Sauberes Trinkwasser kauft man sich in Flaschen. Sicheres Milchpulver kommt aus dem Ausland. Nicht so die Luft, sie ist wohl das einzige, das unabhängig von Vermögen und Beruf für alle gleich ist. Da macht auch der neue Ministerpräsident Li Keqiang keine Ausnahme. Die schwere Luftverschmutzung in Peking sowie in großen Teilen Ostchinas empfinde er, wie alle normalen Chinesen, äußerst schmerzvoll, sagt Li auf der ersten Pressekonferenz nach seinem Amtsantritt Mitte März.
So schlecht sei die Luft in der Hauptstadt noch nie gewesen, sagen viele gebürtige Pekinger. Seit Januar kommt es oft vor, dass der Anteil der Schadstoffpartikel mit einem Durchmesser von 2,5 Mikrometern auf über 300 Mikrogramm pro Kubikmeter steigt. Zum Vergleich: Die Weltgesundheitsorganisation warnt vor einem Tagesdurchschnitt von mehr als 25 Mikrogramm.
Mundschutz-Atemmasken sind zurzeit für fast alle Pekinger Bedarfsartikel geworden. Taobao.com, die größte Online-Handelsplattform in China, bietet 5.789 Artikel unter dem Stichwort „Mundschutz". Viele Familien mit Kindern, Alten oder Patienten haben sich Luftreiniger zugelegt. Angeblich soll so ein Gerät mehr als 99 Prozent der Feinstaubpartikel aus der Luft filtern. Und die Schulen reglementieren den Aufenthalt ihrer Schüler im Freien. Manche Leute überlegen sich inzwischen sogar, in eine andere Stadt umzuziehen, weil sie sich ein langes Leben wünschen. Denn laut dem renommierten Mediziner Zhong Nanshan könne der anhaltende Smog Lungenkrebs verursachen und sei von daher sogar gefährlicher als die SARS-Epidemie.
Längst versucht China, die drastische Luftverschmutzung in den Griff zu bekommen. Im aktuellen Fünfjahresplan stehen umgerechnet nahezu 43 Milliarden Euro zur Bekämpfung der ungesunden Luft zur Verfügung. In der Hauptstadt Peking werden Fahrzeugzulassungen und Autofahrten beschränkt, die Benzinqualität wird ständig erhöht und erneuerbare Energien werden ausgebaut. Man arbeitet auch an einem unbemannten Flugzeug, das den Smog in der Luft reinigen soll.
Allerdings gibt es gegen diese chronische Krankheit kein schnell wirkendes Wundermittel. Der neue Premier Li Keqiang hat sein Rezept ausgestellt: Einerseits muss man die alten Schulden beschleunigt begleichen und andererseits neue Schulden vermeiden.
Übersetzt von Zhu Liwen