Wir über uns Kontakt Jobs Fragen? Archiv
Lu Qiutian
Ehemaliger chinesischer Botschafter in Deutschland
  2012-08-28 15:30:02  cri

Lu Qiutian (*1936) begann seine Arbeit für das chinesische Außenministerium 1961. Von 1997 bis 2001 war er Botschafter Chinas in Deutschland. Er ist Mitglied der Beratungskommission des chinesischen Außenministeriums für internationale Fragen und hochrangiger Berater der chinesischen Akademie für internationale Strategie.

Die Krise als Chance für die EU -- Interview mit Lu Qiutian, ehemaliger chinesischer Botschafter in Deutschland

Lu Qiutian begann im Jahr 1961 seine Arbeit für das chinesische Außenministerium. Zwischen 1997 und 2001 war er als Botschafter Chinas in Deutschland tätig. Er erinnert sich an die Fragen, die während seiner Amtszeit für Zündstoff sorgten.  

"Falls die Außenpolitik wirklich ein Schlachtfeld ohne Kriegsrauch ist, dann sind die Diplomaten die Schildwachen zur Erhaltung der Staatssouveränität und zur Verteidigung der territorialen Integrität, Soldaten zur Durchführung des Staatswillens und zur Erhaltung der Staatsinteressen. Und sie sind auch Berichterstatter über die chinesische Innen- und Außenpolitik sowie die Erfolge der Reform und Öffnung in den letzten 30 Jahren. Als Diplomat musste ich damals viele Fragen beantworten. Die scharfen Fragen betrafen meistens Taiwan, Tibet und die Menschenrechte."

Solche scharfen Fragen behandelte Lu Qiutian stets mit großem Geschick. Eines Tages war er von der Freien Universität Berlin eingeladen worden, eine Rede über die Menschenrechte zu halten. Diese stieß unter den Studenten und in der deutschen Bevölkerung auf großen Zuspruch. Lu Qiutian machte sich lange Gedanken darüber, wie man in der Menschenrechtsfrage ein besseres Verständnis zwischen den Völkern schaffen könnte und kam zu der folgenden Lösung:

"Einmal war ich zu Gast beim ehemaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder. In seinem Büro haben wir darüber diskutiert, wie wir in der Menschenrechtsfrage tatsächlich gegenseitiges Verständnis und einen Meinungsaustausch erreichen können, statt jedes Jahr immer nur darüber zu streiten. Dann haben wir vereinbart, einen beispiellosen Mechanismus zu errichten, nämlich den Rechtstaatlichen Dialog. Dieser Dialog findet nun jährlich statt, ich finde ihn sehr erfolgreich. Und auch bei scharfen Fragen braucht man nicht nervös zu sein, mit Ruhe kann man solche Fragen besser lösen."

Weltweit ist immer mal wieder die Rede von einer "chinesischen Bedrohung", darunter auch militärisch und wirtschaftlich. Lu Qiutian berichtet, wie das Bild der Deutschen von China aus seiner Sicht geprägt ist.

"Hier will ich mal drei Typen von Deutschen betrachten. Der erste Typ ist China gegenüber sehr freundlich gesonnen und betrachtet die Entwicklung Chinas als eine Chance. Der zweite Typ kennt China selbst so gut wie nicht. Wegen negativer Berichte der westlichen Medien sind solche Leute dann auch nicht sicher, ob der friedliche Aufschwung Chinas eine Chance oder eine Bedrohung ist. Der dritte Typ ist tief von dem Gedanken des kalten Kriegs beeinflusst, für sie ist Ideologie sehr wichtig. Sie glauben an die chinesische Bedrohung in den Bereichen Militär, Wirtschaft und Umweltschutz und predigen entsprechend. Neuerdings halten sie sogar das chinesische Entwicklungsmodell an sich für eine Bedrohung. Manche sagen auch, mit der Entwicklung sei China in der Außenpolitik immer mehr arroganter geworden. Als Diplomat muss man auf solches Gerede ganz ruhig reagieren. Meiner Meinung nach ist so etwas sogar während des friedlichen Aufschwungs Chinas fast normal."

Für Lu Qiutian spielt Europa eine besondere Rolle, da er dort 28 Jahre als Diplomat tätig war und die Entwicklung der EU miterlebt hat. Für ihn spielt Deutschland die folgende Rolle innerhalb der EU:

"Deutschland ist für die EU wie eine Lokomotive. Wegen der Wirtschaftskrise haben fast alle EU-Länder Schwierigkeiten, aber die Wirtschaftssituation in Deutschland ist relativ gut. Für den Ausbau der Integration hat Deutschland auch viele Anregungen gegeben, und jeder Fortschritt der EU ist letztlich auch abhängig vom Engagement Deutschlands. Vor einigen Monaten war die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel zu Gast bei der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften. Zur Frage der EU-Wirtschaftskrise sagte sie, die Geschichte der EU habe gezeigt, dass die Entwicklung der EU immer von Krisen begleitet sei. Ich meine, dass Deutschland eine sehr wichtige Rolle für die EU-Integration gespielt hat."

Momentan sind viele Seiten wenig optimistisch, was die Zukunft der EU angeht. Doch Lu Qiutian zeigt sich zuversichtlich.

"Eigentlich hat die EU eine Rolle als Kompensator für die Beziehungen zwischen den Großmächten gespielt. Für die Entwicklung von ganz Europa ist die EU die führende Lokomotive.

Der Widerspruch, dem die EU jetzt gegenübersteht, ist ein struktureller Widerspruch und kann kurzfristig beträchtliche Schwierigkeiten bringen. Aber ich glaube nicht, dass sich die EU auflösen wird. Wie es die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel gesagt hat: Wenn die EU in ihrer Geschichte auf eine Krise traf, dann hat sich die EU weiter nach vorne entwickelt. Nach einer Krise ist die EU dann auf ein neues Niveau gestiegen. Deshalb sollen wir auch jetzt zuversichtlich sein für die Zukunft der EU."

Interview: Huang Gang

Übersetzung: Xu Qi

Foto: Cai Jun

Forum Meinungen
• mengyingbo schrieb "Leben in Changshu"
seit etwas über einer Woche ist nun Changshu 常熟 in der Provinz Jiangsu 江苏 meine neue Heimat - zumindest erstmal für rund 2 Jahre.Changshu (übersetzt etwa: Stadt der langen Ernte) liegt ungefähr 100 km westlich von Shanghai und hat rund 2 Millionen Einwohner, ist also nur eine mittelgroße Stadt.Es gibt hier einen ca. 200m hohen Berg, den Yushan 虞山 und einen See, den Shanghu 尚湖...
• Ralf63 schrieb "Korea"
Eine schöne Analyse ist das, die Volker20 uns hier vorgestellt hat. Irgendwie habe ich nicht genügend Kenntnisse der Details, um da noch mehr zum Thema beitragen zu können. Hier aber noch einige Punkte, welche mir wichtig erscheinen:Ein riesiges Problem ist die Stationierung von Soldaten der USA-Armee in Südkorea...
Meistgelesene Artikel
• Keine Lebenszeichen vom gesunkenen indischen U-Boot
• Snowdens Vater erhält Visum für Russland
• Getötete Chinesen: Afghanistan bekundet Beileid
• Vermittlungsversuche in Ägypten gescheitert
• Gipfel abgesagt: Russland enttäuscht von USA
Fotos
Luxusausstellung 2013 in Beijing eröffnet
Fotoausstellung „Chinesischer Traum - Schönes China" in Brüssel
Wiederaufbau neuer Wohnhäuser nach Erdbeben in Min
Lujiagou: Ein neues Wohngebiet mit günstigen Lebens- und Verkehrsbedingungen
© China Radio International.CRI. All Rights Reserved.
16A Shijingshan Road, Beijing, China