China ist das Gastland der diesjährigen Frankfurter Buchmesse. Eine einmalige Gelegenheit also für die deutschen Leser, das Land und dessen Verlagsbranche besser kennenzulernen. Auf der Buchmesse in Frankfurt auftreten werden auch dieses Jahr Vertreter chinesischer Schriftsteller, darunter Qin Wenjun, eine renommierte Schriftstellerin der chinesischen Kinder- und Jungendliteratur der Gegenwart.
Qin Wenjun sei die am meisten gelesene Autorin der chinesischen Kinder- und Jugendliteratur der Gegenwart, meinen Literaturkritiker.
Die 55-jährige Qin Wenjun ist eine gebürtige Shanghaierin. Schon als Kind zeigte sie ein außerordentlich großes Leseinteresse. Als sie 17 Jahre alt war und die Mittelschule unterer Stufe absolvierte, musste sie wegen der Kulturrevolution die Schule unterbrechen und wie viele ihrer Altersgenossen aufs Land gehen. Sie war als Forstarbeiterin in der nordchinesischen Provinz Heilongjiang tätig. Später wurde sie beauftragt, Dorfschullehrerin zu werden. Der Lehrerberuf hat Qin Wenjun Spaß gemacht, denn sie mag es, mit Kindern umzugehen. Das Leben ihrer Schüler hat Qin Wenjun in ihrem Tagebuch festgehalten. Um den Lehrerberuf besser ausüben zu können hat Qin Wenjun in ihrer Freizeit zahlreiche Bücher über Kinderpsychologie gelesen. Dies alles schuf die Grundlagen für ihre künftige Tätigkeit als Kinder- und Jugendbuchautorin.
1982 hat Qin Wenjun ihr Erstlingswerk "Das leuchtende Glühwürmchen" veröffentlicht, damit begann ihre literarische Laufbahn. Bislang hat sie mehr als 30 Bücher geschrieben. Für ihre hervorragenden Leistungen wurde sie für den Hans Christian Andersen-Preis nominiert. Dieser Preis gilt als die international renommierteste Auszeichnung im Bereich der Kinder- und Jugendliteratur.
Für ihre Werke "Ein Junge namens Jia Li", "Ein Mädchen namens Jia Mei" und "Mädchen mit sechzehn" erhielt Qin Wenjun mehrere wichtige Kinderbuchpreise. Einige ihrer Werke wurden als Filme und Fernsehserien adaptiert, nicht wenige wurden übersetzt und im Ausland prämiert. Ihr wichtigstes Werk "Ein Junge namens Jia Li" ist beispielsweise ins Niederländische übersetzt worden.
Jia Li ist ein Junge wie jeder andere – und doch gibt es über ihn so viele Geschichten zu erzählen! Zusammen mit seinen Freunden wird er immer wieder in spannende Abenteuer verwickelt. Trotz seines jungen Alters hat er schon so Manches erlebt. Und beim nächsten Abenteuer geht dieser kluge und warmherzige Junge schon in eine höhere Klasse ...
Mit dem Jungen namens Jia Li hat Qin Wenjun eine faszinierende Figur geschaffen, die die Leser auf ihrem Weg des Erwachsenwerdens begleiten kann.
Anläßlich Chinas Gastlandauftritt auf der Frankfurter Buchmesse haben von März bis September dieses Jahres mehr als zehn chinesische Schriftsteller eine Vorlesungsreise nach Deutschland gemacht. In München hat Qin Wenjun ihr neuestes Buch "Die tanzende Sonnenblume" vorgestellt. Die beiden Vorlesungen in einer Münchener Buchhandlung und im Konfuziusinstitut der Stadt sowie der Austausch mit deutschen Lesern haben die Schriftstellerin beeindruckt.
"Zum einen habe ich den Eindruck, dass deutsche Leser eine lange Lese-Tradition hinter sich haben. Zum anderen haben mich die Höflichkeit und die große Aufmerksamkeit der deutschen Leser sehr beeindruckt."
"Die tanzende Sonnenblume" besteht aus 63 Geschichten, die zum großen Teil aus den Kindheitserlebnissen der Autorin stammen.
Erzählt wird die Geschichte des kleinen Mädchens Vanilla und ihren Freunden – eine Kindheit wie sie sich jedes Kind nur wünschen kann: Im Land der kleinen Gärten wachsen Sonnenblumen, die nach dem Rhythmus der Musik tanzen. An der großen Tafel der kleinen Geizhälse gibt es alles Erdenkliche zu essen und die Regentropfen, die auf das eiserne Dach klopfen, sind in Wirklichkeit große Musiker. Die Aufgabe der Lehrer in diesem Land ist es, die Kinder zu erfreuen, ein Aufsatz hat einen Bauch und einen Schwanz, und bei der Klassenversammlung sind die Kinder die mächtigste Instanz.
Es ist eine Welt, die ganz für Kinder gemacht ist und Platz lässt für alle ihre Wünsche und Träume.
Für Qin Wenjun war es das erste Mal, dass sie fremdsprachigen Lesern Ausschnitte ihres Buches vorlas. Es wurde zweimal gelesen: Einmal von der Autorin auf Chinesisch, einmal von einem Schauspieler auf Deutsch.
"Überraschenderweise haben die deutschen Leser mich verstanden, als ich Wörter vorlas, die Geräusche imitieren. Zum Beispiel Wörter für das Tropfen von Regen aufs Blechdach. Sie haben das mit einem verständnisvollen Lächeln erwidert. Und ich habe auch verstanden, als die deutsche Schauspielerin zu dieser Stelle kam. Ich finde derartigen Austausch nützlich und interessant."
Qin Wenjun zufolge sind ihre Vorlesungen besser als erwartet bei den deutschen Lesern angekommen. Einige waren sogar zu Tränen gerührt. Aus zeitlichen Gründen wurden nur zwei der Geschichten vorgelesen. Es tat der Autorin sehr Leid, den begeisterten deutschen Lesern mitzuteilen, dass bisher keines ihrer Bücher ins Deutsche übersetzt wurde - einschließlich der "tanzenden Sonnenblume".
Außer der diesjährigen Vorlesungsreise war Qin Wenjun schon dreimal auf der Frankfurter Buchmesse. Leider seien ihre Deutschlandaufenthalte aber alle zu kurz gewesen, so die Autorin:
"Mir gefallen die Werke des deutschen Kinderbuchautoren Michael Ende sehr. Ich habe sein Buch "MOMO und die Zeitdiebe" gelesen. Ich würde gerne noch mehr deutsche Kinderbücher lesen und das Land näher kennen lernen."
Der Wunsch von Qin Wenjun wird schon bald in Erfüllung gehen, denn sie wurde vom Herausgeber ihres Buches eingeladen, im Oktober auf der Frankfurter Buchmesse "Die tanzende Sonnenblume" vorzulesen.