Ein typisches chinesisches Frühstück besteht aus Sesambrot, Krapfenstangen, Mantou und Brei. In China eher selten sind westliche Frühstücksklassiker wie Brötchen, Milch und Kaffee. Selbstverständlich gibt es auch regionale Spezialitäten.
Typisch für die Yangtse-Metropole Wuhan sind getrocknete, aufgewärmte Nudeln. Die sogenannten „Re Gan Mian" sind einfach und schnell zubereitet und ganz schön scharf. Zudem besteht akute Suchtgefahr. Alle Arten der äußerst leckeren „Re Gan Mian" zu probieren, ist während eines Kurzaufenthalts in der Yangtse-Metropole ein Ding der Unmöglichkeit. Denn die für die Nudeln typische Gewürzmischung aus Chiliöl, Sesampaste, Essig, eingelegtem Gemüse und Algen schmeckt in jedem Restaurant wieder ein wenig anders. Wang Yaqi aus Nordchina hat die „Re Gan Mian" während ihrer vierjährigen Studienzeit in Wuhan zu lieben gelernt:
„Die meisten haben ein komisches Gefühl, wenn sie die Wuhaner „Re Gan Mian" mit ihrem etwas trockenen und klebrigen Geschmack zum ersten Mal probieren. Aber spätestens beim dritten oder vierten Mal beginnen die Nudeln wirklich gut zu schmecken! Für mich war der Verzehr der leckeren „Re Gan Mian" am frühen Morgen der schönste Moment des ganzen Tages. Manchmal musste ich für meine Nudeln vor dem Frühstücksstand sogar lange Schlange stehen. Die „Re Gan Mian" sind sehr billig. 100 Gramm kosten lediglich zwei Yuan RMB."

Das bekannteste Frühstück in Beijing ist zweifellos das Sojamilchgetränk „Dou Zhi". Sein ungewöhnlicher Geruch sowie sein etwas merkwürdiger Geschmack haben dem „Dou Zhi" zu zweifelhaftem Ruhm verholfen. Entweder man liebt das Getränk oder man kann es nicht ausstehen. Wu Shiyun aus Taiyuan musste sich beim erstmaligen Genuss regelrecht selbst überwinden:
„Ich habe „Dou Zhi" erst auf Empfehlung eines deutschen Freundes probiert. Seiner Meinung nach schmeckt das Sojamilchgetränk ähnlich wie Sauerkraut – zumindest wenn man es nicht riecht. Als mir der leicht verdorbene Geruch der graugrünlichen Flüssigkeit langsam die Nase hinaufstieg, betete ich zehnmal, dass daraus Sauerkraut werden würde, bevor ich den ersten Löffel runterschluckte. Sein Geschmack erinnerte mich in Tat und Wahrheit an stark riechenden Käse."
Normalerweise bestellen die Beijinger zum „Dou Zhi" gebratene Nudeln. Die knackigen „Jiao Quan" sind der klassische Partner des „Dou Zhi".
„Ich empfand die Nudeln allerdings für ein bisschen zu ölig. Das saure „Dou Zhi" hat den fettigen Geschmack der Nudeln richtiggehend neutralisiert."
Die beiden Gerichte sehen vielleicht nicht allzu schmackhaft aus, doch sie passen perfekt zueinander. Daher werden die „Jiao Quan" von den Beijingern immer zusammen mit dem „Dou Zhi" zum Frühstück verzehrt.
Ein beliebtes Frühstück in Südchina – besonders im März und April – ist eine Art von grünem Reiskuchen. Die sogenannten „Qing Tuan" sehen aus wie Bällchen. Ihr Teig besteht aus Klebreis und Trespensaft. Gefüllt werden die Teigbällchen mit einer Mischung aus Sesam, süßem Bohnenmus oder Bambussprossen. Die „Qing Tuan" sind vor allem im ostchinesischen Hangzhou sehr beliebt. Ihr smaragdartiges Aussehen und ihr frischer Trespengeruch verleihen den „Qing Tuan" einen Hauch von Frühling, der auch Wu Shiyun unwiderstehlich findet:
„Am liebsten mag ich die „Qing Tuan" mit Bambussprossen. Die grünen Bällchen mit ihrer erfrischenden Füllung erinnern mich immer wieder an die Morgensonne während meiner Studienzeit in Hangzhou."
China unterscheidet sich von Region zu Region. Entsprechend vielfältig ist das Angebot an chinesischen Frühstücksspezialitäten. Zu den landesweit bekanntesten Frühstücksgerichten gehören die extrem scharfe Chili-Suppe „Hu La Tang" aus Henan, die Pfannkuchen „Jian Bing" aus Shandong und die mit einer leckeren Flüssigkeit gefüllten „Tang Bao" aus Shanghai. Ebenfalls in ganz China bekannt ist die Nanjinger „Ya Xue Fen Si Tang", eine Suppe aus Glasnudeln und Entenblut, die mit Krabben gefüllten Nudeltäschchen „Xia Jiao" oder die „Bao Zi" mit Lotuskernen aus Guangzhou.
In seinem berühmten Werk „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" befasste sich der französische Schriftsteller Marcel Proust mit Erlebnissen, welche die Erinnerungen eines Menschen wieder vergegenwärtigen. Unter anderem schildert er, wie ein Stück Madeleine, das er in eine Tasse Tee taucht, in ihm plötzlich Erinnerungen an seine Kindheit in seiner Heimat Combray wachruft. Für Proust ist jeder Bissen tief mit einem Ort verbunden. „Und mit einem Mal war die Erinnerung wieder da", schreibt er nach seinem Biss in die Madeleine. Vielleicht gibt es also auch in Ihrem Leben einst einen Tag, an dem Sie nach dem Frühstück mit einem Seufzer der Verwunderung sagen: Ah, genau so hat es in China geschmeckt!
Text von Lu Shan
Gesprochen von Lu Ming Lu Shan



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