In China leben 56 verschiedene Volksgruppen zusammen. Für viele von ihnen sind Musik und Tanz eine Brücke, die ihre Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft miteinander verbindet. Wenn Sie mal in die Provinz Yunnan im chinesischen Süden kommen, dann sollten sie auf keinen Fall die Aufführung „Eindrücke aus Yunnan" versäumen. In ihr werden die schönsten Lieder und Tanzstücke verschiedener Völker der Provinz vorgestellt.
Zum Auftakt des Gesangs- und Tanzdramas „Eindrücke aus Yunnan" wird eine Welt im Dunkeln gezeigt: es gibt keine Sonne und keinen Mond. Dann ertönen Trommelschläge. Beim ersten Schlag lichtet sich der Osten, beim zweiten der Westen. Dann bricht ein Wirbel aus 60 Trommeln los. Die Welt wird langsam wach.
Die Trommel wird von unterschiedlichen Volksgruppen in Yunnan verehrt. Die Wa sprechen davon, dass die Muster einer Holztrommel keine Grenzen kennen, so wie Lieder und Tänze.
Wörtlich übersetzt heißt Yunnan „Südlich der Wolken". Die Natur der Provinz wird von großen Bergen und weißen Wolken geprägt. Heute leben hier 51 unterschiedliche Volksgruppen Seite an Seite.
Bei der Vorführung „Eindrücke aus Yunnan" treten mehr als 60 Schauspielerinnen und Schauspieler auf. 95 Prozent von ihnen sind tatsächlich Dorfbewohner und Angehörige von nationalen Minderheiten. Es sind die Lahu, Lisu, Wa, Naxi, Miao und Yao. Sie alle sind geborene Tänzer. Sie wurden von der Regisseurin direkt von den Feldern angeworben, mussten aber die Tänze und Lieder trotzdem nicht lange einstudieren. Sie konnten einfach spontan loslegen. Auch das Bühnenbild, die Kleidung, Steine, Gebetsmühlen und die Musikinstrumente stammen direkt aus dem Alltagsleben der Darsteller.
Zu Beginn zeigt „Eindrücke aus Yunnan" die Verehrung von Natur und die Lebenslust der nationalen Minderheiten der Provinz. Und den Ausklang der Aufführung bildet der Tanz „Seele der Pfauen". 60 Schauspielerinnen verkleiden sich für diesen Tanz als Pfauen – den Glücksvogel der Dai. Angeführt wird dieser Tanz von der berühmten chinesischen Tänzerin Yang Liping. Sie ist zugleich die künstlerische Leiterin und Chef-Choreografin des Stücks.
Yang Liping wurde in einem kleinen Dorf der Bai in Yunnan geboren. Ihren besonderen Pfauentanz kennt fast jeder Chinese. Ihr anderes Meisterwerk ist der Film „Der Sonnenvogel". Sie hat nicht nur das Drehbuch selbst geschrieben, sondern auch Regie geführt und die Hauptrolle übernommen.
Für Yang Liping ist der Mensch Teil der Natur. Und die Natur ist immer schön, ehrlich und intensiv. Ihre Tanzschritte sind von der Natur inspiriert und drücken Liebe, Leben aber auch den Tod aus. Die Aufführungen von Yang Liping gehen den Menschen so nah, dass sie sie „Dichterin des Tanzes" nennen. Aber bis heute hat sie noch nie eine Tanzschule besucht. Sie sagt:
"Ich bin eine Angehörige der nationalen Minderheit. Ich habe Tanz nicht studiert. Wir haben einfach im Dorf getanzt."
Das Tanzdrama „Eindrücke aus Yunnan" ist die erste Aufführung dieser Art, die Yang Liping selbst choreographiert hat. Um „Eindrücke aus Yunnan" zu finanzieren, hat sie 2003 ihr eigenes Haus verkauft und ihre gesamten Ersparnisse aufgebraucht. Das Risiko hat sich gelohnt. Bis jetzt fanden über 3.000 Aufführungen des Tanzstückes in 42 Städten im In- und Ausland statt. Lü Xia, stellvertretende Generalmanagerin der Kunstfirma von Yang Liping, lobt sie in höchsten Tönen:
„Das Stück „Eindrücke aus Yunnan" ist bereits ein Vorbild für die chinesischen Bühnen geworden. Das hat es den langjährigen Mühen von Yang Liping zu verdanken. Es ist originell und verkörpert gleichzeitig Elemente der Kultur der nationalen Minderheiten."
Nach ihrem Entschluss, ein Tanzdrama zu produzieren, hat Yang Liping mehr als 10.000 Kilometer auf den Straßen von Yunnan zurückgelegt. Sie kam in verschiedene Dörfer in denen verschiedene Menschen wohnen. Dort hat sie auch viele neue Tänze gesehen, die sie vorher nicht kannte. So tanzen zum Beispiel die Yi am liebsten bei großen Veranstaltungen. Es gibt Tänze, um böse Geister zu vertreiben, wenn jemand krank ist oder eine Frau eine schwere Geburt durchstehen muss. Yang Liping hat solche Tänze ein wenig umgewandelt und auf die Bühne gestellt. Auf diese Weise bleiben die uralten Tänze für die Nachfahren erhalten. Denn manchmal gibt es nur eine über 70 Jahre alte Großmutter, die alle Schritte eines traditionelles Tanzes noch kennt. So verwandelt sich das Stück in ein lebendiges Museum für Volkstänze.
Die Aufführung findet auch im Ausland große Zustimmung. Nochmals Lü Xia:
„Wir haben 26 Aufführungen in den USA abgehalten. Und wir waren zwei Mal in Brasilien, Argentinien und Japan und sind auf dem Kulturfestival in Sydney aufgetreten. Alle Auftritte hatten einen kommerziellen Zweck und die Sitze waren zu 95 Prozent besetzt. Kultur kennt keine Grenzen, deswegen können alle Zuschauer das Stück verstehen und es gefällt ihnen."
In China glaubt man an Harmonie zwischen Mensch und Natur. Der Mensch und die Natur ist ein Ganzes, sie beeinflussen einander und hängen voneinander ab. Das Stück „Eindrücke aus Yunnan" ist ein perfektes Beispiel für dieses Konzept.
Übersetzt: Yan Wei
Gesprochen: Xi Jing