
Sajiao. Jeder chinesische Mann, der in einer Beziehung steckt, weiß damit etwas zu verbinden. Bei westlichen Männern sieht das anders aus. Während sich diese in vielen Aspekten der chinesischen Kultur anzupassen wissen, sind sie doch von den unterschiedlichen Verhaltensweisen der aktuellen chinesischen Freundin und der verflossenen westlichen Freundin verwirrt.
In China spricht man von „Sajiao". Es ist zwecklos dieses Wort im Übersetzer nachschauen zu wollen, es wird sich nicht finden lassen. Es meint süß, vielleicht auch lieb, unschuldig oder sogar görenhaft oder fordernd. Ein Mann wird es erst dann definieren können, wenn er es erlebt hat.
Frauen haben seit Anbeginn der Zeit Männer umworben, eingeschüchtert und sogar gereizt, um sie um den kleinen Finger zu wickeln. In China definiert „Sajiao" ein Verhaltensmuster, das meint, kokett and feminin, schmollend und nett zu sein.
Für die 25-jährige Sara Li aus der Provinz Guangdong ist es ein weicher Weg, mit ihrem Freund zu kommunizieren.
„Ich „sajiao" ihn, wenn er mir einen Gefallen tun soll oder er mit mir irgendwo hingehen soll. Ich spreche dann in einer behutsameren Art und Weise mit ihm, so als würde ich ihn um etwas bitten wollen. Ich agiere wie ein empfindliches Mädchen, um so sein Mitgefühl zu bekommen."
Frauen können eine Baby-Stimme einsetzen, ihren Wimpernaufschlag nutzen, einen Schmollmund ziehen oder mit ihren großen „Hundeaugen" klimpern. Der 24-jährige Li Nian aus der Provinz Hubei ist seit etwa drei Jahren mit seiner Freundin zusammen und versichert, dass die Reaktion der meisten chinesischen Männer auf solche Verhaltensweisen positiv ist.
„Sie legt solche Verhaltensweisen an den Tag, wenn sich mich zu etwas bewegen will, was ich eigentlich nicht machen möchte. Wenn sie beispielsweise unbedingt einen Nachtisch essen will, und ich noch inmitten von etwas anderem bin, bekomme ich die Unzufriedenheit gezeigt."
Aber „Sajiao" erscheint nicht immer zart und niedlich. Das spielerisch-kindliche Verhalten kann auch zu einem kindlichen Wutanfall ausarten. Das ist dann die Stelle, an der westliche Männer dazu tendieren aufzugeben.
Der 26-jährige Daniel Galvan aus Mexiko ist nun seit fast einem Jahr in China, doch erst vor kurzem ist er an einem Bar-Abend in Beijing mit „Sajiao" in Berührung gekommen.
„Wir gingen ins Sanlitun und dort begannen die Dinge seltsam zu werden. Die Freundin meines Freundes hatte eine Bekannte mitgebracht, die wohl ein Auge auf den Freund geworfen hatte. Und so konnte dieser es kaum abwarten, sich mit seiner Freundin aus dem Staub zu machen. Als sie zusammen tanzten, schob dieses Mädchen meinen Freund immer wieder weg von seiner Partnerin. Das war wirklich sonderbar und linkisch. Ein paar Drinks später verließen das Paar die Bar und ich wollte ebenfalls gehen. Und dann begann das Theater. Sie fragte „Wo sind sie und warum haben sie mich hier gelassen?" Sie versuchte ihre Freundin anzurufen, doch diese ging nicht an ihr Telefon. Und dann bekam sie einen richtigen Wutanfall mit allem drum und dran. Mit Strampeln, Schreien und dann packte sie ihre Baby-Stimme aus."
Der 22-jährige Abdel Ali aus Dänemark hat in den letzten neun Monaten in China studiert. Er begründet, warum er keine Verabredung mit einer Frau mit solchen Verhaltensmustern haben möchte. Und fügt hinzu, dass „Sajiao" eine interkulturelle Beziehung wirklich erschweren kann.
„Ich denke, westliche Männer sind es nicht gewohnt, dass ihre Freundinnen in einer kindischen Art ihre Aufmerksamkeit versuchen zu gewinnen. Oder sie damit versuchen in eine bestimmte Richtung zu beeinflussen. Aber ich kenne auch Ausländer, die diese Verhaltensweise mögen. Hier gehen also die Meinungen auseinander. Die einen mögen es, die anderen nicht."
Daniel Galvan weist darauf hin, dass diese Art von Verhalten nicht nur ein chinesisches Phänomen ist.
„Ein Mädchen versucht immer so mädchenhaft zu sein wie möglich, um Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Nehmen wir als Beispiel, dass ein westliches Mädel eine Beschreibung gibt oder einfach nur mit der U-Bahn fahren will. Und Du sagst, wir treffen uns unmittelbar am Ausgang A der U-Bahnstation. Dann weißt du schon genau, dass du im Laufe der kommenden 10 Minuten 200 Anrufe bekommst, weil sie schon an der U-Bahn steht. Sie wisse nicht genau, ob sie die richtige U-Bahn genommen habe oder was in dieser Art. Und das kommt nach zehn Anrufen, in denen man erklärt hat, wo man die Tickets kauft und wo sie auszusteigen hat."
Galvan meint, dass wenn Frauen in China finanziell unabhängiger werden würden, auch die Wichtigkeit von „Sajiao" abnehmen würde. Er sagt, er könne sich kaum einen reichen weiblichen CEO in einer kindlich schmollenden Art vorstellen.
Aber Sarah Li stimmt ihm in diesem Punkt nicht zu
„Die finanzielle Unabhängigkeit von Frauen wird nicht ihr psychologisches Verhalten verändern. Mädchen sind geboren, um „Sajiao" zu mögen. Da macht es keinen Unterschied, ob sie eine CEO-Position innehaben oder eine Hausfrau sind. Ihre Karriere kann nicht ihre weiblichen Gene und ihren Charakter ändern."
Vielleicht hängt es weniger von den zukünftigen Positionen der Frauen in der Gesellschaft ab, als viel mehr von ihren Rollen in ihren Beziehungen. Letzten Endes können es sich Frauen nur erlauben so zu agieren, denn ihre Männer es so hinnehmen. Westlich oder chinesisch, Zuneigung zur Niedlichkeit oder zu görenhafter Sturheit, dies alles liegt im Auge des Betrachters.
Übersetzt von Tabea Nehrbass
Gesprochen von Liwen



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