In China ist es Sitte, zu Beginn eines neuen Jahres das Haus mit Spruchbändern, Scherenschnitten und Neujahrsbildern zu schmücken. Die Herstellung von Neujahrsbildern ist eine traditionelle chinesische Volkskunst. Chinesische Neujahrsbilder sind durch ihren einfachen und schlichten Stil gekennzeichnet. Ihre äußerst bunten Motive tragen zu einer fröhlichen Atmosphäre im Haus bei. Neujahrsbilder sind in China von Region zu Region unterschiedlich.

Neujahrsbilder werden am letzten Tag des zwölften Monats nach dem chinesischen Mondkalender an die Wand gehängt, wo sie das ganze Jahr hindurch bleiben. Erst bei der gründlichen Hausreinigung am 24. Tag des zwölften Monats werden sie wieder runtergenommen. Am Silvesterabend werden dann wieder neue Bilder an die Wand gehängt.

Chinesische Neujahrsbilder weisen ganz verschiedene Motive auf. Alle Motive haben eine ganz bestimmte Bedeutung. In erster Linie sollen mit den Neujahrsbildern die guten Wünsche zum neuen Jahr zum Ausdruck gebracht werden.

Die Chinesen legen großen Wert auf ihre Nation und Familie, und sie wünschen sich viele Kinder, Glück und Langlebigkeit. Diese Einstellung widerspiegelt sich auch in den Neujahrsbildern. In chinesischen Neujahrsbildern ist häufig der Granatapfel zu sehen. Der Granatapfel ist teilweise geschält, damit die Granatapfelkörner entblößt sind. Denn Körner haben im Chinesischen den gleichen Laut wie die Wörter für Söhne oder Kinder. Man wünscht sich auf diese Weise, dass im neuen Jahr mehr Kinder in die Sippe hineingeboren werden. Eine halbierte Wassermelone mit mehreren Kernen hat dieselbe Bedeutung. Der Pfirsich ist ein traditionelles Symbol für Langlebigkeit. Je mehr Kinder, desto länger überlebt eine Sippe, so der Glaube der Chinesen. Aus diesem Grund sind Kinder und Langlebigkeit in China zwei Motive, die immer ganz eng mit der Volkskunst verbunden sind.

Ebenfalls ein häufiges Motiv sind füllige Babys. Dasselbe gilt für Fische, weil das chinesische Wort für Fisch gleich ausgesprochen wird wie das Wort für Reichtum. Osmanthus hat im Chinesischen den gleichen Laut wie Vornehmheit oder Erhabenheit. Der Osmanthus-Zweig und das Baby symbolisieren zusammen den Wunsch nach hervorragenden Nachkommen.

Neben Kindern liegen den Chinesen auch Langlebigkeit und Glück besonders am Herzen.

In chinesischen Neujahrsbildern sind manchmal auch Instrumente zu sehen. Zum Beispiel das ‚Xiao' und das ‚Guan'. Das Zusammenspiel der beiden Instrumente symbolisiert die Harmonie innerhalb der Familie."

Reichtum und Frieden gehören zu den größten Sehnsüchten der Chinesen. Da das Wort Vase den gleichen Laut hat wie das Wort Frieden ist die Vase in den Neujahrsbildern das Symbol für Frieden. Oft weisen die Vasen in Neujahrsbildern Risse auf. Das hat damit zu tun, dass das Wort Riss im Chinesischen gleich klingt wie das Wort „Jahr". Eine Vase mit einem Riss bedeutet somit „Frieden von Jahr zu Jahr".

Langlebigkeit ist in den Augen der Chinesen eine Art Glück. Unter den fünf Glückseligkeiten steht Langlebigkeit auf dem ersten Platz. Nur logisch also, dass die Langlebigkeit in den chinesischen Neujahrsbildern eine prominente Rolle spielt.

Kraniche gelten in der chinesischen Kultur als Symbole der Langlebigkeit. Das hat damit zu tun, dass nach taoistischer Auffassung die Unsterblichen im Himmel leben. Und in den Himmel gelangen sie fliegend auf dem Rücken der Kraniche. Da die Kraniche Kontakt zu den Unsterblichen haben, gelten sie als Symbole der Langlebigkeit. Ein weiteres Langlebigkeitsmsybol ist Kiefer. Die Kiefer ist ein Baum, der zu jeder Jahreszeit grün ist. Die Kiefer suggeriert, dass der Hausbesitzer immer jung bleiben wird. ‚Shouxing', ein alter Mann mit der großen Beule an der Stirn und dem langen weißen Bart ist der Gott des langen Lebens und reitet auf einem Hirsch. Da der Hirsch auch ein Reittier der Unsterblichen ist, symbolisiert auch er Langlebigkeit.

Ein fülliges Baby hält ein Instrument namens ‚Sheng' in seinem Schoß ist ein Symbol für Geburt und Kinder. Denn der Name dieses Instrumentes wird gleich ausgesprochen wie das Wort gebären und gilt daher als Symbol für Geburt und Kinder. Der Überlieferung zufolge wurde das Instrument von der Ehe- und Geburtsgöttin Nüva erfunden.

Die Samenkapsel ist die Frucht der Lotusblume. Deswegen ist auch sie ein Symbol für Kinder. Die prächtigen Päonienblüten wiederum symbolisieren Reichtum. Päonien und Schmetterlinge erscheinen meistens gleichzeitig in einem Bild. Die Kombination von Schmetterlingen und Blumen ist in chinesischen Neujahrsbildern üblich. Während Schmetterlinge ein Männlichkeitssymbol sind, stehen Blumen für die Weiblichkeit. Ihre Kombination symbolisiert die Vereinigung von Mann und Frau. In der chinesischen Kultur wird großer Wert auf die Geburt von Kindern gelegt. Die Menschen werden auf verschiedene Art und Weise daran erinnert, dass das Heiraten und die Geburt von Kindern sehr wichtig sind."

Das Panchang-Muster ist auch ein Glückssymbol. Es hat weder einen Anfang noch ein Ende und soll den Fortbestand der Sippe symbolisieren. Das Panchang-Muster taucht oft in Neujahrsbildern auf. Zu den Glückssymbolen gehören auch Fledermäuse. Die Fledermaus steht in China für zwei Dinge: ursprünglich ist sie ein Symbol für Männlichkeit. In China werden Vögel und Insekten, die fliegen können, mit Sonne, Himmel und Männlichkeit assoziiert. Tiere und Pflanzen, die sich auf dem Boden fortbewegen beziehungsweise wachsen, werden hingegen mit der Weiblichkeit in Verbindung gebracht. Denn in der chinesischen Kultur werden der Himmel der Männlichkeit und die Erde der Weiblichkeit zugeordnet. Da das Wort Fledermaus im Chinesischen gleich ausgesprochen wird wie Glück, gilt die Fledermaus auch als Glückssymbol.

Neujahrsbilder erfreuen sich auch heute noch großer Beliebtheit. Wer ihre Motive richtig zu interpretieren weiß, der erhält einen tiefen Einblick in die Gedankenwelt im alten China.

Übersetzt: Xiao Lan

Gesprochen: Xiao Lan