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Nian Guangjiu - Der Unternehmer, der nie aufgab
  2009-01-26 18:20:19  cri
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Nian Guangjiu

Vor 30 Jahren wurde in China die Reform- und Öffnungspolitik eingeläutet. Genau zu dieser Zeit gründete Nian Guangjiu ein kleines Privatunternehmen, das geröstete Melonenkerne verkaufte. Er erfand die Marke "Shazi Guazi", was auf Deutsch soviel bedeutet wie "Die Melonenkerne des Dummkopfs". Bis zum ersten Geschäftserfolg musste Nian Guangjiu viele Rückschläge hinnehmen und viele Hürden überwinden. Insgesamt landete er dreimal im Gefängnis. Dank der Fürsprache von Deng Xiaoping, dem Architekten der Reform- und Öffnungspolitik, kam er aber jedes Mal wieder frei. In der heutigen Sendung erzählen wir Ihnen die Geschichte von Nian Guangjiu.

Nian Guangjiu wurde im Jahr 1937 geboren. Bereits im Alter von neun Jahren musste er seiner Familie helfen, für ihren Lebensunterhalt aufzukommen. Nian Guangjius Familie verkaufte alles, was sich gut verkaufen lässt - von Früchten über Essigpflaumen bis hin zu Fischen und Kastanien. Schon bald nach der Gründung der Volksrepublik China im Jahr 1949 aber wurde der Verkaufsstand der Familie von Nian Guangjiu verboten, da der Einzelhandel als Bestandteil des kapitalistischen Systems der sozialistischen Weltanschauung zuwider lief. Nian Guangjiu erinnert sich an diese düstere Zeit für sein Geschäft:

"Damals gab es noch keinen Einzelbetrieb. Alle Fabriken waren verstaatlicht. Alle Angestellten und Arbeiter in den Betrieben - egal, ob sie fleißig oder faul waren - erhielten denselben Lohn. Ich wollte mit den Staatsbetrieben konkurrieren, um die Qualität der Produkte zu erhöhen."

Seinen Entscheid, mit seinem Geschäft weiterzumachen, kam Nian Guangjiu teuer zu stehen. Wer sich in der damaligen Zeit mit der Staatsmacht anlegte, musste mit einer harten Strafe rechnen. So auch Nian Guangjiu. Im Jahr 1963 wurde gegen ihn Anklage wegen Spekulationsgeschäften erhoben. Der widerspenstige Privatunternehmer wurde schließlich zu einer einjährigen Haftstrafe verurteilt.

Nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis suchte Nian Guangjiu einen neuen Weg, um seine Familie zu versorgen. Von einem alten Bekannten erfuhr er, wie man Melonenkerne röstet. Von da an verdiente er seinen Lebensunterhalt mit dem Verkauf von gerösteten Melonenkernen. Stolz erinnert sich Nian Guangjiu an seinen ersten Verkaufstag vor einem Kino:

"Ich bin eine Händlernatur. Ich weiß genau, wo der ideale Ort für Geschäfte ist. Ich verlegte meinen Verkaufsstand vor den Eingang des Kinos. Zwei Mädchen verkauften dort ebenfalls geröstete Melonenkerne. Aber sie waren schüchtern und wählten keinen geeigneten Ort für ihr Geschäft aus. Mein Kilogramm Melonenkerne ließ sich hingegen sehr gut verkaufen."

Es gab Tage, an denen Nian Guangjiu bis zu zehn Kilogramm geröstete Melonenkerne verkaufen konnte. Manchmal verdiente er pro Tag über 40 Yuan. Dies entsprach ungefähr zwei Monatslöhnen eines Arbeiters. Nian Guangjiu konnte zwar kein Wort lesen, hatte aber einen guten Riecher fürs Geschäft. Er erkannte, dass er auf die verschiedenen Geschmäcker seiner Kunden Rücksicht nehmen musste, wenn er erfolgreich sein wollte. Daher begann er, Melonenkerne mit unterschiedlichen Zutaten herzustellen. Seine Shazi Guazi sollten die Herzen seiner Kunden im Sturm erobern.

Parallel zur wachsenden Beliebtheit der Shazi Guazi wuchs auch das Einkommen von Nian Guangjiu stetig an. Doch noch immer lief sein Privatgeschäft der staatlichen Maxime zuwider. Er ging jedes Mal ein Risiko ein, wenn er seine Melonenkerne verkaufte:

"Ich lief einfach weg, wenn die Beamten der zuständigen Behörden kamen. Derartige Einzelgeschäfte waren damals illegal."

Der Wendepunkt für Nian Guangjiu und sein Geschäft kam im Jahr 1978. An der dritten Plenarsitzung des elften Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas im Dezember 1978 wurde die Reform- und Öffnungspolitik beschlossen. Nian Guangjiu erkannte die Entwicklungschancen, die sich für sein Verkaufsgeschäft aus dieser Sitzung ergaben, sofort:

"Die Einschränkungen für mein Geschäft waren bereits gelockert worden. Dann kam diese Entwicklungschance."

Anfänglich ging es Nian Guangjiu weniger um den Profit als vielmehr um eine wachsende Kundenzahl. Um mehr Kunden anzulocken, gewährte Nian Guangjiu großzügige Mengenrabatte. Seine Strategie ging auf. Nicht selten standen die Kunden für seine gerösteten Melonenkerne Schlange:

Nian Guangjiu gelang es im Laufe der Zeit, sein Geschäft kontinuierlich auszubauen. Als er immer erfolgreicher wurde, ließ er das chinesische Wort „Shazi" als Marke für seine gerösteten Melonenkerne schützen. Schon bald hatte er mit seinem Melonengeschäft rund eine Million Yuan RMB verdient. Eine gewaltige Summe im Vergleich zu den 800 Millionen Bauern Chinas, die damals pro Jahr im Durchschnitt lediglich 76 Yuan RMB verdienten. 200 Millionen Bauern mussten sich sogar mit einem Jahreseinkommen von weniger als 50 Yuan RMB begnügen.

Seinen Profit vergrub Nian Guangjiu im Boden. Er wagte es nicht, so viel Geld auf ein Bankkonto einzuzahlen:

"Als Inhaber eines Privatbetriebs konnte ich das Geld damals nicht auf ein Bankkonto einzahlen. Sonst wäre die Frage aufgetaucht, wie ist es möglich, auf legale Weise so viel Geld zu verdienen?"

Trotz all seiner Bemühungen sickerte bald durch, dass Nian Guangjiu mit dem Verkauf von Melonenkernen gutes Geld verdiente. Einige Leute vertraten die Ansicht, die große Kluft zwischen Armen und Reichen würde gegen das sozialistische Gleichheitsprinzip verstoßen. Der Ruf nach Einstellung von Nian Guangjius Geschäft wurde immer lauter. Dieses Mal jedoch wurde sein umstrittenes Geschäft von den politischen Äußerungen Deng Xiaopings gerettet. Dengs Worte boten ihm die notwendig gewordene Rechtfertigung für sein Handeln.

Doch schon bald sah sich Nian Guangjiu wegen seiner hohen Anzahl Beschäftigter erneut heftiger Kritik ausgesetzt. Dem damaligen Gesetz zufolge durfte ein Privatbetrieb maximal acht Angestellte haben. Nian Guangjiu beschäftigte aber bereits über 100 Angestellte. Seine Kritiker warfen ihm daher vor, ein Reaktionär neuen Typs zu sein und ein kapitalistisches System zu betreiben. Die Vorwürfe gegen Nian Guangjiu wurden der Stadtregierung von Wuhu, der Lokalregierung der Provinz Anhui sowie der chinesischen Zentralregierung vorgelegt, wie sich Nian Guangjiu ungern erinnert:

"Die zuständigen Regierungsbehörden wie das Amt für Industrie und Handel und die Behörde für öffentliche Sicherheit haben Dokumente zur Anklage gegen mich vorbereitet. In den Dokumenten sind insgesamt 72 Vorwürfe gegen mich aufgelistet."

Erneut kam Deng Xiaoping Nian Guangjiu zu Hilfe. In einer Rede sagte Deng: "Vor einiger Zeit löste die Frage in Bezug auf das Unternehmen Shazi Guazi eine große Debatte aus. Viele Leute waren besorgt. Meiner Meinung nach können wir die Bedenken dieser Leute jedoch einstweilen beiseite lassen. Wovor fürchten wir uns denn, wenn Shazi Guazi seinen Betrieb weiterhin aufrecht erhält? Hat Shazi Guazi den Sozialismus beeinträchtigt?"

Diese bekannte Rede von Deng Xiaoping hat die Beschränkungen für Einzelbetriebe in China - einschließlich des Betriebs von Nian Guangjiu – gelockert. Laut Statistik gab es damals in ganz China über 100.000 Einzelbetriebe. Das Beschäftigungsverhältnis war somit nicht weiter ein Problem für Privatunternehmen.

Bei seiner Geschäftstätigkeit musste Nian Guangjiu mehrere Rückschläge hinnehmen. Um weiteren Schwierigkeiten aus dem Weg zu gehen, entschied er sich freiwillig, seinen Privatbetrieb in ein halbstaatliches Unternehmen umzuwandeln. So wurde im Jahr 1984 offiziell das Wuhu Shazi Guazi Unternehmen gegründet. Nian Guangjiu amtete von nun an als Generaldirektor des Unternehmens.

Damit aber waren die Probleme für Nian Guangjiu noch nicht vorbei. Ende 1987 wurde gegen ihn Anklage wegen Unterschlagung des öffentlichen Eigentums erhoben. Er wurde von der Staatsanwaltschaft zur Untersuchung inhaftiert und wegen Missbrauchs von öffentlichen Geldern zu einer Haftstrafe verurteilt.

Im Jahr 1992, als Nian Guangjiu noch im Gefängnis war, kam ihm erneut Deng Xiaoping zu Hilfe. In seiner Rede verteidigte Deng den Unternehmergeist von Nian Guangjiu explizit: „Zu Beginn der Reform in den ländlichen Gebieten tauchte in der Provinz Anhui die ,Shazi Guazi'-Frage auf. Damals fühlten sich viele Menschen nicht wohl, nur weil er eine Million Yuan verdiente. Sie forderten daher Strafmaßnahmen gegen ihn. Darüber bin ich aber anderer Meinung. Wenn wir Strafmaßnahmen gegen ihn treffen würden, würden andere darauf hinweisen, dass wir ja unsere Politik geändert hätten. Infolgedessen würden wir mehr verlieren als gewinnen."

Nach Veröffentlichung dieser Rede von Deng Xiaoping wurde Nian Guangjiu freigelassen. Die Rede von Deng Xiaoping hat das Shazi Guazi-Geschäft von Nian Guangjiu einmal mehr gerettet. Aus Dank hat Nian Guangjiu die Worte von Deng auf der Rückseite seiner Visitenkarte verewigt.

Trotz mehrerer Rückschläge hält Nian Guangjiu weiterhin an seiner Lebensphilosophie fest. Chancen will er auch weiterhin ergreifen, wenn sie vielversprechend sind:

"Wenn du die entsprechende Politik richtig verstehst, sollst du keine Bedenken haben. Vielversprechende Chancen sollten nicht verpasst werden."

Nian Guangjiu ist mittlerweile über 70 Jahre alt. Sein Geschäft hat er bereits an die jüngere Generation weitergegeben. Die Bevölkerung biete eine solide Basis für die Entwicklung des Handels. Dies ist die Lehre, die Nian Guangjiu aus den vergangenen drei Jahrzehnten als Unternehmer gezogen hat. Gleichzeitig mahnt er als Vertreter der Privatunternehmer, die nach Beginn der Reform- und Öffnungspolitik als neue soziale Klasse in Erscheinung traten, das Hauptaugenmerk nicht ausschließlich auf den Profit zu werfen.

Übersetzt von: Zhang Chen

Gesprochen von: Qiu Jing

Forum Meinungen
• mengyingbo schrieb "Leben in Changshu"
seit etwas über einer Woche ist nun Changshu 常熟 in der Provinz Jiangsu 江苏 meine neue Heimat - zumindest erstmal für rund 2 Jahre.Changshu (übersetzt etwa: Stadt der langen Ernte) liegt ungefähr 100 km westlich von Shanghai und hat rund 2 Millionen Einwohner, ist also nur eine mittelgroße Stadt.Es gibt hier einen ca. 200m hohen Berg, den Yushan 虞山 und einen See, den Shanghu 尚湖...
• Ralf63 schrieb "Korea"
Eine schöne Analyse ist das, die Volker20 uns hier vorgestellt hat. Irgendwie habe ich nicht genügend Kenntnisse der Details, um da noch mehr zum Thema beitragen zu können. Hier aber noch einige Punkte, welche mir wichtig erscheinen:Ein riesiges Problem ist die Stationierung von Soldaten der USA-Armee in Südkorea...
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