Wolfger Pöhlmann gehört zu den wichtigsten und erfahrensten Ausstellungsmachern in Deutschland. Der 1949 geborene Praktiker ist aktuell als Referent in der Abteilung für Bildende Kunst der Münchner Zentrale des Goethe-Instituts für Sonderaufgaben tätig. Sein 2007 erschienenes Handbuch zur Ausstellungspraxis wurde nun auch ins Chinesische übersetzt. Aus diesem Anlass ist Pöhlmann auf einer Vortragsreise in China unterwegs, auf Einladung des Goethe-Instituts Beijing. 1993 kurierte Pöhlmann die Ausstellung „China Avantgarde", die nach Berlin auch in den Niederlanden, Dänemark und Großbritannien gezeigt wurde – damals eine Sensation. In den vergangenen Jahren habe sich viel verändert:
„Fast Alles. Als ich 1992 nach China kam, um die Ausstellung vorzubereiten, da waren die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Künstler noch sehr, sehr schwierig. Sie wohnten in ganz engen Räumen, haben Hochbetten gehabt, oft unter dem Bett die Bilder gestapelt, kein Platz gehabt zum Arbeiten. Und sie mussten, wenn sie ausstellen wollten, haben sie meistens für zwei, drei Tage ein Hotel gemietet. Das Geld zusammengeschnorrt, die Eltern haben was gegeben, um dann für zwei, drei Tage ihre Werke einer Öffentlichkeit zuzuführen. Inzwischen geht's den gleichen Künstlern hervorragend, muss ich sagen."
Das liege auch an der Unterstützung des chinesischen Staats, erzählt der deutsche Ausstellungsmacher weiter. Und das Publikum sei viel breiter geworden.
Laut Wolfger Pöhlmann kann Kunst Kultur zur Wahrnehmung bringen. Die Ausstellung „Kunst der Aufklärung" im Nationalmuseum in Beijing sei ein gutes Beispiel für den modernen Kulturaustausch zwischen China und Deutschland. Die Welt sei eine kleine Einheit geworden und die gesamte Kultur Teil einer großen Freizeitindustrie. Chinesische Kunst stehe für Eigenständigkeit und Unverwechselbarkeit. Der Ausstellungsmacher attestiert chinesischer Kunst in Deutschland ein großes Potential. Chinesische Billig-Shops und entsprechende Bilder würden in der Bundesrepublik völlig falsche Klischeebilder prägen. Wolfger Pöhlmann:
„Man denkt, China ist billig und schäbig und uniform. Und diese Uniformität ist in Wirklichkeit in China überhaupt nicht gegeben. Die Chinesen sind individuell, sie sind temperamentvoll, sie sind lustig, sie sind völlig anders als die Vorstellung, die wir auch über die Bilder von den großen Massenaufmärschen, von den perfekten Kindern bekommen. Nein, die Chinesen sind eigentlich anders, sind uns viel näher sogar, glaube ich, wie die Japaner."
Dieser letzte Fakt ist zumindest geographisch nicht von der Hand zu weisen. Über alles andere sollte sich wohl jeder selbst ein Bild machen.
Dr. Huang Mei hat bei der Übersetzung von Pöhlmanns Ausstellungs-Ratgeber mitgewirkt und organisiert selbst viele Kulturprogramme. Sie hat an der Goethe-Universität Frankfurt am Main im Fach Kunstpädagogik promoviert. Eines ihrer Projekte sind die seit zehn Jahren stattfindenden „Deutsch-Chinesischen Jugendtage". In China höre man oft den Spruch „Jugendliche seien die Zukunft" und das sei in Deutschland ja genauso, erklärt Dr. Huang. Deshalb müsse man sich für die Jugend engagieren: Kultur und Kunst würden als Brücke dienen. Um was es vor allem geht?
„Voneinander lernen, einander bewundern und auch so, was die haben, was wir nicht haben und, was wir gemeinsam haben."
Deutschland und China – Gemeinsam in Bewegung: Die auf drei Jahre angelegte Veranstaltungsreihe ging 2010 mit einem Auftritt auf der Expo in Shanghai zu Ende. 2009 hat Doktor Huang in Wuhan das Kulturprogramm der bisher größten Darstellung Deutschlands im Ausland geleitet. Außerdem war sie Hauptkuratorin der 130 Künstler umfassenden Ausstellung „Gemeinsam in Bewegung – Zeitgenössische Kunst aus Deutschland und China".
China will nun das Jahr 2012 zum chinesischen Kulturjahr in Deutschland machen. Anlass ist der 40. Jahrestag der Aufnahme diplomatischer Beziehungen. Auch die positiven Erfahrungen mit der deutschen Veranstaltungsreihe haben zu dieser Idee beigetragen. Die Kulturreise geht also weiter - in Deutschland. Dr. Huang Mei erwartet von diesem und künftigen Kulturaustauschveranstaltungen mehr Tiefgang, die Phase der Neugier habe man schließlich hinter sich gelassen:
„Dieser Kulturaustausch soll tiefer gehen, weil unsere erste Phase von Begegnung, erste Begegnung, gegenseitig bewundern, weil wir noch nie getroffen haben. Diese Phase, denke ich, ist schon vorbei. Man erwartet etwas tiefer Eingehendes und das ist schwieriger. Beide Seiten sollen die Vorurteile überwinden. Bei erster Begegnung zeigt man noch nicht, aus Höflichkeit und dann bei zweitem, weiterem Austausch, dann kommt die Frage, was wollen wir gemeinsam genau machen. Da müssen auch beide Seiten aufeinander zugehen."
Die chinesische Kuratorin freut sich momentan vor allem auf Oktober. Denn dann holt sie eine Gruppe junger deutscher Tänzer nach China. „Step by Step" heisst das Ensemble. Schritt für Schritt sollte es auch weitergehen im deutsch-chinesischen Kulturaustausch: für ein tieferes Verständnis und gegen landläufige Vorurteile.
Text und gesprochen von Marie Bollrich