Nehmen wir zuerst die Statistiken aus dem Jahr 2009 als ein konkretes Beispiel. Chinas Export machte 2009 etwa 9,6 Prozent der gesamten Exportsumme der Welt aus. Das Land war aber in 40 Prozent der Antidumpingfälle und 75 Prozent der Antisubventionsfälle des Jahres involviert. Die Streitigkeiten beschränken sich nicht mehr auf die traditionellen Handelskonflikte. Wechselkurs, Politik im Bereich der neuen Energien, Schutz des geistigen Eigentums, Investitionsumgebung sowie Marktzugangsnormen sind inzwischen neue Brennpunkte der internationalen Handelsstreitigkeiten geworden. Liu Mingli von der chinesischen Akademie für moderne internationale Beziehungen analysiert die grundlegenden Ursachen des Phänomens.
„In der gegenwärtigen schlechten Konjunktur sind internationale Handelsstreitigkeiten nicht zu vermeiden. Einerseits leiden die meisten Industrienationen nun an wirtschaftlicher Stagnation und hoher Arbeitslosigkeit. Vor diesem Hintergrund lässt es sich leicht verstehen, dass der Handelsprotektionismus wieder überhand nimmt. Andererseits ist China nun die größte aufsteigende Wirtschaftsnation der Welt. Durch die langjährige Optimierung ähnelt Chinas Industriestruktur der der Industrienationen immer mehr. Es fällt uns schwer, solche Streitigkeiten zu vermeiden oder gar zu reduzieren. Wir müssen sie einfach angemessen beilegen."
In den letzten Jahren hat Chinas Außenhandelsvolumen mit Entwicklungsländern rasch zugenommen. Dementsprechend gibt es auch mehr Handelsstreitigkeiten. Seit Jahresanfang ist China in über 40 derartige Streitigkeitsfälle mit Ländern wie Argentinien, Mexiko, Brasilien, der Türkei und Indien involviert. Der brasilianische Botschafter in China, Clodoaldo Hugueney, beleuchtet die Hintergründe:
„Der bilaterale Außenhandel zwischen China und Brasilien wächst durchschnittlich 40 Prozent im Jahr. Allein 2010 ist Chinas Exportvolumen nach Brasilien um 60 Prozent gestiegen. Es ist ganz normal, dass es in diesem Prozess zu etlichen Handelsstreitigkeiten kommt. Wichtig ist, dass den beiden Regierungen das Phänomen bereits bewusst ist und sie gezielte Gegenmaßnahmen ergriffen haben. Im Rahmen des chinesisch-brasilianischen hochrangigen Kooperationsrats ist inzwischen ein spezieller Zweig für Wirtschafts- und Handelsbeziehungen gegründet worden. Er wird als Kommunikationsbrücke der beiden Regierungen in diesem Bereich dienen."
Zhou Zhiwei, Generalsekretär des Brasilien-Forschungszentrums der chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften, betrachtet das Phänomen aus einem anderen Blickwinkel. China und Brasilien seien beide wichtige Entwicklungsländer der Welt. Die große Ähnlichkeit der Wirtschaftsstrukturen führe zwangsläufig zu starken Konkurrenzen.
„90 Prozent der von China nach Brasilien exportierten Produkte kommen aus der Fertigungsindustrie. Das bedeutet ohne Zweifel eine riesige Konkurrenz für die einheimische Industrie. Und diese Konkurrenz besteht nicht nur auf dem brasilianischen sondern auch auf dem internationalen Markt. Beispielsweise in den USA oder anderen lateinamerikanischen Ländern konkurrieren China und Brasilien in vielen Branchen um Marktanteile. Streitigkeiten sind unvermeidlich, das liegt auf der Hand."
Gegenüber den immer häufiger auftretenden Handelsstreitigkeiten muss die chinesische Regierung entsprechend der gegebenen Umstände gezielte gesetzliche oder politische Maßnahmen ergreifen. Laut dem chinesischen Handelminister Chen Deming soll die Volksrepublik dabei sein Mitsprachrecht angemessen zur Geltung bringen und sich darum bemühen, solche Streitigkeiten durch Verhandlungen beizulegen.
Übersetzt von Zhu Liwen
Gesprochen von Li Yanping