Einmal im Jahr geht es in Qingdao so richtig rund. In der Küstenmetropole im Osten der Provinz Shandong wird jedes Jahr im August das internationale Bierfest gefeiert. Die Veranstaltung gilt als größte dieser Art in ganz Asien. Und das große Vorbild ist natürlich das Oktoberfest in München. Genau wie die berühmte Vorlage in Deutschland zieht das chinesische Fest jedes Jahr Millionen Besucher aus dem In- und Ausland an.
Für Qingdao ist die Rolle im Rampenlicht keine ungewohnte: 2008 war sie die Partnerstadt Beijings während der Olympiade. Hier wurden die Segelwettbewerbe ausgetragen, und das olympische Erbe ist auch heute noch zu sehen. Die modernen Werftanlagen zählen zu den Höhepunkten einer Stadt, die an Attraktionen nicht arm ist. Qingdao ist einer der zehn wichtigsten Häfen der Welt, ein wichtiger Produktionsstandort und ein beliebtes Ziel für in- und ausländische Touristen. Das international renommierteste Aushängeschild der Stadt ist jedoch das Tsingtao-Bier.
Bier ist in Qingdao wirklich überall präsent. Es gibt eine Bierstraße, die zum Biermuseum führt, überfall verkaufen kleine Geschäfte gezapftes Bier und in den Restaurants stehen oft schon zwei Flaschen Tsingtao auf dem Tisch, bevor man überhaupt bestellt hat. Nur wenig erinnert heute noch daran, dass die Marke „Tsingtao" im Prinzip ein Relikt aus der deutschen Kolonialzeit ist. 1897 wurde die deutsche Kolonie gegründet. Tsingtao hieß die Stadt damals, und sie war eine Art Mini-Deutschland in Fernost. Und natürlich wollten die deutschen Kolonialherren nicht auf ihr Lieblingsgetränk verzichten. Ab 1904 brauten deutsche und britische Ingenieure den Gerstensaft. Von den Ursprüngen der Brauerei kann man sich heute im Biermuseum ein Bild machen.
Kein Wunder daher, dass die Qingdaoer stolz sind auf ihre Brautradition und diese entsprechend feiern. 1991 wurde das internationale Festival zum ersten Mal veranstaltet. Von der Stadtverwaltung wurde es von Anfang an unterstützt, das Publikum zeigte sich ebenfalls begeistert. Seitdem findet die Veranstaltung jährlich statt. Für Wirtschaft und Tourismus ist sie zu einem Fixtermin geworden, zieht sie doch viele Besucher aus dem In- und Ausland an. Nach fast 20 Jahren Erfahrung ist das Internationale Bier-Festival von Qingdao ein weithin bekannter Markenname geworden. Das Festmotto lautet übrigens „Gan Bei mit der Welt". Gan Bei bedeutet Prost, und man hört den Ausruf natürlich überall.
Die Bierstadt ist seit dem sechsten Bierfest das Zentrum der Festlichkeiten. Sie liegt im Shilaoren Tourism Resort, einem Vergnügungspark mit großen Theatern für Literaturveranstaltungen. Der so genannte „Palast von Tsingtao" befindet sich in der Nähe des Eingangs. In diesem zweistöckigen Gebäude findet man bereits in den frühen Nachmittagsstunden nur schwer einen Platz. Die Zuschauer sind in Feierlaune, überall wird gelacht, gesungen und natürlich auch getrunken. Dementsprechend gut ist auch die Stimmung unter den ausländischen Gästen.
Wie es sich für ein internationales Bierfest gehört, findet man natürlich auch internationale Marken wie das erwähnte Paulaner, Bitburger, Karlsberg, Budweiser, Heineken und sogar das afrikanische Oryx-Bier. Für das leibliche Wohl ist natürlich ebenfalls gesorgt. Auf gebratenen Ochsen wie auf der Wiesen muss man zwar verzichten, dafür gibt es gegrillte Lammspieße, würzige Entenhälse oder verschiedene Brotspezialitäten. Die Angestellten von manchen Zelten ziehen auch immer wieder in Paraden über das Gelände, um für ihre Spezialitäten zu werben. Darüber hinaus gibt es viele Attraktionen, die das Publikum begeistern sollen. So werden auf der Bühne im Freien manchmal Modeschauen veranstaltet, die natürlich das Interesse von vielen Besuchern wecken. Und was wäre ein chinesisches Fest ohne den beliebten Volkssport Karaoke? Fast auf den meisten Bühnen kann man sein Glück versuchen und auf Wunsch eine gebrannte CD des eigenen Hits mit nach Hause nehmen.
Die Kellner und Barkeeper, die beim Qingdao Bierfest beschäftigt sind, leisten in den Tagen der Veranstaltung Schwerarbeit. Nach Medienberichten werden allein am ersten Tag knapp 70 Tonnen Bier getrunken. Das bedeutet für die Betreiber der Stände natürlich Schwerarbeit. Chen Lie ist einer der Barkeeper, die im Paulaner Zelt arbeiten. Er erzählt uns:
„Eigentlich bin ich ja Student. Ich arbeite zum ersten Mal auf diesem Bierfest, das ist natürlich anstrengend. Zum Glück haben mich viele ältere Kollegen, die schon mehr Erfahrung haben als ich, von Anfang an unterstützt. Die haben mir sehr geholfen. Das hat mich tief beeindruckt. Es ist eine gute Tradition in China, dass die Menschen einander helfen. In Zukunft werde ich das genau so handhaben."
Wie beim Münchner Oktoberfest gibt es beim Bierfestival von Qingdao auch einen großen Rummelplatz mit vielen modernen Karussells. In diesem Viertel amüsieren sich vor allem Jugendliche und verliebte Paare, und auch hier ist der Andrang beachtlich. Vor einigen Karussells wie zum Beispiel der gigantischen Achterbahn bilden sich lange Schlangen.
Wer sich nach so viel Feiern ein bisschen erholen muss, liegt in Qingdao natürlich goldrichtig. An der von Pinien gesäumten Seepromenade gönnen sich müde Festbesucher eine Ruhepause. Von dort öffnet sich der weite Blick auf die Kiautschou-Bucht mit einem winzigen Eiland, nach dem die Stadt Qingdao – „die grüne Insel" – benannt ist. Oder man stattet den alten Villen aus der Kolonialzeit einen Besuch ab, die noch gut erhalten sind und so einen guten Einblick in vergangene Zeiten geben. Sportliche wagen auch einen Ausflug zum Lao Shan, einen der schönsten Berge Chinas, den man mit einer rund zweistündigen Busfahrt erreichen kann. Die meisten ziehen es jedoch vor, einen der zahlreichen Stränden einen Besuch abzustatten, um dort das Meer und die Sonne zu genießen.
Das Bierfestival von Qingdao dauert übrigens noch bis zum 29. August. Der Festpark hat täglich von 8.30 bis 22 Uhr geöffnet. Der Eintrittspreis ist mit 10 bis 20 Yuan sehr niedrig, dafür muss man bei den Getränkekosten etwas tiefer in die Tasche greifen. Aber schließlich ist es ja nur einmal im Jahr, wenn es wieder heißt: Gan bei mit der Welt!
Geschrieben und gesprochen von: Wolfgang Kuhn
Fotos von: Wolfgang Kuhn