Während Zehntausende Zuschauer im Innern des Londoner Olympia-Stadiums ihre Stars anfeuern, unterstützt der 57 Jahre alter chinesische Bauern Chen Guaning die sportlichen Wettkämpfe auf seine eigene Weise: Er räumt auf den Straßen von London den Müll weg.
Chen sagt, er sei mit seiner Rikscha innerhalb von zwei Jahren von China durch 16 Länder gereist, bis er im vergangenen Monat London erreicht habe. "Ich wollte die olympischen Spiele unterstützen. Deswegen bin ich hierhergekommen", sagt er. Der Bauer aus Jiangsu mit den weißen Haaren trägt ein T-Shirt mit seinem Namen und den olympischen Ringen. Er scheint, voller Energie zu sein. Auf seiner Rikscha kleben eine chinesische und eine englische Flagge. Daneben befinden sich zahlreiche Bilder, die ihn vor berühmten Sehenswürdigkeiten wie dem Eiffelturm oder den Petrona Twin Towers in Kuala Lumpur zeigen. "Ich hoffe, dass ich mit meiner Aktion Leute inspirieren kann. Insbesondere will ich den Respekt vor dem Umwelt vermitteln", sagt er stolz.
Vor vier Jahren sammelte Chen drei Monate lang vor dem Beijinger Olympia-Park Abfall zusammen. Dies hat das Interesse eines Britischen Journalisten auf sich gezogen. Dieser sagte zu ihm nach einem Interview: "London wäre mit Leuten wie dir ein besserer Ort." Chen versprach daraufhin dem Journalisten, dass er in die britische Hauptstadt fahren würde. Da er kein Geld für ein Flugticket hatte, entschloss er sich, sein Versprechen mit Hilfe seiner Rikscha zu halten. Im Sommer 2010 machte er sich auf den Weg – mit nur 7000 Yuan (1100 US-Dollar) und einer 100 Dollarnote im Gepäck.
Seit Chen von zu Hause losgefahren ist, hat er seine Familie, die aus seinen Eltern, zwei Brüdern und einer Schwester besteht, nicht mehr gesehen. Sie sind in Jiangsu geblieben, wo sie Reis und anderes anpflanzen. Er ruft sie einmal pro Monat an. "Natürlich vermisse ich mein Zuhause. Doch meine Reise darf deswegen nicht zu Ende gehen. Ich will sehen, wozu ich in der Lage bin." Chen schläft jeden Tag in seiner Rikscha, in welcher sich eine Matratze, eine Decke, ein Erste-Hilfe-Kasten sowie mehrere defekte Rikscharäder befinden, die er als Souvenir behält.
Wenn Chen von seinen Abenteuer in Asien und Europa erzählt, beginnt er zu strahlen. Zwar kann seine Route, die ihn nach eigenen Angaben durch Vietnam, Thailand, Pakistan, die Türkei, Italien und Frankreich geführt hat, nicht unabhängig verifiziert werden, doch ein Fernsehbeitrag der britischen BBC zeigt seine Touristenvisa aus Ländern wie Pakistan, Thailand und Iran. Zudem gibt es ein YouTube-Video, das ihn in Rom zeigt.
Seine schlechteste Erfahrung sei gewesen, in der Türkei im Schnee festzusitzen. "Die Straßen waren voller Eis und Schnee", erzählt er. Da er so nicht weiterreisen konnte, blieb er vier Tage lang in seiner Rikscha. Als er einmal seine Wasserflasche hervorholte, um seinen Durst zu stillen, war er erschrocken, dass sich ihr Inhalt in Eis verwandelt hatte. "Ich hatte keine andere Wahl, als den Schnee zu essen. Ich nahm eine Handvoll davon und schluckte ihn runter." Doch auch sonst hatte er auf seiner Reise nicht sehr viel bessere Mahlzeiten. Normalerweise aß er gesalztes Brot. Gemüse war meistens eine Luxusware für ihn.
Sobald Chen kein Geld mehr hatte, nahm er Fahrgäste gegen Entgelt mit. Hatte er sich eine kleine Summe zusammengespart, setzte er die Reise fort. "Meine Reise wäre nie ohne die Hilfe von zahlreichen gutherzigen Chinesen möglich gewesen", sagte er. Diese reichte von einer jungen Frau, die ihm half, das Visumformular für Großbritannien auszufüllen, bis hin zu einem Mann, der in der Londoner Chinatown heiße Soja-Milch anbot.
Mit seiner Ankunft in London ist Chens Reise indes noch nicht zu Ende. Nun plant er, direkt nach Rio de Janeiro weiterzufahren, allerdings ohne zuvor seine Familie zu besuchen. "Ich kann dies nicht anfangen, ohne es fertig zu machen", sagte er.
Quelle: german.china.org.cn