
Die Chongming-Insel nahe der ostchinesischen Metropole Shanghai ist die größte Sandinsel aller chinesischen Flussmündungen. Zugleich ist sie mit einer Gesamtfläche von etwa 1.080 Quadratkilometern nach den Inselprovinzen Taiwan und Hainan die drittgrößte Insel Chinas. Die Insel erstreckt sich von Ost nach West etwa 76 Kilometer, von Süden nach Norden 13 bis 18 Kilometer. Sie wird die Perle der Yangtse-Mündung genannt.
Am 17. August 2000 ist das riesige Schiff mit der ersten Gruppe Umsiedlern aus der Bergstadt Chongqing in Chongming angekommen. Ein kleiner Mann, der in den Händen einen Blumentopf hielt, ging zuerst von Bord. Er heißt Xu Jibo und kommt aus Yunyang der Stadt Chongqing. In seinem Blumentopf war ein kleiner Ficus, der als Stadtbaum Chongqings betrachtet wird. Heute arbeitet Xu Jibo in der Nengren Maschinenfabrik Shanghai auf der Insel Chongming.
O-Ton 1 Xu
„Im April des Jahres 2001 begann ich mit der Arbeit in dieser Fabrik. Anfangs hatte ich gar keine Kenntnisse über Maschinenbau. Mir blieb nur „Learning by doing", um Maschineneinzelteile herzustellen. Jeden Monat verdiene ich ungefähr 1000 Yuan RMB, das ist nicht viel im Vergleich zu anderen Inselbewohnern."
Xu Jibo pflanzte den von seiner Heimat hierher gebrachten Baum auf der Insel Chongming an, als Erinnerung. Leider konnte sich das Bäumchen nicht an das Klima anpassen. Nach drei Jahren ist es eingegangen. In dieser Zeit wurde Xu vom Bauern zu einem Maschinenbauer. Am Anfang gab es viele Schwierigkeiten. Ein chinesisches Sprichwort lautet „Die Umsielung von Menschen ist lebendig, die Umpflanzung bedeutet Tod."
Die erste Schwierigkeit für Xu Jibo war die Fremdheit. Auf der Insel Chongming spricht man nicht Mandarin, sondern Dialekt. Manche Einheimische begegneten den Umsiedlern mit Skepsis:
O-Ton 2 Xu
„Durch die Sprache wussten die Einheimischen, dass wir keine Chongminger sind. Manche Leute wussten, dass wir die Umsiedler des Dreischluchtenprojekts sind. Andere nannten uns aber die Fremden. Das machte mich sehr zornig. Einmal holte ich noch meinen Personalausweis raus und zeigte ihnen, dass ich ein echter Chongminger bin. Auf der Insel sollte es einen Platz für mich, Xu Jibo, geben."
Zhang Xueyun wurde auch im Rahmen des Dreischluchtenprojekts umgesiedelt. Er züchtet nun auf der Insel Chongming Schweine und verkauft Schweinefleisch. Jeden Tag um vier Uhr morgens muss er von zu Hause auf den Markt fahren. Das klingt anstrengend, aber seine Familie kann davon leben. Im Vergleich zu dem anfänglich schweren Leben auf der Insel ist Zhang Xueyun jetzt recht zufrieden:
O-Ton 3 Zhang
„Am Anfang hatte ich kein Gehalt. Wir lebten von Ersparnissen. In den ersten zwei Jahren hab ich mich oft wegen kleinen Sachen mit der lokalen Regierung gestritten. Besonders in den Jahren 2002 und 2003 war es sehr schwierig. Ich musste mir sogar Geld borgen, um Futter für meine Schweine zu kaufen. Das ist wahr."
Die Nachbarn der Familie sind Einheimische und haben die Probleme mitbekommen. Dank ihrer Hilfe hat Zhang Xueyun endlich alle Schwierigkeiten gemeistert. Nun vertieft er sich in sein Geschäft. Sein Leben besteht aus drei Elementen: der Familie, dem Markt und dem Gerstenkorn. In den vergangenen zehn Jahren ist er nur einmal in seine Heimat Chongqing zurückgekehrt. Von seinem alten Haus war nichts mehr zu sehen:
O-Ton 4 Zhang
„Ich wollte zurückgehen. Ich träume häufig von meiner Heimat. Ich habe nicht von hier geträumt. Die Berge und das Wasser von meiner Heimat und meine alten Freuden erscheinen oft in meinem Traum."
Um 6 Uhr morgens kommt ein LKW mit dem Autokennzeichen der Stadt Chongqing auf die Insel Chongming. Der Fahrer heißt Jiang Dongping. Er ist auch ein Umsiedler des Dreischluchtenprojekts und kommt aus Yunyang der Stadt Chongqing. Er lebt nun von dem Transport von Baumaterialien. Unter den Umsiedlern hat er ein relativ gutes Einkommen. Auf der Insel Chongming sind ungefähr 200 Umsiedler in diesem Bereich tätig. Die ganze Familie Jiang ist auf die Insel Chongming gezogen:
O-Ton 5 Jiang
„Ich sehne mich jetzt nicht nach der Heimat. Meine ganze Familie ist hier. Ich mache hier jeden Tag Geschäfte. Wo man Geld verdienen kann, ist es besser."
Jiang Dengping hat zwei Kinder, die noch in die Schule gehen. Sein Sohn Jiang Hehai ist Schüler in einem Gymnasium auf der Insel Chongming:
O-Ton 6 Jiang Hehai
„Ich fühle mich als Shanghaier, weil ich eine längere Zeit in Shanghai verbracht habe, als in Chongqing."
Er war bei der Umsiedlung acht Jahre alt. Heute ist Jiang Hehai gut integriert und spricht den hiesigen Dialekt:
O-ton 7 Jiang Hehai
„Ich verstand am Anfang nicht, was die Lehrer und Mitschüler gesagt haben. Später wusste der Lehrer das und begann im Unterricht Mandarin zu sprechen."
Die Umsiedlung war die erste Hürde, nun kommt bald die Aufnahmeprüfung für chinesische Universitäten:
O-Ton 8 Jiang Hehai
„Ich will die Universität für Marine in Shanghai besuchen und später etwas machen, was mit dem Meer zu tun hat. Wenn ich heute noch in Chongqing wäre, hätte ich nicht so gute Lernbedingungen. Ich hätte vielleicht keine Chance, meinen Schulbesuch fortzusetzen."
Nach der Umsiedlung gab es für die Menschen auf der Insel in den vergangenen zehn Jahren Höhen und Tiefen. Was werden die nächsten Jahre bringen? Wir bleiben dran!
Übersetzt von Li Qian
Gesprochen von Xiao Lan



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