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Tianyige – die älteste Privatbibliothek Chinas
  2011-02-27 16:10:17  cri
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F: Herzlich willkommen zu unserer Fragerunde! Wolfgang Gröppel schrieb uns in seiner E-Mail:

M: „Sehr geehrte Deutsche Redaktion, wie Ihr wisst höre ich regelmäßig Radio China International, ich möchte mal eine Frage an Sie richten: Wie heißt die größte Bibliothek aus der alten Welt Chinas? Und was beinhaltet sie an Büchern?"

F: Ja, liebe Hörer und lieber Herr Gröppel, wir haben viel recherchiert. Aber es ist äußerst schwer von der absolut „größten" Bibliothek zu sprechen. Dafür ist die Zeitspanne zu lang und die Arten der Buchsammlungen zu verschieden. Deswegen wollen wir uns auf eine der berühmtesten Privatsammlungen des alten China konzentrieren – Tianyige aus Ningbo. Bereits der Name verrät ihre Besonderheit. Während „Ge" mit Pavillon, Turm oder Dachgeschoss übersetzt werden kann, steht „Tianyi" für „Nummer eins unter dem Himmel".

M: Ja. Wie man sich denken kann, hatte man im alten China keinen spezifischen Ausdruck für „Bibliothek". Man sprach von einem Pavillon, Turm, Kabinett, einer Dachkammer oder Halle. Ningbo ist eine Küstenstadt in der ostchinesischen Provinz Zhejiang, südlich von Shanghai. Sie wird manchmal auch als die „Buchstadt in Südchina" bezeichnet. Den Namen verdankt sie Tianyige, der ältesten Privatbibliothek des Landes.

F: Sie wurde in der Ming-Dynastie zwischen 1561 und 1566 von Fan Qin errichtet. Der stellvertretende Verteidigungsminister des Landes schied aus seinem Dienst aus und kehrte in seine Heimatstadt Ningbo zurück. Er wollte sich nun ausschließlich den Büchern widmen. Seine Büchersammlung umfasste bereits 70 000 alte Bände und Fan Qin wollte sie würdig unterbringen. Wie der Name schon sagt ist Tianyige ein Pavillon. Es ist ein zweistöckiger Holzbau, der achteinhalb Meter hoch ist. Wie es sich für einen hohen Beamten gehörte, stand der Pavillon natürlich nicht alleine, sondern war Teil einer großen Parkanlage.

M: Auch nach 400 Jahren befindet sich die Büchersammlung von Fan Qin in einem guten Zustand. Eine Seltenheit, sowohl in China als auch in anderen Teilen der Welt. Zudem hatte Fan Qin eine Reihe strenger Benimmregel für den Buchpavillon ausgearbeitet. Man durfte darin weder Trinken noch Rauchen. Die Bücher durften nur in der Bibliothek selbst gelesen und nicht nach draußen gebracht werden. Es wurden auch Vorkehrungen gegen Wasserschäden, Feuer und Diebstahl getroffen. Für den heutigen Hörer klingen die Vorkehrungen wenig überraschend. Sie werden so oder so ähnlich in den Bibliotheken zwischen Beijing und Berlin angewandt. Doch wollen wir an dieser Stelle noch mal betonen, dass das Tianyige eine Privatbibliothek war, zu der nur der Hausherr und seine Familie Zutritt hatte. Und es war in der damaligen Zeit durchaus üblich, dass Gelehrte sich in einem Pavillon wie dem Tianyige getroffen und sich dort beim Tee oder Wein über Kunst oder Literatur unterhalten haben.

F: Genau. Und es hat ziemlich lange gedauert, bis ein Außenstehender das Tianyige betreten durfte. Erst dem großen Gelehrten der Qing-Dynastie, Huang Zongxi, gelang es im 17. Jahrhundert Zutritt in das Tianyige zu verschaffen. Das Ereignis markiert auch den Beginn einer relativen Offenheit der Privatbibliothek. Nun konnten auch Fremde nach Ningbo reisen und den reichhaltigen Bestand nutzen. Doch war auch jetzt der Zutritt nur wirklich großen und bedeutenden Gelehrten vorbehalten.

M: Ja. Wir wissen von dem Besuch von Huang Zongxi aus seinem Tagebucheintrag. Der größte Teil der Sammlung von Tianyige beschäftigt sich mit dem zeitgenössischen gesellschaftlichen Leben. Handel, Geschäftsleben, Landwirtschaft, Manufakturen und so weiter. Sie sind natürlich eine unersetzbare Quelle für die heutige Wissenschaft.

F: Ja, genau. Im Jahre 1772 spendeten die Nachkommen von Fan Qin dem Kaiserhaus mehr als 600 Bände ihrer Bücher. Der Qing-Kaiser Qianlong nahm sie in seine eigene Sammlung auf – das berühmte Siku Quanshu, die „Vollständige Sammlung der Vier Schätze". Um sie unterzubringen ließ Qianlong sieben Häuser in verschiedenen Städten des Landes bauen. Alle waren sie dem Tianyige nachempfunden.

M: Ja, Genau. Hier sieht man die Bedeutung von Tianyige für die Entwicklung des Bibliothekenwesens in China. Nach der Gründung der Volksrepublik China hatte man extra für Tianyige eine Verwaltungsbehörde errichtet. Zusammen mit den Spenden von lokalen Sammlern umfasst die Sammlung alter Schriften in Tianyige derzeit mehr als 80 000 Bände. Alles zusammengenommen wahrt man dort 300 000 Bücher und Schriftstücke auf. Ebenfalls sind Meisterwerke der Kalligrafie und Malerei, Inschriften, Porzellan und Schnitzereien aus Stein und Bambus vertreten.

F: Ja. In den 90er wurde Tianyige gründlich renoviert. Heute steht es in einer malerischen Umgebung in einer Parkanlage. Es ist ein Kulturmuseum, dessen Kern natürlich nach wie vor die Büchersammlung ist.

M: Ja. Aber es werden auch andere Kulturbereiche abgedeckt. Das ganze Jahr über finden Wechselausstellungen und andere kulturelle Veranstaltungen statt. Einen besonderen Wert besitzen die Gemeindechroniken und Ahnentafeln. Insgesamt werden in Tianyige mehr als 6700 Bände Gemeindechroniken und über 550 Ahnantafeln aufbewahrt. Sie sind wertvolle Zeugen der geschichtlichen Entwicklungen in der Region und im ganzen Land.

F: Ja, so ist das. Tianyige in Ningbo hat auf die Kulturgeschichte des Landes einen entscheidenden Einfluss. Es ist nicht nur eine Bibliothek, sondern ein Symbol für die starke Willenskraft und Streben nach Wissen.

M: Ja, soviel liebe Radiofreunde, über Tianyige – die älteste Privatbibliothek Chinas.

Forum Meinungen
• mengyingbo schrieb "Leben in Changshu"
seit etwas über einer Woche ist nun Changshu 常熟 in der Provinz Jiangsu 江苏 meine neue Heimat - zumindest erstmal für rund 2 Jahre.Changshu (übersetzt etwa: Stadt der langen Ernte) liegt ungefähr 100 km westlich von Shanghai und hat rund 2 Millionen Einwohner, ist also nur eine mittelgroße Stadt.Es gibt hier einen ca. 200m hohen Berg, den Yushan 虞山 und einen See, den Shanghu 尚湖...
• Ralf63 schrieb "Korea"
Eine schöne Analyse ist das, die Volker20 uns hier vorgestellt hat. Irgendwie habe ich nicht genügend Kenntnisse der Details, um da noch mehr zum Thema beitragen zu können. Hier aber noch einige Punkte, welche mir wichtig erscheinen:Ein riesiges Problem ist die Stationierung von Soldaten der USA-Armee in Südkorea...
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