000 km geprüft als auch von 322 Wasserreservoirs. Den Ergebnissen zufolge sind fast 40 Prozent der Gewässer schwer verschmutzt. An 412 Überwachungsstellen der sieben großen Flüsse entsprachen ein Drittel der Proben nicht den Normen. 90 Prozent des Grundwassers in Städten sind verschmutzt. In manchen Gegenden und Einzugsgebieten weitet sich die Wasserverschmutzung von Nebenflüsse auf Hauptströme, von Städten auf ländliche Gebiete, von der Erdoberfläche in unterirdische Schichten und vom Land auf Meere aus. Daraus resultieren Gesundheitsrisiken, die die Stadtbewohner genauso bedrohen wie die Landbevölkerung.
Während 350 bis 700 Millionen Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben, benötigen chinesische Unternehmen für die Herstellung der gleichen Ware zehnmal mehr Wasser als Firmen in entwickelten Ländern. Viele Flüsse sind so stark belastet, dass ihr Wasser nicht mehr für den menschlichen Gebrauch verwertbar ist. Die Ursachen dafür liegen unter anderem in Düngemittel- und Pestizidabschwemmungen, aber auch in schadstoffbefrachtetem Abwasser. Darüber hinaus ereignen sich alle zwei bis drei Tage Industrieunfälle, die oftmals mit einer Boden- und Wasserverunreinigung einhergehen.
Die chinesische Regierung schenkt der Einhaltung der Umweltgesetze mittlerweile mehr Beachtung. Der Druck auf die Politik wächst. Trotzdem wird nach Expertenschätzungen noch immer die Hälfte aller industriellen Abwässer in China unkontrolliert entsorgt.
Der bekannte IT-Unternehmer Ma Yun ist einer von vielen Umweltschützern in China. Sein Engagement begann er aufgrund der vielen Krebsfälle bei seinen Mitarbeitern und Bekannten. Auf einem Forum sagt er:
„China steuert gegenwärtig auf eine Wasserkrise hin. Es gibt immer weniger Wasser. Das Wasser ist zunehmend kontaminiert. In 20 Jahren wird meine Firma 100 000 junge Mitarbeiter beschäftigen. Ich fände es inakzeptabel, wenn künftig in meiner Firma 100 bis 200 junge Mitarbeiter pro Jahr sterben würden. (6´01´´) Wir sehen derzeit auch, dass Einwohner in Dörfern infolge von Wasserverschmutzung an Krebs sterben. Viele Fische sterben. In meiner Heimatstadt, die früher als Wasser- und Getreidekammer galt, wird das Wasser immer knapper. Industrielle Abwässer werden unmittelbar in Flüsse abgeleitet. Die Situation ist viel viel gefährlicher als wir uns vorgestellt haben."
Ein großes Problem besteht in den fehlenden Kläranlagen. Nur 20 bis 25 Prozent des landesweit anfallenden Abwassers werden geklärt. Viele chinesische Städte verfügen über keine Kläranlage. In ländlichen Regionen findet praktisch überhaupt keine Abwasserbehandlung statt. Laut der staatlichen Umweltbehörde, ist nur ein Drittel der existierenden Kläranlagen in Betrieb. Der Rest ist defekt oder wird abgeschaltet, weil die Wassergebühren die Betriebskosten nicht decken. Die Abwassergebühren stellen ein weiteres Problem dar, denn nur die Hälfte der chinesischen Städte erheben derartige Gebühren für private Haushalte. Diese decken jedoch bei weitem nicht die Betriebskosten der Wasserversorgung.
Immer mehr kontaminierte Flüsse rücken in den Fokus des öffentlichen Interesses. Am 22. August 2009 wurde die Quelle des Perlenflusses im Kreis Qujing in der südchinesischen Provinz Yunnan kontaminiert. Unzählige Fische verendeten qualvoll. Am 13. Dezember 2011 verwandelte sich der Fluss Jianhe bei Luoyang in der zentralchinesischen Provinz Henan in einen „Blutfluss". Am darauf folgenden Tag stellte die lokale Umweltschutzbehörde fest, dass zwei illegale Werkstätten die Verschmutzung verursacht hatten. Im Wujiang-Fluss in der südchinesischen Provinz Guizhou waren bereits alle Lebewesen außer den Algen dem Tod geweiht. Am 6. Juli 2012 trieben Müllmassen auf einem Fluss im Kreis Wushan in der regierungsunmittelbaren Stadt Chongqing. Am 26. September 2012 war ein Fluss in der südchinesischen Provinz Guangdong mit weißem Schaum bedeckt. Einer Untersuchung der lokalen Umweltschutzbehörde zufolge war der Schaum von Reinigungsmitteln im Haushaltsmüll verursacht worden. Am 8. Oktober 2012 wurde ein Fluss in der Nähe der Stadt Shaoxing (ostchinesische Provinz Zhejiang) zum „Milchfluss". Eine Steinbearbeitungswerkstatt zeichnete sich verantwortlich.
Solche sich häufenden schockierenden Nachrichten machen die Dringlichkeit des Schutzes der Ressource Wasser deutlich. Dieser Schutz dürfe bei der rasanten Entwicklung des Landes nicht untergehen. Ma Yun betont:
„Wenn wir dieses Problem nicht gut lösen, werden mehr und mehr Kinder und Jugendliche sterben.(7´51´´) Wir müssen alle darauf aufmerksam machen, dass in unserem Trinkwasser Giftstoffe enthalten sind. Alle sollten sich bewusst darüber sein. Ich werde Kräfte ermuntern, per Internet nach Umweltsündern zu suchen. Nicht verantwortungsbewusste Personen und Betriebe, die unbehandelte Industrieabwässer und Pestizide direkt in Flüsse und unter die Erde ableiten, sollen gebrandmarkt werden. Denen sollten Banken keine Kredite verleihen. Jugendliche sollen ihre Produkte nicht kaufen."
Ma Yun verweist zudem darauf, dass es nicht vernünftig sei, Standorte der Stahl- und Chemiefabriken einfach von den Städten in die abgelegenen ländlichen Gebiete zu verlegen. Denn dort liegen die Trinkwasserquellen der Nation. Was trinken also Chinas Kinder von morgen? Eine Frage, die die chinesische Regierung noch eine zeitlang beschäftigen wird.