Im Jahr 2000 begann der chinesische Haushaltsgerätehersteller Haier, den Weltmarkt ins Visier zu nehmen. Neun Jahre später verfügt das Unternehmen aus Qingdao über Forschungs- und Entwicklungszentren, Produktionsstandorte sowie Vertriebsnetze in über 30 Ländern. Branchenkenner führen den Erfolg des ehemaligen Kleinunternehmens auf das Festhalten an seiner Geschäftsstrategie zurück. Mehr dazu erfahren Sie in unserem folgenden Beitrag.
Erbost über die schlechte Qualität seiner Kühlschränke, ließ Firmenchef Zhang Ruimin Mitte der 1980er Jahre mitten auf dem Fabrikgelände von Haier in Qingdao 76 fehlerhafte Geräte aufstellen. Danach zitierte er alle Arbeiter zu sich, die an der Herstellung dieser defekten Kühlschränke beteiligt waren, drückte ihnen einen Vorschlaghammer in die Hand und befahl ihnen, ihre eigene Ware zu zerstören. Zhang selber zertrümmerte ebenfalls einen der defekten Kühlschränke. "Es gibt keine A-, B-, C- oder D-Qualität. Es gibt nur akzeptabel oder inakzeptabel", so der Haier-Chef. Diese Anekdote ist in China eine viel zitierte Geschichte. Auch Philip Carmichael, der momentane Haier-Verantwortliche für den Raum Asien-Pazifik, kennt diese Anekdote nur zu gut:
"Bei uns gibt es eine Anekdote über das Zertrümmern von Kühlschränken. Diese Geschichte zeigt, dass unser Unternehmen schon seit 1985 – also kurz nach der Firmengründung - großen Wert auf die Produktequalität legt. Qualität ist sozusagen der wesentliche Inhalt unserer DNA. Schließlich ist es auswegslos, auf dem heftig umkämpften Markt ausschließlich von niedrigen Preisen abhängig zu sein."
Von klein bis groß, von schwach bis stark und vom Binnenmarkt auf den Weltmarkt - der Konzern Haier hat eine lange und nicht immer einfache Entwicklung durchgemacht. Haier ist ein staatliches Unternehmen, das im Jahr 1984 im Zuge der Reform- und Öffnungspolitik gegründet wurde. Sein Vorgänger war eine Kühlschrankfabrik, die das Know-how der deutschen Firma Liebherr als Lizenz eingeführt hatte. In einem kleinen Museum an seinem Hauptsitz in Qingdao können die Besucher die Entwicklungsgeschichte von Haier ansehen. Zu den ausgestellten Exponaten gehören Kühlschränke, Waschmaschinen, Computer, Mobilfunkgeräte und Küchenausstattungen. Besonders auffällig ist zudem eine Vitrine mit einer Urkunde. Was es mit dieser Urkunde auf sich hat, erklärt uns eine Museumsangestellte:
"Es handelt sich um die Urkunde einer staatlichen Qualitätsauszeichnung. Es ist zugleich der erste goldene Preis überhaupt, mit dem ein chinesischer Kühlschrankhersteller ausgezeichnet wurde. Dass wir die Urkunde in einer besonderen Vitrine ausstellen, zeigt, dass wir von Haier der Produktqualität einen hohen Stellenwert beimessen."
Mit dem Zertrümmern von defekten Geräten begann beim damals kleinen Kühlschrankhersteller eine neue Ära. Heutzutage ist Haier ein Synonym für qualitativ hochwertige Produkte aus China. Auch im Kundendienst von Haier gilt guter Service als oberstes Gebot. Asien-Pazifik-Chef Philip Carmichael spricht aus eigener Erfahrung:
"An einem Sonntag habe ich telefonisch den Kundendienst von Haier um Hilfe gebeten, da ich meinen Warmwasseraufbereiter nicht bedienen konnte. Das Personal des Kundendienstes hat mir versprochen, innerhalb einer Stunde zu mir zu kommen. Entgegen meiner Erwartung kamen sie in nur 30 Minuten und zeigten mir, wie ich den Warmwasseraufbereiter bedienen muss. Da sie nicht wussten, wer ich war, behandelten sie mich wie einen ganz gewöhnlichen Kunden. Am nächsten Tag rief mich der Kundendienst an und fragte, ob alles geklappt hat und wie ich den Service beurteile? Meiner Meinung nach war es der beste Service weltweit. In den USA und Europa ist es ausgeschlossen, sonntags einen solchen Service zu bekommen."
Im Jahr 2000 begann Haier mit der schrittweisen Expansion im Ausland. Zuerst in den USA, dann in Japan und danach in Europa. Zunächst ging es dem chinesischen Haushaltsgerätehersteller darum, sich als Marke zu positionieren. Als erster Ort für den Markenaufbau im Ausland entschied sich Haier für das prestigeträchtige Tokio. Carmichael, der Asien-Pazifik-Chef von Haier, erinnert sich:
"Am Anfang war es so, dass kaum ein Japaner mit dem Namen Haier vertraut war. Wir beschlossen daher, zuerst die härteste Nuss zu knacken. Die Ginza-Straße in Tokio ist das teuerste Einkaufsviertel weltweit. Wir ließen dort eine Werbetafel aufstellen, damit die Menschen die Herkunft von Haier sehen konnten. Bei unserer Expansion in den USA gingen wir ähnlich vor. In New York kauften wir ein Gebäude. So hat Haier nun ein Grundstück in New York."
Anders als die meisten chinesischen Unternehmen verfolgt Haier keine Billigpreispolitik. Wie seine internationale Konkurrenz hat der Konzern aus Qingdao von allem Anfang an auf Qualität und eine ausgeklügelte Werbeoffensive gesetzt.
Inzwischen verfügt Haier über ein internationales, konkurrenzfähiges Produktions- und Vertriebsnetz. Im Jahr 2008 belief sich der Umsatz von Haier auf 18 Milliarden US-Dollar. 25 Prozent seines Umsatzes erwirtschaftete Haier im Ausland. Mittlerweile beschäftigt der größte chinesische Haushaltgerätehersteller über 60.000 Personen. 17 Prozent davon arbeiten im Ausland. In Tokio, Seoul, Mailand und in South Carolina unterhält Haier Forschungs- und Entwicklungszentren.
Auch nach Ausbruch der internationalen Finanzkrise hat Haier seine Markenstrategie nicht vernachlässigt. Da seine Exportzahlen infolge der Weltwirtschaftskrise stark zurückgingen, hat Haier seinen Arbeitsschwerpunkt auf die Erschließung der ländlichen Regionen in China verlegt.
Im Bereich Forschung und Entwicklung setzt Haier seine Strategie unbeirrt fort. Eigenen Angaben zufolge investiert das Unternehmen schon seit Jahren fünf Prozent seines Gesamtumsatzes in die Forschung und Entwicklung. Bei seinen Bemühungen um innovative Produkte erhält der Haushaltgerätehersteller tatkräftige Unterstützung der Lokalregierung. Dazu Zhou Qing, der stellvertretende Leiter des Amts für Wissenschaft und Technik der Stadt Qingdao:
"Wir gewähren namhaften großen Unternehmen Servicedienstleistungen im Bereich der wissenschaftlichen Forschung, mit dem Ziel, sie zur Übernahme gewisser nationaler Forschungsprojekte zu ermutigen. Durch die selbständige Forschung und in Zusammenarbeit mit anderen Forschungsinstitutionen können sie dann wissenschaftlich-technische Fortschritte erzielen und in ihren jeweiligen Tätigkeitsfeldern ihre führende Rolle beibehalten. Ein Beispiel hierfür ist das von Haier übernommene Projekt des vernetzten Haushaltsgerätes. Bei diesem Projekt profitiert Haier sowohl von staatlicher Unterstützung als auch vom technologischen Vorsprung."
Bearbeitet von: Xu Wei
Gesprochen von: Lu Shan