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China und Deutschland – zwei große Exportnationen auf Abwegen?
  2012-03-07 15:40:35  cri
Von Marc-Stephan Arnold, Beijing

Die deutsche Wirtschaft ist stark auf den Export ausgerichtet, die chinesische noch stärker. Vor dem gegenwärtigen weltwirtschaftlichen Hintergrund ist dies für beide Länder eine Chance – aber auch ein großes Risiko.

Die deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen haben sich in den letzten 40 Jahren mit einem atemberaubenden Tempo entwickelt. Lagen die deutschen Exporte nach China im Jahr 1972 noch bei "mickrigen" 270 Millionen Dollar (200 Millionen Euro), so haben sie sich bis 2011 auf 92,7 Milliarden US-Dollar erhöht. Eine Steigerung um das 343-fache in weniger als 40 Jahren – eine beeindruckende Entwicklung. Folgerichtig ist China inzwischen nach den USA der zweitwichtigste außereuropäische Handelspartner Deutschlands, und für China ist Deutschland der mit Abstand wichtigste Handelspartner in Europa. Doch genau diese Erfolgsgeschichte ist im Moment stärker bedroht als jemals zuvor.

Schwächelnder Außenhandel?

So sind zum Beispiel die EU, die USA und Japan die größten Exportmärkte für chinesische Waren – alleine Europa kauft gut 30 Prozent aller chinesischen Exportprodukte, bei den USA ist es nicht viel weniger. Doch gerade diese Märkte schwächeln besonders. Im Jahr 2009 geriet der chinesische Export zum ersten Mal deutlich ins Schwanken. Aufgrund der Schuldenkrise in den europäischen Staaten und der wirtschaftlichen Probleme in den USA konnten nur deutlich weniger Waren exportiert werden:

Entwicklung des chinesischen Außenhandels (2001-2011)

 

2001

2002

2003

2004

2005

2006

2007

2008

2009

2010

2011

Export

266

326

438

593

762

969

1218

1431

1202

1578

1895

Import

244

295

413

561

660

792

956

1133

1006

1395

1740

Gesamt

510

621

851

1154

1422

1761

2174

2564

2208

2973

3635

Handels-überschuss

22

31

25

32

102

177

262

298

196

183

155

Alle Angaben in Mrd. US-Dollar. Quelle: Chinesisches Statistikamt (PRC National Bureau of Statistics).

Auffällig ist in dieser Übersicht vor allem der nach 2008 einsetztende, deutliche Rückgang beim Handelsüberschuss. Bei der Bekanntgabe der statistischen Daten für 2011 sagte Ma Jiantang, der Sprecher des nationalen chinesischen Statistikbüros, dass sich China in einer "düsteren, hochkomplizierten und ernsten internationalen Umgebung" bewege. Es sei davon auszugehen, dass der chinesische Außenhandel 2012 noch langsamer wachsen werde. "Der Außenhandel wird in diesem Jahr prozentual möglicherweise nur im einstelligen Bereich wachsen", sagte Liang Yaowen, Generaldirektor des Ministeriums für Außenhandel der Provinz Guangdong, gegenüber den chinesischen Medien. Auch der chinesische Wirtschaftsminister, Chen Deming, empfindet die internationale Lage als Besorgnis erregend. "Das Geschäftsumfeld für chinesische Exporteure ist ernst, es gibt viele instabile Faktoren", sagte Chen.

Chinas Außenhandel ist immer noch stark. Doch derzeit scheint es, als ob sich die Aussagen Liangs und Chens für 2012 bewahrheiten würden: Chinas Export sank im Januar – zum ersten Mal seit über zwei Jahren. Doch auch Deutschland hat seit Ende des letzten Jahres zu kämpfen.

Deutschland: Größter Produktions- und Exporteinbruch seit 2008

Das produzierende Gewerbe in Deutschland hat im Dezember 2011 einen kräftigen Dämpfer erhalten: im Vergleich zum Vormonat sank die Produktion um fast drei Prozent auf den niedrigsten Wert seit dem Krisenjahr 2008. Vor allem die Industrie (- 2,9%) und das Baugewerbe (- 6,4%) waren betroffen.

Auch der deutsche Export sank im Dezember viel stärker als erwartet: ein Minus von 4,3 % stand schließlich zu Buche. Insgesamt hat Deutschland 2011 Waren im Wert von 1,06 Billionen Euro exportiert. Dem standen Importe in Höhe von etwas über 900 Milliarden Euro gegenüber. Der deutsche Handelsüberschuss von 158 Milliarden Euro war somit sogar deutlich höher als der chinesische von 155 Milliarden Dollar (115 Milliarden Euro). In der Gesamtschau zeigten jedoch sowohl der deutsche als auch der chinesische Export gegen Ende des Jahres 2011 eine deutliche Abwärtstendenz. Und es gibt mehrere Indikatoren, die ein Anhalten dieses Trends vermuten lassen.

Baltic-Dry-Index im Sturzflug, Stahlproduktion rückläufig

Der Baltic-Dry-Index (BDI) wurde von der Baltic Exchange in London kreiert. Er gibt die preislichen Veränderungen bei den Transportkosten verschiedener Rohstoffe, wie zum Beispiel bei verschiedenen Erzen, Stahl und fossilen Brennstoffen, an. Der BDI gilt als ein Indikator der Weltwirtschaft – und ist im Februar auf den niedrigsten Stand seit über 25 Jahren gefallen.

BALTIC DRY INDEX (BDIY)

High:

718.00

   Low:

718.00

Day Range:

718.00 - 718.00

   52-Week Range:

647.00 - 2,173.00

Year To Date:

-58.69%

   1-Year:

-42.19%



 

 

 

Übersicht: Aktuelle Entwicklung des BDI (24. Februar 2012). Seit Jahresbeginn hat der Index fast 60 Prozent verloren – ein Hinweis auf den kommenden Absturz der Weltwirtschaft?

Die Frachtraten für Tanker und große Containerschiffe sind derzeit so niedrig, dass die Schiffsreeder nicht nur kein Geld mehr verdienen, sondern sogar massiv draufzahlen müssen – denn die Instandhaltung solcher Meeres-Giganten kostet viel Geld. Die niedrigen Frachtraten sind ein deutlicher Indikator für den Abschwung – denn wenn Nachfrage nach den Schiffen gering ist, sinken natürlich auch die Preise der Verschiffung.

Krisenindikator: Der BDI (oben, dunkelblau) sank noch unter den Tiefstwert von 2008 – und somit auf den niedrigsten Stand seit knapp 25 Jahren.

Krisenindikator: Der BDI (oben, dunkelblau) sank noch unter den Tiefstwert von 2008 – und somit auf den niedrigsten Stand seit knapp 25 Jahren.

Ähnliche Anzeichen gibt es bei der Stahlproduktion. Diese lag Anfang 2011 weltweit noch bei bis zu 130 Millionen Tonnen pro Monat (Mai). Gegen Ende des Jahres wurden jedoch nur noch 115 Millionen Tonnen monatlich erreicht – ein Minus von knapp 12 Prozent. In Deutschland lag die Stahlproduktion im Dezember um fünf Prozent unter dem Vorjahreswert und im Vergleich zur Hochsaison 2011 sogar bei minus 26 Prozent.

Düstere Aussichten für den Außenhandel in 2012

Analysiert man den ersten "Ausrutscher" der Weltwirtschaft zwischen 2008 und 2009, dann sieht man, dass die chinesische Wirtschaft – trotz des größten Konjunktur- und Kreditprogramms, das China je aufgelegt hat – äußerst anfällig ist gegen externe Schocks. Hinzukommt, dass China kein weiteres Konjunkturpaket auflegen kann, jedenfalls nicht in der benötigten Größenordnung: schon die letzte Finanzspritze hatte die Inflationsrate teilweise auf über sechs Prozent katapultiert. Gehen die Inflationsraten jedoch zu schnell nach oben, müssen die Notenbanken mit Zinsanhebungen gegensteuern. Das gilt für China wie auch für den Rest der Welt. Für die chinesischen Provinzen wäre dies – ebenso wie für alle westlichen Industrienationen – der finanzielle Supergau: bei ihren gigantischen Schulden könnten sie sich die erhöhten Zinsen nur für einen sehr kurzen Zeitraum leisten. Dann würden die Lichter ausgehen.

Für Deutschland sieht es aber noch schlimmer aus als für China. Das liegt einerseits an der europäischen Schuldenkrise und andererseits am massiven Vertrauensverlust in den Euro. Während Länder wie Griechenland, Portugal, Spanien und Italien gegenüber den Notenbanken anderer Länder Verbindlichkeiten in Höhe von mehr als 600 Milliarden Euro haben, hat die Deutsche Bundesbank unter einem als "Target2" bezeichneten Posten Forderungen in Höhe von über 500 Milliarden Euro angehäuft – und die sind so gut wie uneinbringlich. Übersetzt heißt dies: Deutschland sitzt in der Falle. Es muss einerseits die überschuldete Südflanke der EU am Leben erhalten – und wird gleichzeitig viel weniger in all diese Länder exportieren können. Das Ergebnis ist, um einmal die deutsche Kanzlerin zu zitieren, "alternativlos": auch das starke Deutschland wird unter dieser gewaltigen Last irgendwann zusammenbrechen. Europa wird danach für mehrere Jahre in einer schweren Depression versinken – und diese wird wiederum starke negative Auswirkungen auf China haben.

Es kann keinen Zweifel mehr geben – die Weltwirtschaft hat den Rückwärtsgang eingelegt. Der zweite "Ausrutscher" steht kurz bevor, und er wird aus den oben genannten Gründen deutlich heftiger werden als der erste von 2008/2009. Zwei der größten Wirtschaftsnationen der Welt, Deutschland und China, werden aufgrund ihrer stark exportorientierten Wirtschaft von diesem Abschwung ganz besonders hart getroffen werden – und wahrscheinlich viele Jahre brauchen, um sich wieder davon zu erholen.

Quelle: german.china.org.cn

Forum Meinungen
• mengyingbo schrieb "Leben in Changshu"
seit etwas über einer Woche ist nun Changshu 常熟 in der Provinz Jiangsu 江苏 meine neue Heimat - zumindest erstmal für rund 2 Jahre.Changshu (übersetzt etwa: Stadt der langen Ernte) liegt ungefähr 100 km westlich von Shanghai und hat rund 2 Millionen Einwohner, ist also nur eine mittelgroße Stadt.Es gibt hier einen ca. 200m hohen Berg, den Yushan 虞山 und einen See, den Shanghu 尚湖...
• Ralf63 schrieb "Korea"
Eine schöne Analyse ist das, die Volker20 uns hier vorgestellt hat. Irgendwie habe ich nicht genügend Kenntnisse der Details, um da noch mehr zum Thema beitragen zu können. Hier aber noch einige Punkte, welche mir wichtig erscheinen:Ein riesiges Problem ist die Stationierung von Soldaten der USA-Armee in Südkorea...
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