Interview mit Yu Xiaoxuan (Foto von Zhang Chen)
Seit ihrer Gründung vor 90 Jahren war die KP Chinas stets auch am Austausch mit den übrigen kommunistischen und sozialistischen Parteien der Welt interessiert. Kurz nach Gründung der Volksrepublik wurde diesem Interesse im Jahre 1951 eine institutionelle Form verliehen – die Internationale Abteilung beim Zentralkomitee der KP. Im Laufe der Zeit trat China mit immer mehr Ländern der Welt in Kontakt, wodurch auch die Aufgaben der Internationalen Abteilung stetig zunahmen. Heute unterhält die Abteilung Kontakte zu 600 Parteien und politischen Organisationen in über 160 Ländern der Welt. Um Übersichtlichkeit und Effizienz zu gewährleisten, unterteilt sich die Abteilung in acht Regionalbüros, deren Zuständigkeitsbereiche politische Räume wie Lateinamerika oder Süd- und Südostasien umfassen. Der Austausch mit Deutschland obliegt dem Büro für Westeuropa. Hier werden die Beziehungen zu den Parteien der einzelnen EU-Ländern, aber auch zu den Fraktionen des Europäischen Parlaments sowie zu den Regionalparteien Europas gepflegt. Der Austausch erfolgt dabei auf mehreren Ebenen und durch eine Vielzahl an Kanälen. Die große Bandbreite der Ansprechpartner aus verschiedenen politischen Lagern ist auf den ersten Blick überraschend, wie auch die Vizeleiterin des Büros für Westeuropa Yu Xiaoxuan hervorhebt.
„Die KP Chinas pflegt Kontakte zu allen wichtigen europäischen Parteien. Diese politische Breite ist für eine kommunistische Partei ungewöhnlich, aber der regierenden Partei eines so großen Landes durchaus angemessen."
Diese auch ideologisch grenzübergreifende Parteizusammenarbeit war jedoch keineswegs von Anfang an gegeben, sondern ist vielmehr ein Produkt historischer Entwicklungen. Die entscheidenden Weichenstellungen erfolgten dabei in den vergangenen 30 Jahren. Der Zeitraum zwischen dem Beginn der Reform- und Öffnungspolitik im Jahre 1978 bis zum heutigen Tag lässt sich dabei in drei Phasen unterteilen, wie Yu Xiaoxuan erläutert. Die erste Phase begann demnach 1978 und dauerte bis zum Ende der 80er Jahre an. In dieser Zeit nahm die KP ihr Engagement für den freundschaftlichen Austausch mit den politischen Parteien und Organisationen Europas langsam wieder auf. Die ersten Ansprechpartner waren hierbei vor allem die größten kommunistischen Parteien Europas in Italien und Frankreich. Schon bald folgten aber auch Gespräche mit einigen sozialdemokratischen Parteien. Die Chinabesuche Willy Brandts und François Mitterrands sind dabei nicht nur Ausdruck dieser Entwicklung, sondern ermöglichten zugleich auch den tatsächlichen Durchbruch im Verhältnis Chinas zu den sozialdemokratischen Parteien Westeuropas. In der folgenden Phase, die sich bis in die Mitte der 90er Jahre erstreckte, erfolgte im Wesentlichen ein Ausbau der zuvor hergestellten Beziehungen. Im Verlauf der ausgehenden 90er Jahre wandte sich die KP China schließlich auch den übrigen Parteien Europas zu und nahm Kontakte zu den Fraktionen des europäischen Parlaments auf. Dieser Prozess konstituiert die dritte Phase der Entwicklung und dauert bis heute an.
Doch warum legt China soviel Wert auf die Zusammenarbeit mit Parteien aus aller Welt? Nach Angaben Yu Xiaoxuans hängt dies mit der Rolle einer politischen Partei im jeweiligen Land zusammen:
„Parteien haben oft ein besseres Gespür, ich meine also für das Klima im
eigenen Land, und können manchmal auch offener miteinander sprechen,
reden als die Regierungen."
Demnach ermöglicht der informelle Austausch zwischen führenden Parteimitgliedern im kleineren Kreis eine direkte, offene und flexible Aussprache. Man spreche häufiger miteinander und weniger übereinander, wie Yu Xiaoxuan betont. Dies führe dazu, dass auch strittige Punkte leichter angesprochen werden können. Die Mittel der Internationalen Abteilung sind dabei sehr vielfältig. Besonders bewährt haben sich der Austausch von Delegationen, die Organisation von Symposien oder auch das Parteienforum zwischen China und Europa. Als sehr hilfreich für das gegenseitige Verständnis haben sich auch direkte Parteiendialoge erwiesen, wie sie etwa seit acht Jahren mit den deutschen Unionsparteien CDU/CSU veranstaltet werden.
Allerdings beschränkt sich die Tätigkeit der Internationalen Abteilung nicht auf politische Parteien. Stiftungen und Organisationen können ebenso als Ansprechpartner dienen. Speziell in Deutschland nehmen die parteinahen Stiftung eine bedeutende Rolle in der Außenwirkung politischer Strömungen ein. Zwar arbeite man mit politischen Organisationen aus ganz Europa zusammen, wie Yu Xiaoxuan betont. Doch in keinem Fall sei die Kooperation so ausgereift wie im Fall der deutschen parteinahen Stiftungen. Die Friedrich-Ebert-Stiftung mag als Beispiel einer besonders gelungenen Zusammenarbeit dienen. Die Kontaktaufnahme der Internationalen Abteilung zur Friedrich-Ebert-Stiftung Mitte der 80er Jahre setzte entscheidende Impulse für die Beziehung zwischen der KP China und der SPD. Bis heute spielt die Stiftung eine wichtige Rolle im Austausch beider Parteien.
„Wir tauschen sehr viele unterschiedliche Themen miteinander aus, wie zum Beispiel soziale Absicherungssysteme und Sicherheitspolitik, außerdem über den wirtschaftlichen Aufbau im jeweiligen Land und Parteiarbeit."
Die bei der Zusammenarbeit zwischen den Parteien gewonnenen Erfahrungen wiederum erweisen sich auch für die diplomatische Arbeit des Außenministeriums als vorteilhaft. So sei man in der Lage, als Berater zu dienen und aus den eigenen Erfahrungen mit deutschen Politikern mögliche Szenarien und Fragen zu entwickeln. Dennoch herrscht zwischen dem Außenministerium und der Internationalen Abteilung eine strenge Arbeitsteilung.
„Die Internationale Abteilung kann man nicht verstehen als Außenministerium von der Partei. Zwar ist die KP Chinas die regierende Partei in China, aber wir haben unser eigenes Außenministerium in der Regierung. Wir pflegen Parteikontakte besonders, um die Kontinuität und Stabilität der bilateralen Beziehungen zwischen Staaten zu garantieren. [...] Und außerdem möchten wir politische Themen ergänzen. Wie ich schon gesagt habe, spielt es eine strategische, anleitende Rolle."
Prinzipiell verdichten sich Anzeichen dafür, dass die zunehmenden Herausforderungen der internationalen Beziehungen eine größere Rolle des globalen Parteienaustausches mit sich bringen werden. Es ist zu erwarten, dass es immer häufiger die Parteien sind, welche den Dialog zwischen den Zivilgesellschaften organisieren sowie Stabilität und Kontinuität in den politischen Beziehungen gewährleisten können. Eine bessere Verständigung zwischen China und der Welt ist daher das erklärte Hauptziel der Internationalen Abteilung. Speziell in Westeuropa haben die bestehenden kulturellen Unterschiede sowie die rasante Entwicklung Chinas in den letzten Jahren zu einer gewissen Verängstigung der Menschen geführt. Nun gelte es daher, diese Verunsicherung durch strategische Dialoge zu beseitigen und beiden Seiten zu einem tieferen Verständnis des jeweils anderen zu verhelfen.
Interview, Text und gesprochen von Lucas Göpfert