Über die ostchinesische Küstenstadt Qingdao haben wir in den vergangenen Sendungen schon öfters berichtet. Von 1897 bis 1914 stand Qingdao als Hauptstadt des so genannten "Deutschen Schutzgebiets Kiautschou" unter deutscher Herrschaft. Aus dieser Zeit sind im gesamten Stadtgebiet viele Bauten erhalten, so zum Beispiel die berühmte Tsingtao-Brauerei, der Bahnhof, die protestantische Kirche und nicht zuletzt die Residenz des ehemaligen deutschen Gouverneurs. In diesem Haus haben zwei deutsche Statthalter jeweils drei Jahre lang gearbeitet und gelebt. Kommen Sie nun mit und lassen Sie uns gemeinsam diese luxuriöse Residenz in Qingdao entdecken.
Rote Dachziegel, grüne Bäume und blaues Meer gelten als Markenzeichen von Qingdao. Die Häuser mit roten Dachziegeln sind dabei meist an den deutschen Baustil angelehnt. Zheng Anxin, Leiterin des Qingdaoer Denkmalschutzamtes, sagt, die deutschen Bauten bildeten ein großes Freilichtmuseum.
"Von 1897 bis 1914 wurde Qingdao stark von deutschen Architekten, vor allem im Stile des Neo-Barock und der Neo-Gotik, geprägt. Die wunderschönen Werke deutscher Architekten bilden ein regelrechtes "Museum ohne Mauer"."
Residenz des ehemaligen deutschen Gouverneurs in Qingdao
Die Residenz des ehemaligen deutschen Gouverneurs befindet sich auf halber Höhe des Bergs Xinhao im Stadtbezirk Shinan. Sie wurde vom deutschen Architekten Werner Lazarowicz geplant und gebaut. Die Bauarbeiten wurden 1903 begonnen und 1907 abgeschlossen. Für das Haus mit einer Gesamtfläche von mehr als 4000 Quadratmetern hatte die deutsche Regierung einen Etat von 450.000 Goldmark vorgesehen. Diese Summe musste allerdings mehrmals aufgestockt werden, letztendlich hat das Haus insgesamt über eine Million Goldmark gekostet, ein für damalige Verhältnisse sehr hoher Betrag.
Während des Ersten und Zweiten Weltkriegs wurde die Residenz des Gouverneurs glücklicherweise nicht von der Volkswut oder von den Flammen des Kriegs zerstört. Nach der Gründung der Volksrepublik China diente sie als Ort zum Empfang hoher Staatsgäste. 1999 wurde sie für Touristen zugänglich gemacht.
Die Lage der Residenz ist ideal. Sie liegt auf der halben Höhe des Bergs Xinhao. Vom Fenster oder dem Balkon aus konnte der Gouverneur nicht nur die herrliche Landschaft mit roten Dachziegeln, viel Grün und blauem Meer genießen, sondern auch den Exerzierplatz der deutschen Soldaten am Fuß des Bergs beobachten.
Fliesen mit Kornblumenmustern
In der Residenz sind überall deutsche Spuren zu finden. Die Fliesen mit Kornblumenmustern erinnern die Besucher sofort an Deutschland. Im Ballsaal der Residenz steht ein 1876 hergestelltes Klavier der Leipziger Piano-Fabrik Blüthner. Die Tasten des Klaviers sind aus kostbarem Elfenbein. In der neun Meter hohen Haupthalle der Residenz steht eine große Uhr. Auch sie ist deutscher Herkunft. Die Reiseleiterin Frau Liu:
"Die Uhr wurde 1901 von der namhaften deutschen Uhrenfabrik Junghans hergestellt. Sie läutet viermal in der Stunde und zu jeder vollen Stunde schlägt die Glocke die exakte Uhrzeit. Obwohl die Uhr mehr als einhundert Jahre alt ist, geht sie heute immer noch sehr genau."
1876 hergestelltes Klavier der Leipziger Piano-Fabrik Blüthner
Sämtliche Möbel in der Residenz wurden Anfang des letzten Jahrhunderts von der Hofmöbelfabrik "Gerson und Wolff" in Stuttgart hergestellt und nach Qingdao transportiert. Trotz des feuchten Klimas in der Küstenstadt hat sich bis heute kein einziges Möbelstück verformt. Die bemerkenswertesten Schmuckstücke in der Residenz sind laut Reiseleiterin Liu drei mit Edelsteinen geschmückte Lampen.
"Jedes Edelsteinstück dieser Lampe ist von unterschiedlicher Größe, denn es sind echte, naturbelassene Steine, die nicht geschnitzt oder poliert wurden. Die Lampe ist sozusagen eine echte Edelsteinlampe. Edelsteine lassen sich eigentlich ganz leicht von buntem Glas unterscheiden: Bei buntem Glas wird das Licht bunt an die Decke geworfen, bei bunten Edelsteinen ausschließlich in der Farbe des Lichtes."
Echte Edelsteinlampe
Für den Erhalt und die Restaurierung der ehemaligen Residenz des Generalgouverneurs hat sich die Qingdaoer Regierung viel Mühe gegeben. Ein großes Problem dabei war allerdings der Ersatz der Zungenziegel, das ist eine spezielle Dachziegel-Art. Die Frage war, ob entsprechende Materialien heute noch erhältlich sein würden. Das Problem beschäftigte das Denkmalschutzamt in Qingdao lange Zeit, konnte allerdings schließlich doch gelöst werden, so Amtsleiterin Zheng Anxin.
"Als einmal ein deutscher Experte zu Besuch kam, fragten wir ihn danach. Ihm zufolge halten solche Zungenziegel normalerweise etwa 100 Jahre. Er konnte uns einen Hersteller solcher Dachziegel in Deutschland vermitteln. Die Firma war bereit, uns Dachziegel für 25 Häuser deutschen Baustils als Ersatz kostenlos zur Verfügung zu stellen. Sie haben uns sogar Ausbildungskurse für chinesische Bauarbeiter angeboten!"
Geschrieben von: Zhu Liwen
Gesprochen von: Lu Ming