Vier Jahre lebe und arbeite ich nun schon in Beijing, da sammeln sich natürlich viele Erlebnisse an. Besonders gerne denke ich natürlich an die Zeiten während des Frühlingsfestes zurück, denn zum bedeutendsten Fest in China zeigt sich das ganze Land von einer besonderen Seite: man trifft sich mit der Familie, der Tagesablauf ist entspannter und vor allem das Essen und das Treffen von Freunden und Verwandten stehen im Mittelpunkt.
Ich kann mich noch gut an mein erstes Frühlingsfest hier in Beijing erinnern; ich war erst wenige Wochen in der Stadt und kannte noch nicht sehr viele Menschen, also dachte ich mir, ich gehe einfach zum Trommelturm und lasse mich überraschen. Ich hatte nämlich gelesen, dass dort in den Tagen rund um das Frühlingsfest immer viel los sei und ein Abend dort ein besonderes Erlebnis darstellen sollte - und so sollte es auch kommen!
Nördlich des Trommelturms liegt ein rechteckiger Platz, nur etwa 20 mal 40 Meter groß; gleich im Anschluß daran befindet sich der Glockenturm, und links und rechts davon sind einige kleine Geschäfte und Kneipen. So vertrieb ich mir dort also die Zeit bis Mitternacht, und um zu wissen, wie spät es war, musste ich nicht einmal auf die Uhr schauen: allein durch einen Blick durch das Kneipenfenster konnte ich erkennen, wie sich der Platz vor dem Trommelturm langsam mit Anwohnern und Schaulustigen füllte, ein sicheres Zeichen, dass es bald soweit sein musste!
Und da ging es auch schon los: zuerst nur vereinzelt und relativ leise, aber dann krachten auf dem gesamten Platz Böller und Knaller! In der ganzen Nachbarschaft dröhnte, knatterte, ratterte und donnerte es, es war unglaublich! Ein ohrenbetäubendes Spektakel, im wahrsten Sinne des Wortes, und dieses Krachen hielt gut und gerne 15 Minuten an! Kein Wunder, dass schon nach kurzer Zeit die vielen Raketen und das Feuerwerk am Nachthimmel nur noch schemenhaft zu erkennen waren, denn der gesamte Platz war durch die vielen Detonationen in dichten Rauch gehüllt! Später habe ich gelernt, dass Lärm und Krach gerade an Sylvester besonders wichtig sind, denn so begrüßt man in China nicht nur das neue Jahr, nein, auch böse Geister werden der Tradition nach so vertrieben.
Und dass diese bösen Geister auch ja weit flüchten, dafür sorgten an diesem Abend vor vier Jahren Jung und Alt mit solch Freude und so viel Spaß, dass ich diese schönen Eindrücke und Bilder sicher noch lange in Erinnerung haben werde.
Was ich persönlich noch am chinesischen Neujahrsfest liebe: Beijing ist zu dieser Zeit besonders eine Reise wert. Nicht nur wegen den ganzen Feiern, nein, auch weil die Stadt dann etwas leerer ist, wenn man das von einer Millionenstadt überhaupt so behaupten kann. Wie gesagt, das Frühlingsfest ist das wichtigste Familienfest in China, und wer nur irgendwie kann und ein Ticket ergattert, fährt nach Hause zur Familie. Gerade in Beijing arbeiten und leben viele Chinesen, die eigentlich aus anderen Landesteilen stammen, das gleiche gilt für die vielen Studenten. Wenn also all die Auswärtigen zum Frühlingsfest nach Hause fahren, ist es deutlich ruhiger und angenehmer in der Stadt, das merkt man beispielsweise in der U-Bahn oder im Bus, aber auch bei einem Winterspaziergang im Park oder abends im Restaurant.
Selbstverständlich ist die chinesische Hauptstadt das ganze Jahr über einen Besuch wert, aber gerade zum chinesischen Neujahrsfest lohnt es sich, Stadt und Traditionen vor Ort zu erkunden!
Text und Gesprochen von Christoph Limbrunner